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„Unser Ziel ist es, die Getränke-Industrie zu revolutionieren.“© imago/Westend61
Sodastream

„Ich bin total froh über jeden Konkurrenten“

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Sodastream-Manager Rüdiger Koppelmann über den Wettbewerb im Geschäft mit Wassersprudlern, die Anti-Plastik-Mission und die Rolle als Trojanisches Pferd beim Mutterkonzern Pepsico.

Zwei Jahre lang leitete Rüdiger Koppelmann die Geschäfte von Sodastream in Frankreich, seit Anfang des Jahres ist er Generalmanager in Deutschland und Österreich. Bis 2023 will er den Umsatz auf dem wichtigsten Markt des Herstellers von Trinkwassersprudlern verdoppeln. Im Interview spricht der Marketing-Fachmann über Umsatz, Umweltschutz und Unternehmenskultur.

Herr Koppelmann, was ist wichtiger: Umsatz oder Umweltschutz?

Beides ist wichtig – bei Sodastream kann man das nicht trennen. Jeder Haushalt, der einen unserer Wassersprudler kauft, wird Tausende Einwegflaschen pro Jahr weniger verwenden. Das ist unsere Mission: Lasst uns einen Betrag leisten, die Welt von Plastik zu befreien. Diese Mission motiviert uns – aber klar, wir sind keine Nichtregierungsorganisation und wollen auch Geld verdienen.

Also Umsatz mit Umweltschutz?

Absolut. Wir wachsen in Deutschland jetzt das 32. Quartal in Folge zweistellig und wir sind zuversichtlich, dass wir den Umsatz in den nächsten drei Jahren verdoppeln können. Eines unser Erfolgsgeheimnisse ist, dass wir den Menschen eine nachhaltige Lösung bieten, ohne ihnen einen Trade-off aufzuzwingen.

Was bedeutet das?

Es heißt zum Beispiel immer: Flieg weniger! Aber wer auf Flüge verzichtet, kann eben auch nicht mehr nach Thailand reisen. Oder: Iss weniger Fleisch! In solchen Fällen heißt Umweltschutz immer auch Verzicht. Wir können den Menschen dagegen sagen: Du musst auf nichts verzichten und schützt die Umwelt.

Umweltschutz ist angesagt. Sind Sie Greta Thunberg und Fridays for Future dankbar für ihren Klimaprotest?

Das Bewusstsein, dass Einwegplastik ein Problem ist, ist rasant gestiegen. Deswegen sind wir natürlich dankbar, klar. Auf der anderen Seite sind wir auch nicht unbescheiden, denn wir haben das Thema ein Stück weit angeschubst. Mit Kampagnen, Petitionen und Lobbyarbeit machen wir schon lange auf das Plastikproblem aufmerksam.

Und darüber hinaus? Wie schützt Sodastream die Umwelt?

Wir wollen nicht nur Tausende Plastikflaschen pro Haushalt verhindern, sondern hinterfragen auch unsere eigenen Prozesse. Unsere Wassersprudler werden zukünftig durch ein neues Verpackungsdesign vor Kratzern geschützt und nicht mehr in Plastik verpackt. Unsere Bio-Sirupe verkaufen wir bereits in Glasflaschen. Unsere neuen Sirupe werden in Zukunft nicht in mehr Plastikflaschen abgefüllt. Insgesamt sind wir aber noch nicht bei 100 Prozent, das geben wir zu.

Auch Wasserflaschen aus Plastik bieten Sie noch an.

Auf diese Mehrwegflaschen werden wir auch nicht verzichten, weil die Menschen sie brauchen. Zum Beispiel, wenn Sie ins Fitnessstudio gehen. Wir sind ja nicht gegen jegliches Plastik. Plastik ist ein wertvoller Stoff, der viel dazu beigetragen hat, dass zum Beispiel Flugzeuge leichter geworden sind. Aber Einwegplastik, Flaschen, die nur zehn Sekunden benutzt und dann weggeschmissen werden - diesen Irrsinn wollen wir bekämpfen.

Die anderen Getränkehersteller sagen: Wir recyceln.

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Rüdiger Koppelmann (48) wurde in Berlin geboren. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der WHU in Koblenz. Nach dem Studium arbeitete er bei Haribo und Procter & Gamble. Anschließend wechselte er zu Sodastream, wo er unter anderem Marketing Director in Deutschland und Österreich sowie Geschäftsführer in Frankreich war.© Monika Müller

Recycling kann Teil der Lösung sein, aber es funktioniert nicht gut. Aus zwei Gründen: Nach meinen Informationen geht immer noch sehr viel Einwegplastik in die thermische Verwertung – es wird also verbrannt. Außerdem wird in der EU immer noch sehr viel Plastik exportiert nach Südostasien. Als Europäer zeigen wir oft eine große Doppelmoral.

Seit Ende 2018 sind Sie Teil eines Konzerns, der mit Einwegflaschen und -dosen reich geworden ist: Pepsico. Wie ist das Verhältnis zum Mutterkonzern?

Gut – und zwar deshalb, weil wir unabhängig geblieben sind.

In der Vergangenheit hat Sodastream oft gegen Coca Cola und Pepsico geschossen und den Kampf gegen das „PET-Kartell“ beschworen: In Werbeclips sah man zum Beispiel explodierende Plastikflaschen. Hat Pepsico Ihnen keine Zügel angelegt?

Nein, das ist das Schöne. Wir behalten unsere eigene DNA – und provokante Aktionen werden immer zu dieser DNA gehören. Pepsico hat Sodastream ja nicht gekauft, um uns mundtot zu machen, sondern weil sie den Trend erkannt haben. Und natürlich hat Pepsico auch ein großes Interesse daran, dass wir weiter erfolgreich sind.

Gelingt es Ihnen, den Mutterkonzern beim Thema Umweltschutz zu beeinflussen?

Ich glaube, ja. Sie kennen bestimmt die Geschichte vom Trojanischen Pferd. Genau so würde ich das gerne sehen – und ein bisschen funktioniert das auch. Ich glaube schon, dass unsere Mission abfärbt und dass sich der Pepsico-Konzern bei einzelnen Entscheidungen manchmal überlegt: Könnten wir es nicht so machen wie Sodastream?

Wer die Sodastream-Webseite besucht, liest nicht nur von Umweltschutz, sondern sieht auch ein anderes großes Wort: Revolution.

Unser Ziel ist es, die Getränke-Industrie zu revolutionieren. Was in den letzten Jahrzehnten passierte, ist Wahnsinn. Einwegplastik macht keinen Sinn – insbesondere dann, wenn man Wasser über die Alpen karrt, weil man meint, man müsse italienisches Markenwasser trinken. Dabei haben unsere Tests gezeigt, dass die meisten Verbraucher keinen Unterschied zwischen verschiedenen Markenwassern erkennen können und ihnen das Wasser aus dem Hahn am besten schmeckt.

Was machen Sie, wenn der revolutionäre Geist tatsächlich um sich greift und die Menschen nur noch Wasser aus dem Hahn trinken – ohne Sprudel?

In der ersten Linie wollen wir Einwegplastik verhindern. Und wenn jemand gerne stilles Wasser aus dem Hahn trinkt – kein Problem, finde ich gut. Wir verdienen unser Geld natürlich mit all jenen, die das Wasser aufsprudeln. Und ich glaube nicht, dass diese Menschen verschwinden werden.

Welche Botschaft schicken Sie denn nach Innen – Stichwort Unternehmenskultur?

Viele Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren eine Mission gegeben. Für uns ist es der Kampf gegen Einwegplastik. Hinter dieser Mission können sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sammeln. Und diese gemeinsame Mission hilft uns im Alltag, aber auch bei der Suche nach neuen Mitarbeitern.

Auf der Internetseite verlangen Sie von Ihren Mitarbeitern: #HabtMutFehlerZuMachen. Welchen Fehler haben Sie zuletzt gemacht?

Ich habe mal richtig viel Geld bei der Produktion eines Werbespots versenkt. Eine sechsstellige Summe. Es war ein guter Film – trotzdem war er nur sehr kurz im Fernsehen zu sehen. Bei Tests haben wir nämlich festgestellt, dass der Werbespot nicht so gut bei den Zuschauern ankam. In dem Film ging es darum, wie Sodastream die Umwelt schützt – schön und gut. Was die Konsumenten wirklich hinter dem Ofen hervorholt, ist aber etwas anderes: Bequemlichkeit und die Tatsache, nicht mehr Flaschen schleppen zu müssen. Deswegen ist dann ein anderer Werbespot gesendet worden. Wir sind pragmatisch: Was auch immer funktioniert, um Menschen von Einwegplastik zu befreien, nutzen wir. Deswegen ist unsere neue Selling-Line auch: Gut für mich, gut für die Umwelt – da sind Komfort und Umweltschutz vereint.

Dieser Fehler hat Ihrer Karriere nicht unbedingt geschadet.

Eben – Mut im Geschäftsleben gehört dazu. Jeder hat das Recht, mal einen Bock zu schießen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen außerdem mutig, kreativ und verrückt sein. Welche verrückte Idee eines Mitarbeiters haben Sie zuletzt umgesetzt?

Das war die Idee, Arnold Schwarzenegger für uns zu gewinnen. Arnold ist ein Star, war Gouverneur von Kalifornien – also eigentlich nicht erreichbar. Ein junger Mitarbeiter hatte dann die Idee, im Rahmen der Klimakonferenz „R20 Austrian World Summit“ mit ihm zusammenzuarbeiten. Dort haben wir ein Mahnmal aus Plastikflaschen aufgebaut – unter anderem mit einem Boxsack. Das gab schöne Bilder von einem boxenden Arnold – und ein tolles Presse-Echo.

Zurück zum Wachstum: Nicht nur Sodastream, auch der Markt wächst und es gibt immer mehr Konkurrenten. Selbst der Discounter Aldi hat einen eigenen Sprudler auf den Markt geworfen. Ist das ein Problem für Sie?

Überhaupt nicht. Ich bin total froh über jeden Konkurrenten, der uns hilft, diesen Markt weiter auszubauen.

Warum?

In Deutschland – unserem größten Markt – benutzen erst zwölf Prozent der Haushalte einen Sprudler. 88 Prozent kaufen ihr Wasser immer noch im Supermarkt. Der Markt ist also riesig und Wettbewerber helfen uns – zum Beispiel, indem sie Haushalte zum Umdenken bringen.

Im vergangenen Juli waren Sodastream-Kartuschen ausverkauft: Wegen der Hitze tauschten mehr Kunden ihre Zylinder um als erwartet. Sind Sie in diesem Jahr besser vorbereitet?

Ja, sind wir. Das hat uns geärgert. Ich glaube nicht, dass uns das nochmal passieren wird. Und auch hier helfen uns Mitbewerber übrigens, weil sie das Angebot der Zylinder erhöhen. Mir ist es auch lieber, eine Verbraucherin kauft bei einem Wettbewerber und verwendet weiter Wassersprudler, als dass sie sagt: „Ach, Mensch – jetzt finde ich keinen Zylinder. Dann kaufe ich eben wieder Wasser in Plastikflaschen.“ Diese Kundin ist für uns womöglich endgültig verloren.

Umsatzwachstum hat auch seine Schattenseiten: Sie müssen ständig anpassen, wie viel sie produzieren.

Größere Probleme gibt es aber nicht. Auch, weil wir ständig neue Menschen einstellen und in neue Maschinen für unsere Fabrik in Limburg investieren, wo wir die Zylinder befüllen, die wir in Deutschland verkaufen. Es braucht schon eine akribische Planung: Wie stark werden wir dieses Jahr wachsen? Und wie können wir dann diesem Wachstum einen halben Schritt voraus sein?

Diese Wachstumsziele wollen Sie aber bestimmt nicht nur mit Marketing erreichen.

Wir haben in der Tat einiges vor. Viel darf ich noch nicht erzählen, aber es sind Innovationen geplant – zum Beispiel beim Sprudler und beim Sirup.

Wie sieht es aus mit einem Cola-Sirup von Pepsi?

In den skandinavischen Ländern – einem unserer Testmärkte– haben wir tatsächlich Sirups von Pepsi in den Markt gebracht. Die Idee ist natürlich: All jene, die bisher aus einer Einwegflasche getrunken haben, können Cola und andere Limonade nun zu Hause selbst mischen. Auch das spart Plastik ein.

Und Sodastream übernimmt den Pepsico-Konzern von Innen.

(Lacht) Soweit würde ich nicht gehen – und das würde der Vorstandsvorsitzende von Pepsico ganz sicher ungern in einem meiner Interviews lesen.

Interview: Steffen Herrmann