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Schnee ist ein komplexes Gebilde. Genaue Untersuchungen helfen, die Lawinengefahr einzuschätzen. (c) Getty Images/iStockphoto (stockstudioX)

Wie fest ist die Schneeschicht?

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Vereine und Skischulen sensibilisieren Tourengeher für die Gefahren des Schnees. Aber auch auf akademischer Ebene werden Lawinen studiert.

Jeder alpine Winter wird begleitet von Lawinenabgängen. Und oft kommen dabei Menschen zu Tode – was sich mit dem richtigen Wissen vielleicht nicht gänzlich vermeiden, aber zumindest minimieren ließe. Möglichkeiten, sich dieses Wissen anzueignen, gibt es einige. Michael Larcher, Leiter der Bergsportabteilung im Österreichischen Alpenverein, veranstaltet seit rund drei Jahren österreichweit eine Vortragsreihe unter dem Titel „Lawinen-Update“. „Im Prinzip versuchen wir damit, sozusagen eine Prä-Prävention zu vermitteln. Die abendfüllenden, kostenlosen Vorträge bestehen aus zwei Teilen: Was soll man tun, um gar nicht mit einer Lawine konfrontiert zu werden, und im zweiten Teil wird erklärt, was man tun kann, wenn es passiert ist“, erläutert Larcher.

In erster Linie gehört zur Vermeidungsstrategie die richtige Einschätzung des eigenen Könnens, das Wissen darum, was eine Lawine auslösen kann und die Ausrüstungskompetenz. „Touren müssen in jedem Fall den jeweiligen Verhältnissen angepasst werden, das heißt, es ist unerlässlich, vor jeder Skitour, die in wenig befahrene Gebiete führt und Steilhänge beinhaltet, den Lawinenwarndienst zu kontaktieren. Das geht heute mit einer App oder einem Blick auf die Internetseite. Selbstverständlich muss auch die Ausrüstung überprüft werden, wobei ich aber immer darauf hinweise, dass ein Airbag allein nicht lebensrettend ist, dass man sich nicht blind auf seine Ausrüstung verlassen darf“, erklärt der erfahrene Alpinist.

Aufgebaut sind die Vorträge auf Unfällen, anhand derer erklärt wird, wie man sie vermeidet. Das Interesse ist groß: „Wir veranstalten diese Vortragsreihe im Dezember und Jänner, rund 9000 Besucher konnten wir auf den 26 Vorträgen verzeichnen. Wobei das Interesse bei jungen Leuten und Frauen am größten zu sein scheint. Es gehen immer mehr Leute Skitouren, das liegt eindeutig im Trend, und es ist uns gelungen, ein Risikobewusstsein zu erzeugen und die Menschen für die Gefahren zu sensibilisieren“, sagt Larcher. „Lawinen sind sozusagen die Stars unter den alpinen Gefahren und oszillieren zwischen Faszination und Schrecken.“

Aber auch viele Skischulen bietet meist zwei- oder dreitägige Kurse an, die einen praktischen Teil beinhalten, sodass man an Ort und Stelle unter Anleitung erfahrener Bergretter Gefahrenmuster erkennen und verstehen lernt. Wie man etwa eine Aufstiegsspur anlegt, erschließt sich ebenfalls erst richtig in der Natur. Genauso wie man Geländefallen erkennt.

Grundlagen an Unis erforscht

Das grundsätzliche Wissen um Lawinengefahren, Entstehung von Lawinen und wie sie sich verhalten können, wird in Österreich auch auf akademischer Ebene gelehrt. Die Boku in Wien etwa bietet im Rahmen des Instituts für Alpine Naturgefahren den Fachbereich Lawine an. Untersucht wird dabei beispielsweise die Festigkeit von geschichteten Schneeproben oder das Fließverhalten von Schnee. Feldstudien und numerische Modelle ergänzen die im Labor gewonnenen Erkenntnisse. Die Ergebnisse dieser Studien dienen unter anderem der Verbesserung der Lawinenvorhersage. Ebenso werden numerische Modelle zum Optimieren von Prozessen bei der Lawinenrettung entwickelt.

Auch auf der Uni Innsbruck widmet man sich diesem Thema im Rahmen des Masterstudiums Umweltingenieurwissenschaften. Wolfgang Fellin vom Institut für Infrastruktur leitet die Lehrveranstaltung „Eis-, Schnee- und Lawinenmechanik“ seit nunmehr 15 Jahren. „Eingeführt wurde diese Vorlesung schon vor über 20 Jahren unter dem Namen ,Schnee- und Eismechanik, Lawinenkunde‘, wobei Lawinenkunde ein eher veralteter Begriff ist, damals ging es hauptsächlich um die Phänomenologie, heute interessiert uns eher die Lawinendynamik“, erläutert Fellin. In erster Linie geht es darum, die Grundlagen zu erarbeiten, um die Physik von Schnee und Eis zu erforschen, um Modelle zu erstellen, wie sich Schnee unter unterschiedlichen Bedingungen verhält. „Schnee ist – im Gegensatz zu Eis – ein kompliziertes Gebilde, da die kleinen versinterten Brücken zwischen den Schneekristallen die Festigkeit bestimmen – und diese verändert sich je nach Temperatur oder Bodenbeschaffenheit. Das heißt, es geht um die Frage, wie stabil die jeweiligen Schneeschichten sind. Essenziell ist auch das Formänderungs- und Festigkeitsverhalten unter Druck-, Zug- und Scherbeanspruchung.

Komplexe Modelle

Es sind sehr komplizierte Modelle“, erklärt der Universitätsprofessor den Ansatz der Lehre. Daraus ergeben sich die weiteren Lehrinhalte: Lawinenklassifikation, Lawinengeschwindigkeiten und -kräfte, Lawinengefahrenzonen, die man versucht, in dynamischen Modellen darzustellen.

Zugute kommen all diese Forschungen nicht nur einer wissenschaftlich fundierten Gefahrenabschätzung und Prognoseerstellung, sondern nicht zuletzt den Lawinenwarndiensten, die diese Informationen an Tourengeher und die – immer noch viel zu oft notwendige – Bergrettung weitergeben – und damit oft Leben retten.