Nach dem Rücktritt von Jürgen Klinsmann hat sich Hertha-Geldgeber Lars Windhorst mit klaren Worten vom Ex-Trainer distanziert und zu seinem Investment bekannt - weil der Unternehmer andere Erfahrungen gemacht und andere Ziele hat als der flüchtende Klinsmann. Die Fußball-Kolumne von SPOX-Chefredakteur Martin Volkmar.
Als Jürgen Klinsmann zu Beginn der 1990er Jahre mit Deutschland Weltmeister wurde und bei Inter Mailand die Fans begeisterte, schraubte der damals 15-jährige Lars Windhorst in der elterlichen Garage in der ostwestfälischen Provinz Computer zusammen. Wenig später gründete er seine eigene Firma und begleitete Bundeskanzler Helmut Kohl nach Asien.
Als Klinsmann im August 2004 Bundestrainer wurde, um das DFB-Team auf die Heim-WM zwei Jahre später vorzubereiten, musste Windhorst Insolvenz für seine drei Firmen und auch Privatinsolvenz anmelden. Als Klinsmann Ende Dezember 2007 letzte Formalitäten mit seinem künftigen Klub FC Bayern verhandelte, überlebte Windhorst einen Absturz eines Kleinflugzeugs in Kasachstan, bei dem ein Pilot starb. Und als Klinsmann 2009 bei Bayern wieder entlassen wurde, musste Windhorst als Geschäftsführer der Vatas Holding GmbH erneut Insolvenz anmelden.
Lars Windhorst investierte 225 Millionen bei Hertha BSC
Allerdings rückte Windhorst noch im selben Jahr nach einer Umstrukturierung an die Spitze der Sapinda-Gruppe, die laut eigener Aussage seitdem mehr als 15 Milliarden Euro an Wert geschaffen hat. Ein Teil der Gewinne, nämlich exakt 224 Millionen Euro, investierte Windhorst mit seiner in Tennor Holding umbenannten Firma im vergangenen Sommer für 49,9 Prozent der Anteile an Hertha BSC.
Einerseits wegen Windhorsts großer Zuneigung für die Stadt Berlin, andererseits natürlich, weil "er enorme Wachstumschancen im Sport sieht", wie ein Vertrauter erklärt, und deshalb "gute Chancen auf eine deutliche Wertsteigerung seines Investments bei Hertha erkennt". Deshalb sah sich der mittlerweile 43-Jährige am Donnerstag auch genötigt, erstmals seit seinem Einstieg auf einer Pressekonferenz des Bundesligisten zu erscheinen, um die große Unruhe nach Klinsmanns Rücktritt nach nur 76 Tagen ein wenig einzudämmen.
Was dem Unternehmer mit seinem seriösen Auftritt, dem eindeutigen Bekenntnis zur Hertha (in Windhorsts Manager-Sprech "Commitment") und vor allem der klaren Distanzierung von Klinsmann unerwartet gut gelang. Somit widerlegte er auch die Mutmaßungen der vergangenen Wochen, der Ex-Bundestrainer wolle mit Hilfe des Geldgebers bei der Alten Dame komplett übernehmen.
Jürgen Klinsmann forderte zu viel Geld und zu viel Macht
Es ist zwar offensichtlich richtig, dass Klinsmann aus Sicht der Hertha-Bosse nicht nur zu viel Geld, sondern auch zu viel Macht einforderte und deshalb erst im Trainingslager in den USA mit seinem sofortigen Abschied drohte und ihn dann am Dienstagmorgen ohne jegliche Rücksprache fluchtartig vollzog.
Doch es ist falsch, dass Klinsmanns Vorgehen mit dem Investor abgesprochen gewesen wäre. Stattdessen rief er Windhorst am Dienstagmorgen in einem Meeting an, bei dem dieser nicht ans Telefon gehen konnte. Als er wenig später zurückrufen wollte, hatte Klinsmann schon mit seinem Facebook-Rücktritt unwiderrufliche Fakten geschaffen.
"Klinsmann bei Hertha Zeit seines Lebens auf der roten Liste"
"Natürlich war er über dieses Vorgehen sehr enttäuscht", sagt Windhorsts Vertrauter. "Damit hat Klinsmann niemanden einen Gefallen getan. Denn bei Hertha wird er Zeit seines Lebens auf der roten Liste stehen. Deshalb mussten wir ihn auch aus Selbstschutz aus dem Aufsichtsrat nehmen."
Den mit allen Wassern gewaschenen Windhorst, der sich persönlich gut mit Klinsmann verstand, ärgerte vor allem die Unprofessionalität, die aufgrund des Rücktritts offenbar auch den Einstieg von neuen Sponsoren verhinderte. "Die Art und Weise des Abgangs ist inakzeptabel. Eine zielführende Zusammenarbeit können wir so nicht fortführen", sagte er. "Das kann man als Jugendlicher vielleicht machen, aber im Geschäftsleben, wo man ernsthafte Vereinbarungen hat, sollte man das nicht machen."
Es war bezeichnend, dass die Aussagen über Klinsmann wirkten, als sei der zwölf Jahre jüngere Windhorst der Vater eines verzogenen Teenagers - mit dem er irgendwann vielleicht auch wieder zusammenkommen werde. Bei Hertha allerdings ist das Thema durch, so dass sich Windhorst, von dem ein Führungsmitglied des Klubs sagt, er habe "wirklich 0,0 Ahnung von Fußball", nun wieder einen neuen sportlichen Berater für den Aufsichtsrat der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA suchen muss.
"Eigentlich war Klinsmann mit seinem Auftreten und seinem internationalen Ansehen wie gemalt für die Rolle", meint der Vertraute. "Aber deshalb ist das Projekt keinesfalls gescheitert. Wir werden jemand anderes mit ähnlichem Profil und Sportverstand finden."
Windhorst: Investment bei Hertha "vielleicht auch 30 Jahre"
Das war zumindest für die Anhänger des Hauptstadtklubs die fast noch wichtigere Botschaft, die Windhorst aussandte: Auch ohne den Ex-Trainer wird er keineswegs seine Millionen wieder aus dem Verein herausziehen, zumal es sich dabei laut Windhorst um "reines Eigenkapital" handele und er "keine Renditeerwartung" habe. Eine solche Vermutung sei daher absurd: "Gehen Sie davon aus, dass das Investment unserer Holding mindestens über die nächsten zehn Jahre gehen wird, es können am Ende auch 20 oder 30 Jahre sein."
Windhorst, das war die Botschaft und das sagen auch Insider über ihn, verliert nach all den Abstürzen in seiner bisherigen Karriere nicht so schnell die Nerven, wenn es mal nicht läuft. Schon gar nicht so schnell wie Jürgen Klinsmann. Wobei das auch keine große Kunst ist.