Real-Mitarbeiter frustriert
"Wir sind ein Unternehmen zweiter Klasse"
by Matthias Rutkowski, DüsseldorfIn der Düsseldorfer Stadthalle preist Metro-Chef Koch den Verkauf der Supermarktkette Real. Am Rand der Hauptversammlung machen Mitarbeiter ihrem Unmut Luft. Die Belegschaft quält Existenzängste: "Weil niemand weiß, was aus uns wird", sagt eine Beschäftigte.
Desiree Simon steht in einer gelben Warnweste und Trillerpfeife in der Hand vor dem Eingang der Stadthalle Düsseldorf. "Es geht um meinen Arbeitsplatz und ich will denen da drinnen zeigen, dass ich darum kämpfen werde", sagt die 40-Jährige aus Castrop-Rauxel. Die da drinnen, das sind die Aktionäre der Metro-Gruppe. Simon ist Kassiererin bei der Supermarktkette Real, die zum Großhandelskonzern Metro gehört - noch.
Das Unternehmen verkauft Real, um sich zukünftig nur noch auf das Geschäft mit Großhändlern zu konzentrieren. 277 Real-Märkte gehen für 300 Millionen an die Gesellschaften SCP Groups und X+Bricks. Doch die Käufer werden nicht alle Filialen weiterführen. Etwa 30 Real-Standorten droht das Aus, doch welche genau es treffen wird, ist unklar.
Deswegen demonstriert Desiree Simon mit etwa eintausend Real-Mitarbeitern aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vor der Düsseldorfer Stadthalle, wo dieses Jahr die Metro-Hauptversammlung stattfindet. Während innen die Aktionäre der Rede des Metro-Chefs Olaf Koch zuhören, protestieren draußen Verkäuferinnen, Auszubildende und Gewerkschafter gegen den Real-Deal.
"Ich gehe nur noch unmotiviert zur Arbeit"
"Seit eineinhalb Jahren quälen mich und meine Kolleginnen Existenzängste, weil niemand weiß, was aus uns wird", so Desiree Simon. Sie ist mit 13 Kolleginnen und Kollegen aus ihrem Markt in Castrop-Rauxel um fünf Uhr morgens mit dem Bus losgefahren, um ihrem Unmut und ihren Ängsten Luft zu machen. "Wir wissen zwar seit Mitte 2018, dass Real verkauft werden soll. Aber wir wurden fast eineinhalb Jahre hingehalten", wirft Simon der Metro-Führung vor.
Unterstützung bekommt sie von Real-Mitarbeitern aus anderen Filialen. Denise Schmidder arbeitet in Grevenbroich an der Käsetheke. Auch wenn es aus Metro-Kreisen heißt, man habe mit den Gewerkschaften eine sozialverträgliche Abfindungsregelung ausgehandelt, plagen sie Zukunftsängste. "Ich gehe nur noch unmotiviert zur Arbeit und täglich sinkt meine Zuversicht, dass doch noch alles gut wird."
Rund 250 Millionen Euro hat Real allein im vergangenen Jahr an Geld verbrannt. Für Metro-Chef Koch einer der Gründe, sich von der defizitären Tochter zu trennen. "Wir können dieses Geschäft nicht weiter tragen", sagt er vor den Aktionären. Schmidder überzeugt das nicht. "Am Ende des Tages muss auch ich meine Miete und Rechnungen bezahlen. Ohne Job geht das nicht."
Für Real ist kein Platz in der Metro-Strategie
Ein Großteil der 277 Real-Filialen soll durch die Käufer an Wettbewerber wie Rewe, Kaufland und Edeka verkauft werden. Was aus den insgesamt 34.000 Beschäftigten wird, ist unklar. Für 50 Märkte gibt es eine Garantie, dass sie mindestens zwei Jahre lang weiterbetrieben werden. Märkte mit großen Verkaufsflächen könnten aufgeteilt werden. Knapp 30 Standorte werden jedoch verschwinden.
Die Supermarktkette passt nicht mehr zur Gesamtstrategie der Metro. Großhändler, digitale Angebote für professionelle Gastronomen und Serviceleistungen stehen im Mittelpunkt von Olaf Kochs neuer Konzernausrichtung. Aktuell sucht er auch noch einen Käufer für das China-Geschäft. Durch die Verkäufe von Real und der China-Sparte erhofft sich der Konzern Nettoeinnahmen von etwa 1,5 Milliarden Euro.
An diesem nasskalten Morgen ist auch Dennis Walter unter den Demonstranten. Der 27-jährige Verkäufer der Elektroabteilung aus dem Real-Markt Castrop-Rauxel sorgt sich zwar auch um seine Zukunft, viel mehr denkt er aber an seine Kolleginnen. "Bei uns im Markt arbeiten überwiegend Frauen im Alter von 40 aufwärts. Ich bin jung und kann schnell eine neue Stelle finden. Bei denen ist es aber schwieriger". Und obwohl Metro im vergangenen Jahr seine Unternehmensziele erreicht und einen Umsatz von 29,9 Milliarden Euro eingefahren hat, wirft Walter der Unternehmensführung Missmanagement vor. "Wir fühlen uns wie ein Unternehmen zweiter Klasse, das man nur noch loswerden will."
Knapp drei Stunden demonstrieren die Real-Mitarbeiter. Desiree Simon hat die Hoffnung auf einen guten Ausgang des Real-Verkaufs für sich und ihre Kolleginnen noch nicht aufgegeben. "Ich habe in Castrop-Rauxel meine Lehre gemacht und arbeite seit 23 Jahren dort", so Simon, "es wird hoffentlich weitergehen, nur wie, dass wird sich erst in einigen Monaten zeigen".