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Alles nur ein Zerrbild? Superstar Marcel Hirscher war jedenfalls der ÖSV-Erfolgsgarant im Weltcup.© APAweb / Helmut Fohringer

Der Glasbecher könnte wirklich deppert werden

Dem ÖSV-Alpinteam droht eine Saison ohne Kristallkugel - erstmals seit 1986/87.

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Acht Jahre ist es schon wieder her, dass Marcel Hirscher nach seinem ersten großen Triumph einen seiner größten Sprüche ablieferte: "Jeder hat nur noch über den depperten Glasbecher geredet", sprach der damals 23-jährige Lammertaler nach der Erleichterung über die sensationell in Schladming eingefahrene große Kristallkugel für den Gesamtweltcupsieg. Der Rest der Geschichte ist bekannt - doch das geflügelte Wort vom "depperten Glasbecher" holt den ÖSV in der ersten Post-Hirscher-Saison ein. Und wie! Denn dass der Herren-Weltcup heuer nichts für die rot-weiß-rote Equipe werden würde, durfte vorab als fix angenommen werden, dass aber - noch dazu in einer Saison ohne Medaillenentscheidungen - für die Skination Nummer eins am Ende so gar nichts rausschauen könnte, hätte sich wohl niemand träumen lassen. Denn auch bei den Damen und in den Nationenwertungen sieht es fünf Wochen vor Saisonschluss ziemlich trist aus - ein Überblick.

In den technischen Disziplinen der Herren, zuletzt die Domäne von Hirscher, ist die Ausgangslage aussichtslos: Im Slalom rangiert Marco Schwarz als bester Österreicher auf Platz 7 mit 274 Punkten - der Rückstand auf Henrik Kristoffersen (552) ist drei Rennen vor Schluss de facto nicht aufzuholen. Und im Riesentorlauf muss man schon weit nach unten scrollen, um die ersten ÖSV-Fahrer in der Wertung zu finden: Schwarz und Roland Leitinger teilen sich mit je 70 Punkten derzeit Platz 17 in der Disziplinwertung - vier Rennen vor Schluss besetzt der Slowene Zan Kranjec (315) den Platz an der Sonne. Im Parallel-Riesentorlauf hat bereits ein Schweizer die Kugel gewonnen (Loic Meillard), in der Abfahrt mit Beat Feuz de facto auch schon. Der Weltmeister von 2017 liegt zwei Rennen vor Schluss fast uneinholbare 196Punkte voraus.

Bleiben für die ÖSV-Herren nur noch zwei Chancen: In der Kombination könnte Wengen-Sieger Matthias Mayer (100 Punkte) Alexis Pinturault (180) theoretisch noch abfangen - allerdings gibt es nur noch ein Rennen, am 28.Februar in Hinterstoder. Somit ist der letzte Hoffnungsanker der Super G. Auf der Jagd nach der ersten Super-G-Kugel für den ÖSV seit Hannes Reichelt anno 2008 sieht es nach dem Rennen am Freitag in Saalbach aber wieder schlechter aus - denn Mayer musste nach seinem Ausfall das rote Trikot des Führenden an den siegreichen Norweger Aleksander Aamodt Kilde abgeben. Drei Rennen vor der Sommerpause fehlen Mayer (nunmehr Vierter) 72 Punkte auf Kilde, Vincent Kriechmayr als Fünftem deren 74.

Kilde führt im Dreikampf

Im Gesamtweltcup braucht Mayer nun zudem ein kleines Wunder, um als Vierter (716 Punkte) mit dem Trio Kilde (982), Kristoffersen (903) und Pinturault (882) bei nur fünf ausstehenden Speed-Bewerben noch um den Glasbecher mitfighten zu können.

In der Damen-Gesamtwertung liegt Nicole Schmidhofer als Beste gerade noch in den Top Ten (382 Punkte) - der Rückstand auf Titelverteidigerin Mikaela Shiffrin (1225) ist aber gewaltig. Die US-Amerikanerin kämpft auch noch um die kleinen Kugeln in Riesentorlauf und Slalom, allerdings rangiert sie in ersterer Disziplin mit 314 Punkten deutlich hinter Federica Brignone (375) - 15. ist Katharina Liensberger (84). Im Damen-Slalom hält Liensberger die rot-weiß-roten Fahnen als Vierte mit 231 Punkten hoch - Shiffrin ist aber außer Reichweite (440). Sie fehlt nach dem Tod ihres Vaters allerdings am Wochenende in Kranjska Gora.

Kristall-Chancen gibt es für die ÖSV-Damen fast nur nicht in den nicht ganz so bedeutenden Wertungen in Kombination und Parallel-Riesentorlauf: Nach einer absolvierten Kombination hält Ramona Siebenhofer auf Rang vier mit 50 Punkten; im Parallel-Bewerb ist Newcomerin Elisa Mörzinger ebenfalls Vierte (80) - die Führende Petra Vlhova (113) wäre beim finalen Bewerb in Crans Montana also in Reichweite.

Trist ist hingegen die Situation in der Königsdisziplin Abfahrt, wo im Vorjahr am Saisonende das Treppchen noch ganz in Rot-Weiß-Rot erstrahlte: Schmidhofer hat als Siebente (176) bereits Respektabstand auf Leaderin Corinne Suter(317) - drei Rennen stehen noch aus. Unwesentlich besser sind die Chancen im Super G, wo heuer noch zwei Mal gefahren wird: Schmidhofer fehlen als Dritter 94 Punkte auf Suter.

Bleibt der Nationencup, die Lieblingsdisziplin von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel: Dieser war zuletzt bekanntlich 30 Mal in Folge eine klare Sache für Österreich - und bis auf wenige Ausnahmen konnte der ÖSV auch die Kugeln für die Teamwertungen bei Herren und Damen einsacken.

Herren-Team abgeschlagen

Bei den Herren ist das Rennen heuer aber schon gelaufen: Aktuell ist die Truppe von Andreas Puelacher nur Vierter -fast 1000 Punkte hinter der Schweiz, aber auch deutlich hinter Norwegen und Frankreich. Und auch bei den Damen, die im Vorjahr noch mit mehr als 2000 Punkten Vorsprung obsiegten, hat momentan Italien die Pole Position inne - 334 Zähler vor dem Team von Christian Mitter. Und im gesamten Nationencup geht die Schere zwischen den Eidgenossen und Österreich immer weiter auf - 30 Rennen vor Schluss beträgt der Rückstand auf die Schweiz (6929 Punkte) schon 643 Zähler. Ein praktisch nicht mehr aufholbarer Rückstand. Selbst, wenn Schröcksnadel die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, wie er am Freitag erklärte: "Ein Drittel der Rennen ist noch offen, also ein paar tausend Punkte zu holen", so der 78-Jährige, der im Saisonfinish auf eine Trendumkehr zu den Jänner- und bisherigen Februar-Rennen hofft. Außer den Hirscher-Punkten fehlten heuer vor allem jene der Damen - "auf die hätte ich mehr gezählt", so Schröcksnadel.

Im schlimmsten Fall droht dem Tiroler just zum Ende seiner Amtszeit ein totales Debakel: Denn eine Saison ohne Kristallkugel gab es für den ÖSV zuletzt 1986/87, als 12 von 13 möglichen Kugeln an die Schweiz gingen.