Christoph Stubbe über Satire im Karneval

„Die Realität ist nicht mehr zu toppen“

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Pulheim - Christoph Stubbe (58) ist seit 30 Jahren Erziehungsberater der Stadt Pulheim und fast ebenso lange Sitzungspräsident der legendären alternativen Kölner Karnevalssitzung „Fatal Banal“. Mit ihm sprach Elke Petrasch-Brucher über karnevalistischen Frohsinn und schwarzen Humor in bewegten Zeiten.

Herr Stubbe, wenn Sie nach einem Auftritt als Sitzungspräsident wieder an Ihren Schreibtisch als Erziehungsberater zurückkehren, ist dann Schluss mit lustig oder können Sie Ihre beiden Tätigkeiten kombinieren?

Naja, ich bin schon ein humorvoller Mensch und versuche auch in schwierigen Beratungsgesprächen leichte und positive Aspekte zu finden. Manchmal inspirieren mich aber auch Vornamen oder Charaktere zu Sketchen für unser Programm. Zum Beispiel Chantalls Mutter. Auf der Bühne nicht die Allerhellste, will aber Aushilfslehrerin werden und fährt neuerdings mit dem E-Scooter durch Köln.

Wie humorvoll ist denn die Pulheimer Stadtverwaltung, allen voran Bürgermeister Frank Keppeler?

Ich sehe ihn ja meistens auf Sitzungen, da gibt es ja nicht so viel zu lachen. Für humorvoll halte ich ihn allerdings schon. Er ist authentisch, offen und am Weltkindertag haben die Kinder viel Spaß mit ihm.

Apropos Spaß: Welches sind denn die Themen, die Sie und ihr Team dieses Jahr auf die Bühne bringen? Es ist ja politisch viel passiert in den letzten zwölf Monaten.

Themen sind unter anderem das Scheitern und Neu-Organisieren der SPD, Donald Trump natürlich und politische Korrektheit am Beispiel des „Umweltsau-Liedes“. Wir denken ja auch gerne um die Ecke. Das Kükenschreddern ist bei uns eine Satire über Küken, die nach ihrer Mama rufen. Da bleibt einem natürlich das Lachen schon mal im Halse stecken. Humor ist eben auch, wenn man nur manchmal lacht. Und natürlich die ersten Domschweizerinnen im Kölner Dom, versehentlich auch „Dummschwätzerinnen“ genannt, die auch schon mal „Gott verhüte dich“ sagen. Oder die Grünen aus der Gründungszeit, die auf heutige hippe Grüne treffen. Es ist ja nicht nur schwarzer Humor, sondern auch Kabarett, Satire und auch Klamauk dabei. Zum Beispiel Muttersöhnchen Hartmut mit seinem Quietsche-Entchen.

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Christoph Stubbe singt als Kardinal Rainer Maria Woelki „Maria 2.0“ mit den Domschweizerinnen.Foto: Julia Vogel (2), Petrasch-Brucher

Ist es denn in der heutigen bewegten Zeit besonders schwer, humorvolle Themen zu finden?

Ja, tatsächlich ist die Realität mittlerweile so absurd, das können wir auf der Bühne gar nicht mehr toppen. Wir begegnen dem realen Irrsinn gern mit einem Augenzwinkern. Zum Beispiel lassen wir das Publikum raten, von wem brisante Zitate sind. Da ist dann ein Zitat von Björn Höcke manchmal kaum von einem Adolf Hitlers zu unterscheiden. Wir halten es mit Joachim Ringelnatz, der hat mal gesagt: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.“

Haben Sie denn humoristische Vorbilder im Kölner Karneval?

Mein Vorbild ist auf jeden Fall Karl Küpper. Der Büttenredner war gänzlich unerschrocken, hat sich in den 30er bis 40er Jahren offen gegen die Nationalsozialisten positioniert und sich über sie lustig gemacht. Das ist ja auch der ursprüngliche Sinn des Karnevals, den Mächtigen respektlos gegenüberzutreten und ihnen den Spiegel vorzuhalten.

Kurt Tucholsky sagte mal auf die Frage: Was darf Satire? Alles! Wo ist denn bei Ihnen die Grenze?

Wir würden zum Beispiel jetzt keine Witze über das Coronavirus machen. Das Thema ist uns zu aktuell. Wir wissen nicht, wie sich das noch entwickelt und wie viele Menschen daran sterben. Darüber machen wir keine Witze. Wir brauchen für unseren Humor eine gewisse Distanz zum Thema.

Wollen Sie denn das Publikum zum Nachdenken anregen oder unterhalten?

Im besten Falle beides. Der erhobene Zeigefinger ist nicht so unser Ding, eher das Augenzwinkern. Die Zuschauer sollen sich amüsieren, befreit lachen können und wenn sie dann noch etwas zum Nachdenken mit nach Hause nehmen, ist es umso besser. Wir machen ja Humor mit Niveau.


In der Essigfabrik

Karten für „Fatal Banal“ gibt es noch für die Sitzungen am Mittwoch, 19. Februar, und Dienstag, 25. Februar, unter: www.koelnticket.de

Veranstaltungsort ist die Essigfabrik in Köln-Deutz, Siegburger Straße 110.

www.fatalbanal.de


In diesem Jahr wird zum ersten Mal zum Abschluss der Session am Veilchendienstag, 25. Februar, der Nubbel verbrannt. Hat das einen Grund?

Wir sind in diesem Jahr in die Essigfabrik nach Köln-Deutz umgezogen. Und da dachten wir, wir helfen der Stadt ein wenig. Sie hat es ja ohnehin schwer genug. Die Ellmühle neben der Essigfabrik soll abgerissen werden. Und wenn wir den Nubbel verbrennen, könnten ja Funken auf die Ellmühle übergehen und die Stadt hätte eine Sorge weniger.