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Die Antarktis wird immer wärmer.
(Foto: AFP)

Temperaturrekord in der Antarktis

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Auf der Seymour-Insel vor der Spitze der Antarktischen Halbinsel haben brasilianische Forscher um Carlos Schaefer von der Bundesuniversität Viçosa am 9. Februar eine Rekordtemperatur von 20,75 Grad Celsius gemessen. "Wir sehen den Erwärmungstrend an vielen Orten, die wir überwachen, aber so etwas haben wir nie zuvor beobachtet", sagte Schaefer dem britischen Guardian. Er arbeitet am brasilianischen Regierungsprojekt Terrantar, das die Auswirkungen des Klimawandels auf Permafrost und Lebewesen an 23 Orten in der Antarktis untersucht. Nie zuvor waren in der Antarktis mehr als 20 Grad registriert worden. Der bisherige Höchstwert lag bei 19,8 Grad, gemessen im Januar 1982 etwas weiter nördlich auf der Signy-Insel.

Erst am 6. Februar war auch auf dem antarktischen Festland ein neuer Temperaturrekord aufgestellt worden: An der argentinischen Esperanza-Forschungsstation, ebenfalls am nördlichen Ende der Antarktischen Halbinsel gelegen, hatten Forscher 18,3 Grad gemessen. Der bisherige Rekord lag bei 17,5 Grad Celsius, aufgezeichnet 2015 an derselben Stelle.

Beide Rekorde sind noch nicht offiziell von der Weltwetterbehörde WMO bestätigt. Die WMO hat aber bereits mitgeteilt, dass sie zumindest den Festland-Wert für plausibel hält. Vermutlich sei die hohe Temperatur durch einen Föhnwind zustande gekommen. Das Phänomen funktioniert nicht anders als in den Alpen: Luft, die über die Bergrücken der Antarktischen Halbinsel streicht, erwärmt sich beim Herabsinken und kommt als trockener, warmer Fallwind in der Ebene an.

Aber auch für Föhntemperaturen sind die milden Werte so nah am Südpol erstaunlich und deuten auf tiefgreifende Veränderungen in der Region hin. Während die Temperaturen in der Zentral- und der Ostantarktis ungefähr stabil sind, hat sich die Richtung Südamerika erstreckende Antarktische Halbinsel laut Weltwetterbehörde WMO in 50 Jahren bereits um rund drei Grad Celsius erwärmt, schneller als fast jeder andere Ort auf der Erde. Die Erwärmung und der Meereis-Rückgang dürften auch ein wichtiger Grund für den jüngst festgestellten dramatischen Einbruch der Zügelpinguin-Populationen auf Inseln vor der Antarktischen Halbinsel sein.

Besonders besorgniserregend ist die Erwärmung aber auch wegen des drohenden Abschmelzens von Teilen der Westantarktis. An die Unterseite der dortigen Gletscher gelangt warmes Wasser, das aus den Tiefen des Ozeans aufsteigt, wodurch sie von unten tauen und schnell an Eismasse verlieren. Manche Forscher vermuten, dass der Kipppunkt bereits überschritten ist, sodass große Teile des Eises der Westantarktis über Jahrhunderte oder Jahrtausende unweigerlich ins Meer abrutschen werden. Sollte es so kommen, würde diese Eismenge allein den Meeresspiegel um etwa drei Meter ansteigen lassen.

© SZ
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