Mindestlohn soll offenbar unter zehn Euro bleiben - DER SPIEGEL - Wirtschaft

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Geringverdiener, denen lediglich der gesetzlich festgelegte Mindestlohn gezahlt wird, könnten auch im kommenden Jahr bei einem Stundenlohn unter zehn Euro bleiben. Entsprechende Berechnungsgrundlagen lägen der Mindestlohnkommission vor, die alle zwei Jahre die Anpassung der Lohnuntergrenze vorschlage, berichten die Nachrichtenagentur dpa und die Zeitschrift "Wirtschaftswoche" übereinstimmend. Demnach könnte der Mindestlohn 2021 von 9,35 Euro auf 9,82 Euro steigen.

Eine maßgebliche Grundlage für die Entscheidung über die künftige Mindestlohnhöhe sind Angaben des Statistischen Bundesamts über die Tariferhöhungen in den vergangenen beiden Jahren. Dieser Tariflohnindex zeigt eine Steigerung von 5,7 Prozent. Die Basis der Neuberechnung wurde den berichten zufolge bei 9,29 Euro angesetzt, da bei der jüngsten Anhebung ein späterer Abschluss für den öffentlichen Dienst schon eingerechnet war, der nun wieder herausgerechnet werde.

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell mahnte, eine reine Orientierung an dem Index und eine entsprechende Erhöhung reichten nicht. "Wir wollen einen armutsfesten Mindestlohn, der bei 60 Prozent des Medianeinkommens der Vollzeitbeschäftigten liegt", sagte Körzell, selbst Mitglied der Kommission. Die im Mindestlohngesetz festgelegte Gesamtabwägung des Mindestlohns spreche für eine höhere Anhebung.

Die Gewerkschaften wollen, dass der im Gesetz vorgesehene Mindestschutz der Arbeitnehmer einen höheren Stellenwert bekommt. Für eine stärkere Anhebung der Lohnuntergrenze gebe es in der Kommission keine Mehrheit, sagte Körzell mit Blick auf die in dem Gremium ebenfalls vertretenen Arbeitgeber. Dafür sei laut Geschäftsordnung des Gremiums eine Zweidrittelmehrheit nötig. Bereits die Gewerkschaft Ver.di hatte deshalb eine Änderung der Geschäftsordnung verlangt.

Im Einklang mit der SPD verlangte Körzell einen Mindestlohn von zwölf Euro. Dafür solle die in diesem Jahr anstehende Evaluierung des Mindestlohngesetzes genutzt werden. In einigen Nachbarländern wie Frankreich oder Belgien liegt der Mindestlohn aktuell höher, als in Deutschland

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte im "Tagesspiegel" gesagt, Wissenschaftler seien mit der Evaluierung beauftragt, und im Sommer werde ausgewertet, ob der Mechanismus geändert werden müsse und in welchem Zeitraum zwölf Euro realistisch seien.

Die "Wirtschaftswoche" berichtete, dass auch die SPD für eine Änderung der Geschäftsordnung sei. Ziel sei, dass das Gremium bei seinen Mindestlohnempfehlungen bereits mit einfacher Mehrheit vom Lohnindex abweichen darf. Dann könnten die Arbeitgebervertreter in der Kommission überstimmt werden.

Die Kommission will bis zum 30. Juni einen neuen Vorschlag für die Erhöhung zum 1. Januar 2021 unterbreiten. Zum 1. Januar war die Lohnuntergrenze von 9,19 Euro auf 9,35 Euro pro Stunde gestiegen - gemäß dem Vorschlag der Mindestlohnkommission. Der Mindestlohn war 2015 mit 8,50 Euro eingeführt worden.

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beb/dpa