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Die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk wurde 2019 mit dem Nobelpreis fü Literatur ausgezeichnet.

Olga Tokarczuk liest bei den Usedomer Literaturtagen

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Die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk hat im vergangenen Herbst den Literatur-Nobelpreis bekommen. Ihr aktuelles Werk "Jacobsbücher" wird als Opus Magnum bezeichnet. Acht Jahre hat sie daran gearbeitet. Erholen konnte sie sich danach nicht, denn dann begannen die Ehrungen und die Aufregung in Stockholm. Extreme Emotionen können anstrengend sein. Einen Monat hat Olga Tokarczuk jetzt auf der Insel Usedom verbracht. Dort wird sie auch an den Usedomer Literaturtagen teilnehmen.

Olga Tokarczuk, die Schriftstellerin mit der Rasta-Turm-Frisur, trinkt einen Tee. Seit einem Monat wohnt sie auf Usedom: "Es hat ja eine Geschichte, dass ich hier bin. Ich habe 2012 den Usedomer Literaturpreis bekommen. Hatte bisher aber keine Zeit, diesen Teil des Preises zu feiern. Es war eine sehr gute Gelegenheit jetzt in der Zeit, in der ich wirklich Erholung und Ruhe gebraucht habe, herzukommen. Allerdings ist es bei mir so, dass ich wieder anfange zu arbeiten, wenn ich die Zeit, den Raum und die Ruhe habe."

Seit 2002 zu Gast bei den Usedomer Literaturtagen

Dass sie diesen Aufenthalt nutzen würde, um sich vom Literatur-Nobelpreis zu erholen, war für sie unvorstellbar, so überraschend kam der Weltruhm. Usedom kannte sie von den Usedomer Literaturtagen, bei denen sie seit 2002 mehrmals zu Gast war.

"Ich war einige Male hier auf der Insel. Aber ich habe nicht gedacht, dass diese Usedomer Luft, die Ruhe, die hier außerhalb der Saison herrscht, so guttun kann. Weil hier noch keine Touristen sind, keine Vorsaison, ist es eine ganz angenehme Atmosphäre, ein super Ort, ideal um abzuschalten und Kräfte für die weitere Arbeit zu tanken", so die Schriftstellerin.

Acht Jahre Arbeit an dem neuen Buch "Die Jacobsbücher"

In den vergangenen acht Jahren hat sie an "Die Jacobsbücher" gearbeitet. Es ist ihr umfangreichstes Werk. Daraus wird sie Anfang April bei den Usedomer Literaturtagen lesen. Es ist ein Roman aber auch eine europäische Kulturgeschichte, mit unzähligen Figuren, Erzählsträngen, Orten, belegten und fiktiven Geschichten. "Ich müsste zunächst sagen, unter welchen Umständen ich an diese Arbeit herangetreten bin. Ich war mit dessen gar nicht bewusst, dass das meiste Wissen über die Anwesenheit der Juden in Polen und auch in Europa sich in den meisten Fällen auf den Holocaust konzentriert", sagt Olga Tokarczuk. "Ich wollte die Juden in Europa in einer Zeitachse sehen, wie sie sich darstellt, wie sie sich verändert hat. Europa ist ohne Juden nicht denkbar und das betrifft insbesondere Polen, wo die polnischen Juden in der Kultur eine wesentliche Rolle gespielt haben. Nach dem Krieg, nach dem Holocaust, gab es mehrere Juden-Progrome in Polen, also Wellen des Hasses und des Antisemitismus, noch 1968. Die Juden sind seitdem de facto aus Polen verschwunden und wir, die Polen, haben noch immer eine Art Phantomschmerz."

Preisgeld soll Stiftung finanzieren

Olga Tokarczuk liest auf Usedom
Olga Tokarczuk wird bei den Usedomer Literaturtagen lesen. Seit 2002 ist sie dort regelmäßig zu Gast. Im vergangenen Jahr hatte sie den Literatur Nobelpreis erhalten.NDR 1 Radio MV Autor/in: Voigt

Auf die Frage, ob sie glaube, dass sich ihre Arbeit und ihr Schreiben ändere, nachdem sie den prominentesten Literaturpreis, der mit knapp 830.000 Euro dotiert ist, bekommen hat, antwortet sie gelassen: "Das habe ich mir gut überlegt, auch in diesen vier Wochen. Das bedeutet für mich absolute Freiheit. Ich kann machen, was ich will. Ich muss mich nicht beugen, ich muss nichts machen, kann aber, wenn ich will. Ich finde, eine der wichtigsten Prämissen, die sich ein Autor aufstellen soll, ist die Welt zu schildern ohne sie zu beurteilen."

Mit einem Teil des Geldes aus Stockholm will Olga Tokarczuk eine Stiftung mit ihrem Namen gründen, um mit Stipendien und Residenzaufenthalten polnische Literatur und Übersetzung zu fördern. Der Bürgermeister von Wrozlaw hat seine Unterstützung zugesagt und der Stiftung eine Stadt-Villa überlassen. Im Moment aber gehört die Literatur-Nobelpreisträgerin mehr der Welt als Polen.

Lesung in Swinemünde auf Polnisch

Im März ist Olga Tokarczuk auf Lesereise: "Ich freue mich natürlich auf die Reise und auf die Treffen mit Lesern und Leserinnen und die Gespräche. Aber ich merke, dass ich älter werde. Und manchmal würde ich gern einfach auch mal nur zu Hause sein." Im April kommt sie wieder nach Usedom - irgendwie ist das auch wie nach Hause kommen. Olga Tokarczuk liest am 1. und 2. April bei den Usedomer Literaturtagen. Einmal in Heringsdorf und dann in Swinemünde auf Polnisch. Und das wird die erste Lesung, die sie nach der Ehrung mit dem Literatur-Nobelpreis für ihre Landsleute lesen wird. Wo sie sicher wie eine Nationalheldin erwartet wird.

MV