https://bilder.bild.de/fotos-skaliert/bundespraesident-frank-walter-steinmeier-eroeffnet-mit-seiner-rede-die-56-muenchner-sicherheitskonfere-201361003-68806148/6,w=1280,c=0.bild.jpg
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet mit seiner Rede die 56. Münchner SicherheitskonferenzFoto: Sven Hoppe / dpa
Steinmeier-Rede in München

„Der Rückzug ins Nationale führt in Sackgasse“

Bundespräsident bekennt sich zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato +++ Kritik an China, Russland und den USA

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den USA, China und Russland vorgeworfen, durch egoistisches Vorgehen die internationale Ordnung zu gefährden.

Das Staatsoberhaupt kritisierte in seiner Analyse der Weltlage die drei Staaten scharf. „Wir werden heute Zeugen einer zunehmend destruktiven Dynamik der Weltpolitik. Vom Ziel internationaler Zusammenarbeit zur Schaffung einer friedlicheren Welt entfernen wir uns von Jahr zu Jahr weiter.“

Russland habe nicht nur ohne Rücksicht auf das Völkerrecht die Krim annektiert, es habe auch militärische Gewalt und die gewaltsame Verschiebung von Grenzen auf dem europäischen Kontinent wieder zum Mittel der Politik gemacht.

China akzeptiere das Völkerrecht nur selektiv, und das Vorgehen im Südchinesischen Meer verstöre ebenso wie das Vorgehen gegen Minderheiten im eigenen Land.

► „Und unser engster Verbündeter, die Vereinigten Staaten von Amerika, erteilen unter der jetzigen Regierung selbst der Idee einer internationalen Gemeinschaft eine Absage“, sagte Steinmeier. „Als ob an alle gedacht sei, wenn jeder an sich denkt.“

Steinmeier sagte weiter: „In diesem Zeitalter führt uns der Rückzug ins Nationale in eine Sackgasse, in eine finstere Zeit.“ Es sei „brandgefährlich“, wenn weltweit gewachsenes Vertrauen durch den „Rückfall in das Denken von vorgestern“ aufs Spiel gesetzt werde.

Selbstkritik an Rolle Deutschlands

In Zeiten eines weltweit wachsenden Nationalismus muss Deutschland nach den Worten von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier viel mehr als zuletzt Europa ins Zentrum seiner Außenpolitik stellen.

„Es ist unser stärkstes, unser elementarstes nationales Interesse. Für heute und für morgen gilt: Europa ist der unabdingbare Rahmen für unsere Selbstbehauptung in der Welt“, sagte Steinmeier am Freitag in seiner Rede zur Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz.

Deutschland habe zuletzt zu einem Auseinanderdriften der EU beigetragen und solle sich wieder zu seiner größten Verantwortung bekennen, „die unserem Land zukommt: das geeinte Europa zusammenzuhalten“.

Deutschland sei auf Europa angewiesen, es dürfe auf keinen Fall scheitern. Scheitere das europäische Projekt, dann stünden auch die Lehren der deutschen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg infrage.

75 Jahre nach der Gründung der Vereinten Nationen und der „Katastrophe des übersteigerten Nationalismus“ bestimme „die Idee der Konkurrenz der großen Mächte“ nicht nur die Strategiepapiere dieser Tage. „Sie prägt auch von Neuem die Wirklichkeit rund um die Welt, und Spuren lassen sich verfolgen bis in die endlosen, opferreichen Kriege im Mittleren Osten und in Libyen“, betonte Steinmeier.

Deutschland müsse seine Mitverantwortung für den sinkenden Zusammenhalt in der EU anerkennen und sein Verhalten ändern. „Europa ist nicht enger zusammengerückt. Und die Verantwortung dafür tragen nicht nur alle anderen“, sagte das deutsche Staatsoberhaupt.

„Deutschland glaubt oft, hilfsbereit und solidarisch zu handeln, während andere uns vorwerfen, enge nationale Interessen zu verfolgen. Das gilt für den Umgang mit äußeren Bedrohungen ebenso wie für Fragen der Solidarität und der Konsensbildung innerhalb unserer Union.“

https://bilder.bild.de/fotos-skaliert/zu-dem-der-wichtigsten-expertentreffen-zur-sicherheitspolitik-werden-etwa-35-staats--und-regierungsc-201361023-68808208/1,w=1280,c=0.bild.jpg
Zu dem der wichtigsten Expertentreffen zur Sicherheitspolitik werden etwa 35 Staats- und Regierungschefs sowie fast 100 Außen- und Verteidigungsminister erwartetFoto: Sven Hoppe / dpa

Militär „für unsere Sicherheit unverzichtbar“

Er sprach sich für höhere deutsche Verteidigungsausgaben und eine Stärkung des europäischen Pfeilers in der Nato aus. Er bekannte sich zum Ziel der Nato, dass jeder Mitgliedstaat zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Streitkräfte ausgeben soll.

Gleichzeitig warnte er allerdings davor, in der Außenpolitik einen zu starken Akzent auf das Militärische zu legen. „Das militärische Instrument ist für unsere Sicherheit unverzichtbar, aber weder das erste noch das erfolgversprechendste, wenn es um diplomatische und politische Handlungsbereitschaft geht.“

Steinmeier betonte in seiner Rede auch die Bedeutung der Nato für Europa und reagierte damit auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der das Bündnis für „hirntot“ erklärt und für mehr europäische Eigenständigkeit plädiert hatte.

„Wenn wir dieses Europa auch in Fragen der Sicherheit zusammenhalten wollen, dann reicht es nicht, allein die Europäische Union sicherheitspolitisch und militärisch stark zu machen, wir müssen auch in die transatlantische Bindung weiter investieren.“