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Privat/dpa

Politik: Diese Influencer (die meisten weiblich) könnten die nächste Bundestagswahl entscheiden

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Food, Fashion, Lifestyle: Das sind normalerweise die Themen, mit denen Blogger auf Instagram und YouTube erfolgreich Einfluss nehmen. Was passiert, wenn sie nun auch Politik bewerten?

Ein Sonntagabend im Oktober 2018. Louisa Dellert saß auf ihrem Sofa. Im Fernsehen diskutierte Anne Will mit Christian Lindner über den Emissionshandel. Genau ihr Thema. Dellert ist Influencerin. Ursprünglich Fitness, mittlerweile Nachhaltigkeit. Weil sie eine Aussage des FDP-Chefs nicht verstand, griff sie zum Handy und stellte eine Frage dazu auf Instagram.

Sie schmunzelt, wenn sie von diesem Abend erzählt. Denn nur einen Tag später lud sein Büro sie zu einem Treffen ein. „Ein Gespräch mit Christian Lindner. Einfach so – krass“, dachte sich Louisa Dellert und merkte erst später, dass es für Lindner eigentlich genauso krass war. Mehr als fünfzehn Millionen Deutsche haben ein Instagram-Profil.

77 Prozent nutzen monatlich YouTube. Den Ton auf diesen Plattformen geben die Influencer an. Sie teilen, was sie essen, wohin sie reisen und immer häufiger, wo sie politisch stehen. Eine Entwicklung mit Folgen. Denn was die Internet-Helden sagen, hat Gewicht. Das bekannteste Beispiel ist ein Video des YouTubers Rezo, „Zerstörung der CDU“ heißt es. Bei der Europawahl kostete der millionenfach geklickte Clip die Volksparteien viele junge Wähler.

Anders als bei Firmen-Kooperationen: Kein Geld für Polit-Postings

Doch es gibt einen Unterschied zwischen Rezo und einigen Lifestyle-Influencern. Während der Mann mit den blauen Haaren Treffen mit etablierten Parteien ablehnt, gehen sie bereitwillig die Symbiose mit der Politik ein. Sie tauschen Reichweite gegen Seriosität. Bemerkenswert: Anders als bei Kooperationen mit Firmen fließt kein Geld für die Polit-Postings.

Trotzdem traf sich auch Louisa Dellert seit ihrem ersten Gespräch mit Christian Lindner unter anderem mit Katarina Barley (SPD), Cem Özdemir (Grüne) oder der CDU-Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. Dellert sagt: „Mittlerweile glaube ich, dass es bis auf die Bundeskanzlerin keinen Politiker gibt, der einen Termin mit mir ablehnen würde.“

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Rolf Vennenbernd/dpa

Der Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger vom Weizenbaum-Institut warnt: „Influencer sollten in den sozialen Netzwerken ihrer Rolle als Vorbild für ihre Follower gerecht werden.“ Durch die Nähe, die sie zu ihren Followern hätten, könnten sie nicht nur das Kauf- oder Essverhalten beeinflussen, sondern auch wen sie wählen. „Dabei werden die Meinungen der Influencer selten kritisch hinterfragt“, sagt Neuberger.

"Ich treffe mich mit denen, die ich authentisch finde"

Das nutzt inzwischen auch die Politik. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor sieht es so: „Influencer kommen an eine Zielgruppe ran, die für uns Politiker sonst nur schwer erreichbar ist.“ Im November 2019 lud er die 24-jährige Influencerin Diana zur Löwen in den Bundestag ein. Über die CDU wurde kaum gesprochen. Bewusst. Damit würden beide Seiten ihre Glaubwürdigkeit verspielen, erklärt Amthor.

Ein geschickter Zug. Auch Diana zur Löwen will sich nicht auf eine Partei festlegen. Wem sie Zugang zu ihren Followern biete, mache sie von Einzelpersonen abhängig: „Ich treffe mich mit denen, die meine Interessen gut vertreten und die ich authentisch finde.“ Bisher gelang das in Deutschland jedoch nur Philipp Amthor (CDU) und Dorothee Bär (CSU). Anders als zur Löwen hielten sich die meisten Influencer bisher mit politischen Äußerungen zurück. Eine von ihnen war Marie Nasemann. Bei den Place To B Awards im November 2019 sorgte sie dann aber für Aufsehen unter Influencern. Sie sprach Klartext.

Die ehemalige Kandidatin von „Germany’s Next Topmodel“ erhielt den Award für Nachhaltigkeit. In ihrer Dankesrede sagte sie: „Scheiß auf diese Leute, die nach Fehlern suchen und sich nur mit den unkritischen Influencern zufriedengeben, die in ihrer Heile-Welt-Bubble leben und sich zu nichts äußern.“ Applaus und zahlreiche Instagram-Storys. Im Publikum saßen Influencer mit insgesamt etwa 72 Millionen Followern. Viele Stimmen für künftige Wahlen. 

Diese Influencer sind aktuell populär

Louisa Dellert: 383000 Follower auf Instagram

Wer sind sie? Louisa Dellert war Fitness–Bloggerin, bevor sie sich dem Thema Klimaschutz widmete. Die 31-Jährige lebt in Berlin und betreibt einen Nachhaltigkeits-Shop in Braunschweig.

Wofür stehen sie? „Mein Herz schlägt grün“ – so heißt das Buch der 31-jährigen Influencerin. Auf ihrem Kanal bewirbt Dellert regelmäßig umweltfreundliche Alternativen für den Alltag. Vor der Europawahl postete sie Fotos, auf denen sie auch mit Luisa Neubauer in die Kamera lächelte. Danach gab sie an, die Grünen gewählt zu haben.

Wozu haben sie sich in der Vergangenheit geäußert? In ihrem Feed findet man Fotos von „Fridays for Future“-Demos. In ihrem Blog und in ihrem Podcast „Lou“ geht es um Rechtsextremismus oder das Klimaschutzpaket. Nach ihrem ersten politischen Instagram-Kommentar lud Christian Lindner die Influencerin zum Gespräch ein.

Diana zur Löwen: 821000 Follower auf Instagram

Wer sind sie? Diana zur Löwen bloggte ursprünglich über Mode und Lifestyle. Die 24-jährige Betriebswirtin lebt in Berlin und spricht auch auf Wirtschaftsforen.

Wofür stehen sie? Diana zur Löwen postet auf ihrem Kanal Wirtschafts- und Digitalthemen. Zum Beispiel: „Wie lege ich als Anfänger Aktien an?“ oder „Kann ich einen Monat bargeldlos leben?“ Solche Fragen versucht sie ihren Followern zu beantworten. Vor Kurzem traf sie sich öffentlichkeitswirksam mit Philipp Amthor von der CDU.

Wozu haben sie sich in der Vergangenheit geäußert? Obwohl die Influencerin sich selten in politische Debatten einmischt, nahm sie Stellung zu der von CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn vorgeschlagenen Widerspruchslösung für Organspenden. Auf ihrem Kanal teilte sie mit, dass sie den Vorschlag befürwortet.

Julien Bam: 5,71 Millionen Abonnenten auf YouTube

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dpa/Jörg Carstensen/dpa Julien Bam bei der Deutschlandpremiere von "Bad Boys For Life".

Wer sind sie? Die Videos von Julien Bam drehen sich um Tanz und Musik. Gelegentlich äußert sich der 31-jährige Breakdancer auch politisch. Kurze Zeit war er sogar SPD-Mitglied.

Wofür stehen sie? Julien Bam ist seit April 2019 Unicef-Botschafter. Mit einer Kurzdokumentation will er besonders seine jüngeren Abonnenten auf die Missstände in Bangladesch aufmerksam machen. Obwohl der YouTuber der SPD nahestand, nahm er im Frühling am Rezo-Video teil, das sich direkt gegen die Volksparteien wandte.

Wozu haben sie sich in der Vergangenheit geäußert? Nachdem Julien Bam lange unpolitisch blieb, äußerte er sich kritisch zum Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform. Der YouTuber hatte dazu sogar einen Diss-Track veröffentlicht. „Parlament und EU-Rat zu überzeugen hängt von uns ab“, rappt er in dem Song. Das Video bekam 282124 Likes und wurde 4,2 Millionen Mal aufgerufen.

Marie Nasemann: 105000 Follower auf Instagram

Wer sind sie? Nasemann wurde durch ihre Teilnahme an der vierten Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ bekannt. Heute beschäftigt sich die 30-Jährige unter anderem mit nachhaltiger Mode.

Wofür stehen sie? Marie Nasemann engagiert sich besonders für Nachhaltigkeitsthemen. Bei den Place To B Awards sprach sie sich außerdem klar gegen die AfD aus. Die Ex-Casting-Show-Kandidatin kommunizierte ihre letzte Wahlentscheidung auf ihrem Kanal: Bei der Wahl zum Europaparlament 2019 stimmte sie für die Grünen.

Wozu haben sie sich in der Vergangenheit geäußert? Auf ihrem Blog „fairknallt“ hat Marie Nasemann ihre eigene Kolumne, in der sie zu verschiedenen Themen Stellung nimmt. Zuletzt schrieb sie etwa über ein Raketenverbot an Silvester, oder bewertete „Grüner Knopf“, eine Initiative des Entwicklungsministeriums.

Felix von der Laden: 3,2 Millionen Abonnenten auf YouTube

Wer sind sie? Mit Gaming-Videos machte er sich als Influencer einen Namen. Allerdings drehte der 25-Jährige auch schon bei Klima-Demos und engagierte sich bei den Protesten gegen den Artikel 13.

Wofür stehen sie? Der YouTuber fiel politisch zum ersten Mal auf, als eine Zeitung ihn 2013 damit zitierte, dass er die AfD wählen wolle. Seitdem distanziert sich von der Laden regelmäßig von der Partei und stritt mehrfach ab, sie gewählt zu haben. Zuletzt kritisierte er Axel Voss (CDU) in Maybrit Illners Talkshow.

Wozu haben sie sich in der Vergangenheit geäußert? In der Debatte um Artikel 13 nahm Felix von der Laden Stellung und wurde zu Gesprächsrunden mit Politikern eingeladen. Obwohl er den CDU-Mann Axel Voss damals kritisierte, nahm er die Partei nach dem Rezo–Video in Schutz.

Madeleine Darya Alizadeh: 270000 Follower auf Instagram („dariadaria“)

Wer sind sie? Auf ihrem Blog „dariadaria“ schreibt sie unter anderem über Mode, Beauty und Politik. Die 30-Jährige betreibt inzwischen ihr eigenes nachhaltiges Modelabel „dariadéh“.

Wofür stehen sie? Seit 2017 versucht die heute 30-Jährige, mit ihrem Blog und ihrem Podcast „a mindfull mess“ ihre Follower für Klimaschutz und Fair Fashion zu sensibilisieren. Inhaltlich steht Madeleine Darya Alizadeh den Grünen nahe.

Wozu haben sie sich in der Vergangenheit geäußert? In ihrem Podcast teilt die Bloggerin ihre Meinung zu Themen wie der CO2-Steuer oder Cyber-Mobbing. Auf ihrem Instagram-Feed findet man Postings von Madeleine Darya Alizadeh bei „Fridays for Future“-Demos, und während der „Woman of the Year“-Gala sprach sie sich offen gegen einen Waffenhersteller aus.

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