25 Jahre Letten-Schliessung

Zum Rausch in die Stube statt auf die Gasse

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Sie kommen vor allem wegen des Rausches hierher, die Patientinnen und Patienten des Ambulatoriums an der Badenerstrasse. Aber nicht nur. Der Ort ist auch ein sozialer Treffpunkt für die Drogenkranken. Viele kennen sich noch vom Platzspitz. Oder kannten sich. Gleich beim Eingang liegt ein Kondolenzbuch. Ein Patient ist verstorben, sein Jahrgang: 1962.

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SRF/Mirjam Fuchs

Der Tod ist hier ein Thema, aber auch das Leben mit seinen Höhen und Tiefen. Das Personal begrüsst jeden freundlich, erkundigt sich nach dem Neusten, man ist per Du. Viele der Patientinnen und Patienten kommen täglich mehrmals vorbei, um Tabletten zu holen, oder um sich medizinisch behandeln zu lassen. Das Ambulatorium, betrieben von der Stadt Zürich, versorgt auch Wunden oder hilft bei psychischen Krisen.

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SRF/Mirjam Fuchs

Das Ambulatorium ist ein Ort mit strengen Hygienevorschriften. Und auch auf die Sicherheit wird geachtet: Nach der Identifikation per Fingerabdruck heisst es Warten, bis die Nummer aufgerufen wird. Dann dürfen die Patientinnen und Patienten in eine telefonkabinengrosse Kammer. Dort erhalten sie Medikamente oder Betäubungsmittel, die sie mit Sirup oder Wasser hinunterspülen.

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SRF/Mirjam Fuchs
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Etwa 60 Prozent der Patientinnen und Patienten sind immer noch abhängig von Heroin. Hier erhalten sie sogenannt medizinisches Heroin: Diaphin. Die meisten nehmen es in Tablettenform zu sich. Nur noch ein Drittel spritzt sich das Diaphin in die Venen. Die acht Plätze im «Fixerstübli», das offiziell Injektionsraum heisst, bleiben darum häufig unbenutzt.

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SRF/Mirjam Fuchs

Die Frau, die hier jeden kennt, ist Nathalie Devaud, die Oberärztin. Seit zwanzig Jahren arbeitet sie für die städtischen Ambulatorien. Nach ihrem Medizinstudium in Lausanne ist sie zufällig in dieser Einrichtung gelandet: «Als ich nach Zürich kam, war ich schwanger. Trotz Mutterschaftsurlaub boten sie mir eine Stelle in den «Fixerstübli» an. So kam ich hierher.»

Was sie zwanzig Jahre gehalten hat, ist die Abwechslung in ihrer Arbeit: «Neben der Medizin spielt auch das Soziale eine grosse Rolle. Es sind schwierige Patienten, die zu mir kommen. Aber jeder einzelne ist mir mit der Zeit ans Herz gewachsen.»

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SRF/Mirjam Fuchs

In diesen zwanzig Jahren habe sich viel verändert, blickt Nathalie Devaud zurück. Aus medizinischer Sicht sei man heute viel weiter. Jeder Patient habe einen Hausarzt, was früher nicht der Fall gewesen sei.

Vor allem aber habe sich auch die Klientel verändert. Es gebe heute zwei Gruppen, so Devaud: «Auf der einen Seite die Überlebenden. Diejenigen, welche den Platzspitz und den Letten überlebt haben. Und daneben die Jungen, welche eher über Partydrogen zu uns kommen.»

Das bestätigen auch die Zahlen. Der Altersdurchschnitt der Patientinnen und Patienten steigt kontinuierlich. Dennoch ist Nathalie Devaud überzeugt, dass es die städtischen Drogenabgabestellen auch heute noch brauche: «Wenn wir schliessen und kein Diaphin mehr abgeben würden, gäbe es wieder kleine offene Szenen in der Stadt Zürich.»

(Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 12:03 Uhr)