Werder in Not: Wenn der "Pizza-Express" nicht mehr liefert
Eigentlich sollte Claudio Pizarro den SV Werder Bremen in seinem letzten Karrierejahr mit all seiner Erfahrung in den internationalen Fußball zurückführen. Doch von diesem Ziel sind die Hanseaten mittlerweile genauso weit entfernt wie Pizarro davon, im kräftezehrenden Abstiegskampf eine Hilfe zu sein. Hat der 41-Jährige den Absprung zum richtigen Zeitpunkt verpasst?
Es gibt sie immer noch, diese Zeremonie, das leise, aber merkliche Brodeln, das aufkommt, wenn Claudio Pizarro sich unter dem Applaus der Zuschauer von der Ersatzbank zum Aufwärmen begibt. Wenn schließlich einige Minuten später die ersten "Pizarro, Pizarro"-Rufe erklingen, die nach und nach in den altbekannten "Pizarro, oohhoo"-Gesang umschwenken, bis der "Altmeister", wie er in den vergangenen Jahren immer häufiger liebevoll genannt wurde, endlich unter dem Jubel der Fans herangewunken wird, um eingewechselt zu werden.
Doch die Stimmen sind in den letzten Wochen und Monaten leiser geworden. Die Euphorie, die sich mit einer Einwechslung des einstigen "Pizza-Express" entlud, der Ruck, der durch das Team ging, die Vorfreude darauf, wie der Angreifer dem Gegner wehtun würde, ist mehr und mehr Ernüchterung gewichen. Die Knie der gegnerischen Abwehrspieler zittern schon lange nicht mehr, wenn Pizarro das Feld betritt.
Das liegt zum einen daran, dass Werder im heimischen Weserstadion historisch schwach ist (nur ein Sieg aus zehn Spielen). Andererseits sticht aber auch Pizarro, früher der Mann für die ganz besonderen Momente, nicht mehr heraus.
Noch in der letzten Spielzeit steuerte Pizarro fünf Tore und zwei Vorlagen bei, in dieser Saison steht in beiden Kategorien die Null. Nach mehreren Kurzeinsätzen in der Hinrunde durfte der ehemalige peruanische Nationalspieler in der Rückrunde zusammengenommen erst 21 Minuten ran.
Und das hat seine Gründe: Bei aller Technik ist Pizarro die Fähigkeit, sich blitzschnell vom Gegner zu lösen, verloren gegangen.
Pizarro verärgert die Werder-Verantwortlichen
Viel zu selten kann der 41-Jährige seine legendären Stärken ausspielen, weil ihm im ohnehin schon langsamen Werder-Kader der nötige Speed komplett fehlt. Damit einhergehend ist Pizarro auch im Kampf gegen den Ball keine wirkliche Option für Florian Kohfeldt.
Zudem machte sich Pizarro das Leben in den vergangenen Wochen gleich mehrfach selbst schwer. In der Winterpause ließ er sich mit einer Bierdose in der Hand im Urlaub fotografieren - in einer Phase, in der Werder gerade erst den Abstiegskampf ausgerufen hatte. Nach der 0:2-Pleite gegen Union Berlin am vergangenen Wochenende sorgte er erneut für Unmut, als er entgegen einer Absprache in die Kabine stapfte.
Werders Verantwortliche baten den 41-Jährigen zum Rapport, verzichteten aber in beiden Fällen auf Konsequenzen. Er hätte "sehr kritisch" mit Pizarro gesprochen, erklärte Frank Baumann gegenüber "Bild". "Wir haben mit ihm thematisiert, welche Wirkung er und sein Handeln nach außen haben", sagte der Sportchef und fügte an: "Dennoch ist Claudio ein sehr wichtiger Spieler in unserem Kader und es ist auch ein Grundsatz von uns, dass wir unsere Spieler im Normalfall nach außen schützen werden."
Doch welche Bedeutung besitzt Pizarro zur Zeit überhaupt noch für den akut abstiegsbedrohten Klub, wenn er einerseits sportlich kaum noch eine Rolle spielt und andererseits auch neben dem Platz nicht immer als Vorbild vorangeht?
Pizarro mit Sonderaufgabe im Abstiegskampf des SV Werder
"Ich war schon in diesen Situationen und weiß, wie schwierig das ist", erklärte der 41-Jährige gegenüber "Sport1" und beschrieb seine Hauptaufgaben: "Ich versuche zu übermitteln, dass wir die Ruhe bewahren, aber auch auf dem Platz alles geben müssen, sodass wir Punkte holen."
Und auch Kohfeldt hofft, wie er kürzlich gegenüber der "Deichstube" betonte, dass Pizarro seine Mitspieler mit seiner "Stressresistenz" anstecke. Und dazu könne auch gehören, dass der Peruaner eben mal nicht "der Typ bester Schwiegersohn" ist.
Bleibt für die Bremer nur zu hoffen, dass der "Pizza-Express" in seinen letzten Wochen als Profi des Nordklubs wenigstens in dieser Rolle "liefert". Schließlich wird die Werder-Ikone ihre Karriere nicht mit einem Abstieg beenden wollen.
Chris Rohdenburg