Frischer Wind im Assemblierer-Markt
by Joël OrizetIndividuelle, benutzerfreundliche Auswahl und Support – so wollen die Jungunternehmer von Custom den Markt für assemblierte PCs aufmischen. Mit Rechnern für Gamer und Kreative brachten sie ihr Geschäft ins Rollen. Nun wagen sie sich ins B2B-Segment.
Sie sind jung, voller Elan und bereit, es mit den Grossen der Branche aufzunehmen. Obwohl die sechs Mitarbeiter von Custom wissen, dass ihr Geschäft ein hartes ist. So manche Unternehmen haben es längst aufgegeben. Denn es sah so aus, als könnte man mit dem Assemblieren von PCs kein Geld mehr verdienen. Doch davon lassen sich die Jungunternehmer nicht unterkriegen.
Es ist ein regnerischer Freitagmorgen, die frischbezogenen Büros in Nänikon wirken ruhig und aufgeräumt. Selbst in den Regalen, bestückt mit originalverpackten Prozessoren und Speicherkarten, scheint alles seinen Platz zu haben. Stefan Wittwer, Marisa Longhi und Fabian Rusch sitzen an einem runden Tisch und stellen ihren Dreipunkteplan vor. Drei Punkte, mit denen sie ihre Konkurrenten überholen wollen.
Die Last der grossen Auswahl
"Wir wollen mit Individualität überzeugen", sagt Wittwer. Das war die Idee, als die Firma 2016 startete: Der Kunde soll sich seinen PC ganz nach seinen Wünschen zusammenstellen können. Das war denn auch der erste Knackpunkt. Denn die Auswahl war anfangs viel zu gross. So mussten sich die ersten Kunden etwa zwischen 150 Lüftern entscheiden. Das war mühsam für die Kunden wie auch für die Preispolitik, wie Wittwer sagt.
Das erste Weihnachtsgeschäft bescherte dem Start-up zwar ein Dutzend Bestellungen, aber auch einen finanziellen Rückschlag. Die Selbstkosten fielen höher aus, als ursprünglich budgetiert, wie Longhi sagt. Sie ist 19, studiert Jura und: "Sie kann gut mit Zahlen umgehen", sagt Wittwer. Sie habe es geschafft, das Pricing so zu justieren, dass es marktfähig ist. Trotzdem dauerte die Durststrecke fast ein Jahr.
Das Erlebnis bestimmt die Nachfrage
Aufgeben stand aber nie zur Debatte. Stattdessen brüteten die Gründer nächtelang in Fast-Food-Läden darüber nach, was zu tun ist. Fazit: Die Auswahl muss übersichtlicher werden. Mehr noch: Sie soll zum Erlebnis werden. Das ist die zweite taktische Idee: "eine ideale Customer Journey", sagt Wittwer, der gerade sein BWL-Studium an der Uni Zürich begonnen hat. Er ist 18, getrieben von Geschäftsideen und technisch gewieft. So liegt nicht nur die Strategie, sondern auch die Entwicklung der Website in seiner Hand.
Rechtzeitig vor den Festtagen 2017 war der neue Webauftritt bereit. Ziel war es, die Auswahl spielerisch zu gestalten. So kann man bestimmen, ob der PC auf Multi-Tasking, Grafikdesign oder Games spezialisiert sein soll. Ferner kann man angeben, welche CAD-Software oder welche Art von Games auf dem Rechner laufen sollen. Und dann, so die Idee, schlägt die Website eine Zusammenstellung vor, die auf die Bedürfnisse des Nutzers zugeschnitten ist.
Herausforderung angenommen
Zurück zur Konkurrenz. Wie behauptet man sich gegen deutsche Assemblierer, die derzeit in die Schweiz drängen? Hier kommt der dritte strategische Eckpunkt ins Spiel: umfassender Support. "Das fängt an mit dem Live-Chat, den wir für den Pre-Sales-Support anbieten", sagt Wittwer. Die Mitarbeiter von Custom wollen aber mehr als nur erreichbar sein. "Wenn etwas nicht erwartungsgemäss funktioniert, reparieren wir wenn möglich vor Ort."
Der Plan geht auf, wie Wittwer sagt. "Das Geschäft schwankt zwar, je nach Saison, aber es läuft." Und was reinkommt, wird reinvestiert. Denn den Gründern schwebt Grosses vor. Auf ihrer Website wollen sie einen gesonderten Bereich für Geschäftskunden aufschalten. Unter "Custom Business" stünden Workstations zur Auswahl – für jeden Anspruch die passende Konfiguration. Die ersten Unternehmenskunden seien bereits an Bord, sagt Wittwer. "Momentan sind wir aber noch eher old school unterwegs, sprich: Das läuft über persönliche Kontakte." Doch im Frühjahr soll das Onlineportal so weit sein, dass Custom auch gegen die Grossen im PC-as-a-Service-Geschäft antreten kann.