Wladimir Jewtuschenkow: Dieser Oligarch will die Real-Märkte kaufen - DER SPIEGEL - Wirtschaft
by Mirjam HeckingDas Misstrauen, das einem Oligarchen wie ihm in Deutschland entgegenschlägt, ist Wladimir Jewtuschenkow gewohnt: 2006 scheiterte sein Versuch, bei der Telekom einzusteigen, am Widerstand der deutschen Politik. Wenig später fiel dann der Blick des Milliardärs auf den Chiphersteller Infineon. Auch aus diesem Deal wurde nichts. Nun aber ist der Kauf der Handelskette Real vom Mutterkonzern Metro auf der Zielgeraden. Damit hätte Jewtuschenkow endlich den Eintritt auf den deutschen Markt geschafft.
Nach langem Verhandeln und Gezerre - zunächst noch mit einem anderen Bieter - hatte sich Metro mit dem Konsortium um den Investor SCP Group und deren Partner X-Bricks auf den Verkauf der kriselnden Supermarktkette mit rund 34.000 Beschäftigten und 276 Märkten verständigt. 30 davon, schätzt nun Metro, werden wahrscheinlich geschlossen werden. Laut Real-Führung sind die Verhandlungen inzwischen beendet, allerdings müssen noch die Aufsichtsräte der beteiligten Firmen zustimmen.
Dass weder X-Bricks noch die dahinterstehende SCP vom Namen her russisch anmuten, ist kein Zufall. Auch bei seinen anderen Unternehmungen in Europa agierte der russische Oligarch zuletzt unter westlichen Namen. So etwa bei der in Luxemburg registrierten weltweit aktiven Investmentgesellschaft Redline Capital, bei der Jewtuschenkows Tochter Tatjana im Investmentkomitee sitzt.
Man nennt ihn "den stillen Oligarchen"
Und auch beim Real-Käufer SCP mit Sitz in Luxemburg, an dessen Spitze als Verwaltungsratspräsident das zweite Kind des Oligarchen, Felix Jewtuschenkow, sitzt. Dessen Mutter, Jewtuschenkows Ehefrau Natalia, sitzt wiederum im Aufsichtsrat der ebenfalls in Luxemburg registrierten East West United Bank, die wie SCP (kurz für Sistema Capital Partners) ebenfalls zum börsenregistrierten russischen Sistema-Konglomerat gehört. Zusammen mit seinem Sohn Felix hält Jewtuschenkow daran mehr als 64 Prozent. Sohn Felix ist mit Anfang 40 mittlerweile Aufsichtsratsmitglied von Sistema und mit etwas mehr als 5 Prozent einer der größten Anteilseigner.
Wladimir Jewtuschenkow, dessen Vermögen die US-Zeitschrift Forbes aktuell auf 2,4 Milliarden Dollar taxiert, hat sich in seiner Karriere immer anpassen müssen. So musste er vor einigen Jahren auf politischen Druck hin seine Beteiligung am russischen Mineralölunternehmen Bashneft abtreten, nachdem er wegen des Verdachts der Geldwäsche unter Hausarrest gestellt worden war. In internationalen Medien war daraufhin von einem zweiten Fall "Yukos" die Rede.
Anders als dessen Chef Michail Chodorkowski war Jewtuschenkow allerdings wieder schnell auf freiem Fuß, nachdem er in dem Konflikt einlenkte. "Der Staat sitzt immer am längeren Hebel", sagte er vor ein paar Jahren dem SPIEGEL in einem Interview. Mit seiner unauffälligen Art ist Jewtuschenkow, der in Moskau den Ruf eines "stillen Oligarchen" hat, allerdings sehr erfolgreich.
Nach einem Studium der Chemie und einer Tätigkeit als Manager einer staatlichen Kunststofffabrik zog er Ende der Achtzigerjahre in die Moskauer Stadtregierung ein und übernahm dort kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Leitung des Ressorts Wissenschaft und Technik. Unter dessen Ägide fiel die Umwandlung der Moskauer Staatsbetriebe in marktwirtschaftlich arbeitende Dienstleistungsfirmen.
Ein Arbeitstier
Jewtuschenkow wusste die Chance zu nutzen und gründete 1993 sein Unternehmen Sistema - mit dem er in den Neunzigerjahren mittels der Übernahme von Telefonbetreibern den größten Telekommunikationskonzern in Russland aufbaute.
Später kamen Handelsunternehmen, eine Agrarholding, die zu den größten Landbesitzern Russlands zählt, ein privater Klinikkonzern, Medien, eine Immobilienholding, Energieunternehmen, eine Hotelgruppe, Finanzdienstleitungen und Technologieunternehmen hinzu.
Das Gros seines Milliardenumsatzes erwirtschaftet Sistema noch immer in Russland. Der Mischkonzern hat seine Geschäftsaktivitäten in den vergangenen Jahrzehnten aber auch ins Ausland ausgeweitet - unter anderem nach Asien und Europa. Dort investiert Sistema neben dem klassischen Immobilien- und Telekommunikationsgeschäft mittlerweile auch umfangreich in internationale Start-ups.
Der Schaffensdrang Jewtuschenkows, der sich selbst als geborenes Arbeitstier beschreibt, scheint auch mit 71 Jahren noch immer nicht abgenommen zu haben. Bei Sistema hat er noch immer den Verwaltungsratsvorsitz inne und sitzt dem Strategie-Komitee vor. Und jettet durch die Welt, um etwa an internationalen Wirtschaftstreffen teilzunehmen.
Hohe Ansprüche stellt er aber nicht nur an sich, sondern auch an seine beiden Kinder. Sie mussten sich im Unternehmen hochdienen. Vererbtes Vermögen sei noch niemandem gut bekommen, erklärte der Oligarch vor Jahren.
Dass sich sein Sohn Felix als SCP-Oberhaupt bei der Real-Übernahme gegen den Konkurrenten Redos durchgesetzt hat, dürfte ganz nach dem Geschmack des Vaters gewesen sein. Und dass er dafür noch 200 Millionen Euro weniger gezahlt hat als Metro ursprünglich hatte erzielen wollen, wahrscheinlich noch mehr.
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