Schwach wie seit Jahren nicht: Trader wetten auf Kurse unter 1,08 Dollar: Der Euro wird weicher und weicher
by FOCUS OnlineÜber 13 Prozent an Wert hat der Euro gegenüber dem Dollar seit Mitte 2018 an Wert verloren. Auf dem Devisenmarkt sind das Welten. Der Kurs notiert so tief wie seit drei Jahren nicht mehr - und mehr und mehr Investoren wetten auf eine weitere Talfahrt der Gemeinschaftswährung.
„Erdrutschgefahr beim Euro“ – die Devisen-Experten der Commerzbank wählten in ihrem Marktkommentar deutliche Worte, als sie die Entwicklung des Euros beschrieben. Allein seit Dezember hat die Gemeinschaftswährung 3,5 Prozent gegenüber dem Dollar an Wert verloren. Seit Mitte 2018 sind es sogar über 13 Prozent. Mit einem Wert von knapp 1,09 Dollar tendiert der Euro so tief wie seit Mitte 2017 nicht mehr. „Ich sehe momentan nichts, was dem Euro helfen könnte“, konstatiert Commerzbank-Devisenexperte Ulrich Leuchtmann
Ein schwacher Euro ist zwar gut für die Wirtschaft, weil Waren außerhalb der Eurozone dadurch günstiger werden. Allerdings verteuern sich auf der anderen Seite auch die Waren, die aus dem Ausland in die Eurozone kommen. Öl zum Beispiel wird in Dollar gehandelt. Je schwächer der Euro, desto mehr müssen die Verbraucher zahlen. Das mag zwar EZB-Chefin Christine Lagarde freuen, viele Verbraucher und Sparer haben daran allerdings keinerlei Interesse. Umso wichtiger ist es, sich über die Gründe für den Abwärtstrend des Euro Gedanken zu machen.
Euro / US Dollar (EUR/USD)
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Außerbörslich
Corona-Pandemie führt zu Flucht in den sicheren Hafen Dollar
Belastet wird der Euro vor allem von der Corona-Pandemie in China. Investoren befürchten, dass die Pandemie die chinesische Wirtschaft und damit die Weltwirtschaft weiterhin schwer belasten dürfte.
Bei hoher konjunktureller Unsicherheit flüchten Investoren aber in den sicheren Hafen Dollar, weshalb er gegenüber dem Euro zulegt. Im Gegenzug ist der Euro mit knapp unter 1,09 Dollar je Euro in die Nähe des niedrigsten Niveaus seit Mai 2017 gesunken.
Die chinesische Regierung steckt in der Klemme: Je länger die Fabriken geschlossen sind, umso mehr wird die Wirtschaftsleistung gedrückt. Wenn die Fabriken allerdings zu früh wieder den Betrieb aufnehmen, während der Virus noch nicht unter Kontrolle ist, erhöht das die Zahl der Infizierten stark, was sehr schnell die Wirtschaftsleistung drückt.
Wegen dieser Ängste sind die Zinsen für zehnjährige chinesische Anleihen auf nur mehr 2,85 Prozent eingebrochen. Damit liegen sie um nur noch rund 20 Basispunkte über dem Rekordtief vom 15. August 2016 (2,64 Prozent).
Der Anleihenmarkt schätzt die langfristigen Perspektiven der chinesischen Wirtschaft damit als sehr trüb ein, zumal die Zinsen weit unter der Inflationsrate von herben 5,4 Prozent liegen. Je länger die Sorgen der Investoren um die chinesische Wirtschaft anhalten, umso länger sollte der Euro gegenüber dem Dollar auf Talfahrt bleiben.
US-Wirtschaft zeigt deutliche Bremsspuren
Eine schwache Konjunktur in China belastet auch die US-Wirtschaft erheblich, würden doch exportabhängige US-Unternehmen weniger nach China exportieren. Die Corona-Pandemie kommt daher zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt für die US-Wirtschaft hat sie doch zuletzt deutliche Bremsspuren gezeigt.
Zwar waren im Januar mit 225.000 Jobs deutlich mehr geschaffen worden, also Volkswirte vorhergesagt hatten (165.000 Jobs). Dennoch waren die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach der Zahlenvorlage eingebrochen.
Wieso? Das Arbeitsministerium hatte gleichzeitig die Daten für das Jahr 2019 nach unten korrigiert. Demnach gab es Ende Dezember nur 152,4 Mio. Jobs in den USA, das waren 422.000 weniger als ursprünglich gemeldet. Weniger Arbeitsplätze bedeuten aber weniger Kaufkraft, und damit weniger Nachfrage, was die US-Wirtschaft belastet.
Daher liegen die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen mit knapp unter 1,6 Prozent um lediglich rund 20 Basispunkte über dem Rekordtief vom Juli 2016. Der Anleihenmarkt schätzt damit die langfristigen Perspektiven der hochverschuldeten US-Wirtschaft als so schlecht ein, wie selten zuvor. Dennoch sorgt diese Angst einmal mehr für eine Flucht in den Dollar, was den Euro belastet.
Entgegen der Beteuerung vieler Experten, dass die US-Wirtschaft weiterhin gut laufen werde, könnte eine anhaltende Talfahrt bei den US-Zinsen dafür sorgen, dass die Rezessionsängste der Investoren zurückkehren, was allerdings einmal mehr den Dollar stützen würde. Umso genauer werden sich Investoren am Freitag, 14. Februar die Daten zu US-Einzelhandelsumsätzen und -Industrieproduktion anschauen.
Rutscht Euro-Zone in eine Rezession ab?
Für zusätzlichen Abwärtsdruck auf den Euro sorgen die anhaltend schlechten Konjunkturdaten aus der Euro-Zone, gerade aus Deutschland. (Das können Sie in dem Beitrag „Ein Krisensignal für die Weltwirtschaft ertönt so laut wie seit Jahren nicht mehr“ nachlesen.)
Das Problem ist, dass auch die Zahlen aus anderen Euro-Ländern wie Frankreich und Italien weiterhin reihenweise enttäuschen, was den Euro belastet. So war die Industrieproduktion Frankreichs im Dezember um 2,8 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken, Volkswirte hatten nur einen Rückgang um 0,3 Prozent vorhergesagt. Das war wohlgemerkt noch vor dem Bekanntwerden der Corona-Pandemie.
Zudem war die Industrieproduktion in Italien im gleichen Monat um 2,7 Prozent gegenüber dem Vormonat geschrumpft, statt der erwarteten minus 0,1 Prozent. Derartige Zahlen und die Folgen der Pandemie lassen Investoren befürchten, dass die Euro-Zone bald in eine Rezession abrutschen könnte, zumal die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal um lediglich 0,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen war.
Anhaltend schwache Daten aus der Euro-Zone dürften daher den Abwärtsdruck auf den Euro verstärken, zumal das Risiko steigt, dass die EZB reagiert und die Strafzinsen noch weiter in den Keller drückt, was den Euro zusätzlich belasten würde. „Der Bank of Japan und der Schweizerischen Nationalbank nimmt kaum noch jemand ab, dass sie – würde Corona, die Landung grüner Marsmännchen oder sonst was eine globale Rezession auslösen – ihre Geldpolitiken nennenswert expansiver gestalten könnten. Da mögen die jeweiligen Verantwortlichen noch so oft ihren angeblichen Handlungsspielraum betonen“, erklärt Leuchtmann. „Mit der EZB ist's was anderes. Zu oft haben Europas Währungshüter mit immer neuen Tricks (und ohne Rücksicht auf das, was nach früherer Interpretation ihnen vertraglich zugebilligt wurde) ihre Geldpolitik expansiver gestaltet. Würde eine Rezession drohen, würde die EZB – da sind sich viele sicher – neue Bazookas aus dem Waffendepot holen.“
Trader wetten auf Fall unter 1,08 US-Dollar
Von der Anlegerseite her gibt es ebenso Anzeichen für einen schwächeren Euro. So vermeldete die Finanznachrichtenagentur Bloomberg am Donnerstag, dass Investoren verstärkt auf einen fallenden Euro wetten. So gebe es eine verstärkte Nachfrage nach Optionen, die sich bei einem Rutsch unterhalb von 1,08 Dollar je Euro rentieren würden.
Diese Put-Optionen - die Anlegern ein Verkaufsrecht verbriefen - hätten in diesem Monat ein Viertel des Handelsvolumens aller Put-Optionen auf den Euro ausgemacht, schrieb Bloomberg unter Berufung auf Daten der Depository Trust & Clearing Corporation. Fünf Prozent des Volumens entfielen unterdessen auf Put-Optionen, die auf einen Rutsch auf nur noch 1,05 Dollar je Euro abzielen.
Laut Bloomberg wäre aus technischer Sicht ein Rutsch unterhalb des Bereichs zwischen 1,0728 bis 1,0821 Dollar ein Katalysator für neuen Verkaufsdruck. Allerdings könne sich der Euro auch über seinen gleitenden 21-Tage-Schnitt von derzeit 1,107 Dollar erholen, was für eine Bodenbildung spräche, so Bloomberg. Zur Stunde notiert der Euro bei 1,0852 US-Dollar.
Die Signale sprechen demnach überwiegend für eine weitere Talfahrt des Euro. Solange die Corona-Pandemie die chinesische Wirtschaft schwer belastet, während die Ängste der Investoren vor einer möglichen Rezession in den USA und der Euro-Zone zunehmen, sollte die Gemeinschaftswährung gegenüber dem sicheren Hafen Dollar auf Talfahrt bleiben. Damit könnten die Fünf-Jahres-Tiefs von knapp unter 1,05 Dollar zügig näher rücken.
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