https://www.wienerzeitung.at/_em_daten/_cache/image/1xl7p6ly2WrgRE-9zqoFlOWCrdu0zDqE--GZKtmZJfYaUTsrJxpYfEP9oAuB9QzQiDpoPL6IE_HnnYr2cj0cKeoQ/200214-1542-geld2.jpg
Die Schüler sollen lernen, wie man mit Geld verantwortungsvoll umgeht. Abgewickelt wird der "Finanzführerschein" von der stadteigenen Schuldnerberatung in Kooperation mit der Arbeiterkammer und der Bildungsdirektion.© APAweb / zb / Monika Skolimowska

"Finanzführerschein" für Wiener Schüler

Über Module an Berufs- und Polytechnischen Schulen soll der verantwortungsvolle Umgang mit Geld beigebracht werden.

by

Internetbestellungen, kontaktloses Bezahlen, Ratenkäufe: Durch derlei Verlockungen geraten junge Menschen oft schon am Anfang ihres Berufslebens in die Schuldenfalle. Wien will nun mit dem "Finanzführerschein" gegensteuern. Anhand von Modulen soll Schülern an Berufs- und Polytechnischen Schulen der verantwortungsvolle Umgang mit Geld beigebracht werden. Die Pilotphase startet am 27. Februar.

Ähnliche Initiativen gibt es bereits in anderen Bundesländern wie Oberösterreich oder Salzburg. In der Bundeshauptstadt will man bis zum Sommer einmal 500 Schüler erreichen. Bis Jahresende, wenn der Testlauf endet, sollen es mindestens 1.000 sein. 16 Schulen bzw. 27 Klassen nehmen in der ersten Runde am Projekt teil. Danach soll es ausgeweitet werden. Die Zielgruppe ist durchaus groß: Insgesamt besuchen derzeit rund 25.000 junge Wienerinnen und Wiener die angesprochenen Schultypen.

Abgewickelt wird der "Finanzführerschein" von der stadteigenen Schuldnerberatung in Kooperation mit der Arbeiterkammer und der Bildungsdirektion. "Autofahren, Schwimmen, Kochen - alles kann man lernen. Und das trifft auch auf den richtigen Umgang mit Geld zu", zeigte sich Gudrun Steinmann, Leiterin der Finanzbildung in der Wiener Schuldnerberatung, am Freitag in einer Pressekonferenz überzeugt. Gerade junge Menschen, die an der Schwelle zum Berufsleben stünden und ihr ersten Einkommen verdienten, verfielen oft den Verlockungen des Konsums.

"Dabei geht es noch gar nicht um große Kreditschulden, sondern um viele kleine Beträge, bei denen man den Überblick verliert", erklärte Steinmann. Vermeintlich günstige Ratenverträge für das Fitnesscenter oder technische Geräte, alles rund ums Handy oder Online-Bestellungen, die von überall und jederzeit möglich sind, seien klassische Schuldenfallen für Jugendliche. Krypto-Währungen wie Bitcoin oder Banken, die nur noch als App präsent sind, seien für Heranwachsende ebenso eine große Verlockung - ohne die Gefahren dahinter zu kennen, ergänzte Bildungsdirektor Heinrich Himmer. AK-Chefin Renate Anderl wies darauf hin, dass Berufseinsteiger üblicherweise sowieso recht wenig verdienen würden und es angesichts etwa hoher Wohnkosten ohnehin schon schwer hätten, mit ihren Einkünften ein Auslangen zu finden.

Der Finanzführerschein soll den Teenagern nun ein Grundwissen in Sachen Finanzen und Kontoführung vermitteln, aber auch einen kritischen Zugang zu Werbeversprechen lehren und ihnen bei der Planung größerer Anschaffungen helfen. Fünf Module zu je zwei Unterrichtseinheiten sind vorgesehen, wobei es für Poly-Schüler und erste Klassen der Berufs- und Fachschulen ein "Basic"-Programm, für die zweiten und dritten Klassen der Berufs- und Fachschulen ein "Professional"-Programm gibt. Drei der fünf Kursmodule werden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schuldnerberatung durchgeführt, die restlichen zwei als E-Learning-Programme unter Anleitung der Lehrerinnen und Lehrer. Am Ende gibt es ein Zertifikat. "Uns war es wichtig, unabhängige Finanzbildung ohne Banken oder Versicherungen als Partner zu machen", betonte Steinmann.

Handlungsbedarf bei Menschen mit niedrigerer Bildung

Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) räumte ein, dass es in Zeiten von Nullzinsen nicht so einfach sei, Leuten das Sparen beizubringen: "Aber was man ihnen schon beibringen kann, ist, was es heißt, drei oder vier Prozent Zinsen für einen Kredit zu bezahlen."

Apropos Ausgaben: Wie viel das Projekt kostet bzw. es kosten wird, wenn man es weiter ausrollt, konnte man heute nicht beantworten. "Aber am Geld wird es nicht scheitern", versprach Hacker.

Ein Blick in die Statistik aus dem Vorjahr legt jedenfalls nahe, dass gerade bei Menschen mit niedrigerem Bildungsabschluss Handlungsbedarf besteht. Demnach haben fast die Hälfte aller Kundinnen und Kunden der Schuldnerberatung (47,7 Prozent) lediglich einen Pflichtschulabschluss. Weitere knapp 32 Prozent haben eine Lehre abgeschlossen. Bei Menschen, die eine mittlere oder höhere Schule bzw. eine Hochschule absolviert haben, lag die Quote lediglich im - teils niederen - einstelligen Bereich. Insgesamt betreute die Schuldnerberatung Wien im vergangenen Jahr 9.273 Menschen. (apa/kle)