Rendi-Wagner funkt an Basis: Wollt ihr mich noch?
SPÖ-Chefin stellt Mitgliedern die Vertrauensfrage. Ihr Kalkül: Ruhe an der Parteispitze vor der Wien-Wahl im Herbst
Der Zeitpunkt mag etwas überraschen, ist aber strategisch klug gewählt: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner will das rote Katastrophenjahr 2019 und die Debatte über ihre Führungsqualitäten endgültig hinter sich lassen und stellt die Vertrauensfrage.
Der historische Absturz bei der Nationalratswahl auf 21,2 Prozent und die existenzbedrohende Finanzlage der Partei werden mit einer Mitgliederbefragung im März und April überdeckt. Rendi-Wagner schreibt per Mail an Genossen und Genossinnen: "Ich bitte dich, mir zu sagen, ob ich Bundesparteivorsitzende der SPÖ bleiben soll, um für unsere wichtigen Themen gemeinsam mit allen in der Partei zu kämpfen." Und weiter: "Warum stelle ich dir diese Frage? Weil für mich einzig und allein dein Vertrauen und deine Unterstützung zählen. Denn das ist es, was mich und uns alle in der politischen Auseinandersetzung stärkt."
Hier verbirgt sich das wirklich Neue an ihrem Schritt: Erstmalig in der SPÖ-Parteigeschichte werden die Menschen an der Basis befragt, was sie von der Parteivorsitzenden halten – nicht die Funktionäre im Parteivorstand.
Rendi–Wagner will sich „Rücken stärken“ lassen und stellt Vertrauensfrage
160.000 Mitglieder
Mitgliederbefragungen gab es immer wieder, zuletzt 2018 mit einer Rücklaufquote von 20 Prozent. Doch dieses Mal dürfte das Interesse deutlich größer sein, fragt doch Rendi-Wagner die rund 160.000 Mitglieder der Partei, ob sie noch immer die Richtige an der Spitze der Bewegung ist. Das mobilisiert.
Und das in einer Zeit der relativen Ruhe und Stärke: Die Absolute für Hans Peter Doskozil bei der Burgenlandwahl hat die SPÖ insgesamt stabilisiert, in den neuesten Umfragen zeigen die Zustimmungswerte für die Roten wieder leicht nach oben. Und die letzte, offen ausgetragene Personaldebatte über Rendi-Wagner ist schon wieder eine Zeit lang her.
Polit-Berater Thomas Hofer sagt deshalb: "Rendi-Wagner und die SPÖ machen das jetzt, weil sie möglichst ohne Turbulenzen in die so wichtige Wien-Wahl im Herbst ziehen wollen, damit ja nicht zum falschen Zeitpunkt eine neue Personaldebatte aufkommt. Das könnte Michael Ludwig so was von überhaupt nicht gebrauchen."
Die Mitgliederbefragung verschaffe Rendi-Wagner und Michael Ludwig also vor allem eine "Verschnaufpause". Hofer: "Es kann gut sein, dass bald nach der Wien-Wahl im Herbst die Personalfrage erneut aufkommt. Annegret Kramp-Karrenbauer hat in Deutschland vor ein paar Monaten auch Standing Ovations bekommen, und jetzt ist sie weg."
Das Risiko für Rendi-Wagner, keinen starken Zuspruch von der Basis zu erhalten, hält sich in Grenzen. Das sieht auch Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer so.
"Win-Win"-Fragen
Vor allem die Verknüpfung der Vertrauensfrage Rendi-Wagners mit klassisch sozialdemokratischen inhaltlichen Fragen – etwa nach dem Mindestlohn von steuerfreien 1.700 Euro oder der abschlagsfreien Pension nach 45 Arbeitsjahren – sei geschickt gewählt. Bachmayer: "Weil beides zugleich abgefragt wird, strahlt das positiv auch auf das Ergebnis für Rendi-Wagner zurück."
Dennoch sei die Abstimmung auch eine Art "Gratwanderung" für die SPÖ-Chefin, sagt der Polit-Kenner. Denn: "Endlich hat sich die Lage etwas beruhigt, und genau jetzt heizt man die Personaldebatte möglicherweise neu an". Obwohl alle Landesgruppen für sie laufen werden und bei solchen Mitgliederbefragungen meist ohnehin nur die Fans zurückschreiben, sei nicht ganz ausgeschlossen, dass "die Befragung für Rendi-Wagner nach hinten losgeht", so Bachmayer.
Die SPÖ sagt, die Befragung kann per Brief oder Mail beantwortet werden, abgestimmt wird zwischen 4. März und 2. April, Anonymität werde garantiert. Rendi-Wagner will sich kein Ergebnis als Ziel vorgeben. "In der Demokratie gelten Mehrheiten, je höher umso besser für mich", sagte sie am Freitag bei der Präsentation ihrer Pläne.
Bei den Reaktionen in den sozialen Netzen hielten sich Zustimmung und Spott in etwa die Waage. Fans stellten sich zu "hundert Prozent" hinter ihre SPÖ-Chefin. Andere fragten eher hämisch: "Wer sind die Gegenkandidaten?" Einig sind sich Beobachter darin: Sollte Rendi-Wagner sehr schwach abschneiden, hätte sie zumindest eine gesichtswahrende Exit-Strategie gewählt.
newsletter_signupnewsletter_inline_box