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Paris Bürgermeister Kandidat Griveaux | Bildquelle: REUTERS

Griveaux tritt nach Sexvideo zurück

Macrons Bürgermeister-Kandidat

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"Das geht zu weit" - mit diesen Worten hat der Wunschkandidat von Präsident Macron für die Pariser Bürgermeisterwahl, Griveaux, seinen Rückzug erklärt. Zuvor war ein Sex-Video aufgetaucht.

Die Erklärung kam am Morgen völlig überraschend. Während viele Pariserinnen und Pariser sich in den Bistrots und Brasserien zum traditionellen Frühstückskaffee eingefunden hatten, erschien ein sichtlich angeschlagener Benjamin Griveaux auf den Bildschirmen der Infokanäle und verkündete mit schwerer Stimme: "Ich habe mich entschlossen, meine Kandidatur für die Kommunalwahl in Paris zurückzuziehen."

Video und Texte mit sexuellem Inhalt

Worum genau es ging, war den meisten zunächst gar nicht klar. Griveaux selbst machte nur Andeutungen: "Ich möchte meine Familie und mich dem nicht mehr ausliefern. Wenn jegliche Form von Angriffen mittlerweile erlaubt ist, geht es zu weit."

Erst nach und nach wurde offenbar, was der Politiker eigentlich meinte: Im Internet kursierten offenbar bereits seit einiger Zeit Fotos und Videos. Ein Unbekannter hatte sich wohl unter anderem Zugang zum privaten Handy von Griveaux verschafft und den Bildschirm abgefilmt. Zu sehen sind Videos und Textnachrichten mit sexuellem Inhalt, die der Familienvater - so wird zumindest nahegelegt - mit anderen Frauen ausgetauscht hat.

"Lügen von Griveaux"

Online gestellt hat sie nach dessen eigenen Angaben Piotr Pavlenski, ein höchst umstrittener, russischer Aktionskünstler, der in Frankreich lebt. Er habe damit auf Lügen von Griveaux hinweisen wollen, der sich gerne als gewissenhafter Familienmensch inszeniere. Ein bisher wohl nicht dagewesener Eingriff in die Privatsphäre, der selbst politische Gegner entsetzt:

"Ich rufe zum Respekt des Privatlebens von Personen und Familien auf, denn auch Familien sind hier betroffen. Das ist einer demokratischen Debatte nicht würdig. Für Paris steht zu viel auf dem Spiel", sagte Anne Hidalgo, amtierende Bürgermeisterin von Paris. Sie bemüht sich um eine Wiederwahl.

Abgang dürfte Macron schwächen

Der Rückzug von Griveaux gleicht politisch gesehen einem Erdbeben. Für ganz Frankreich, besonders aber für La République en Marche, die Partei von Präsident Emmanuel Macron und für den Präsidenten selbst. Denn Griveaux gilt als einer der engsten Vertrauten von Macron.

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Benjamin Griveaux galt als Macrons Favorit für das Bürgermeisteramt in Paris.

Er war Wahlkämpfer, Minister und sogar Regierungssprecher, bevor er sich entschied, in den Kampf um das Pariser Rathaus einzusteigen. Das ist ein prestigeträchtiger und mächtiger Posten in Frankreich - hart umkämpft. Auch andere in der Partei wären gerne für den Spitzenposten in den Wahlkampf gezogen. Doch letztlich stellte sich der Präsident Macron selbst hinter die Kandidatur seines Vertrauten Griveaux und entschied damit das interne Rennen, auch wenn es innerhalb der Partei rumorte.

Denn Griveaux galt vielen als nicht vereinend, nicht sympathisch genug. Sein Abgang dürfte Macron weiter schwächen. In den Umfragen lag Hidalgo ohnehin weit vorn.

Nerven liegen blank

Im Wahlkampfquartier von Griveaux trafen die Spitzen seiner Partei am Morgen zur Krisensitzung zusammen. Die Nerven lagen gut einen Monat vor der Bürgermeisterwahl sichtlich blank.

"Ich werde in den kommenden Stunden alle Verantwortlichen unseres Wahlkampfes zusammenrufen, um gemeinsam und schnell zu überlegen, wie wir unser Programm am besten weiter verfolgen können", verkündete Stanislas Guerini, Vorsitzender von La République en Marche.

In Paris dürfte eine große Suche beginnen - nach einem Ersatzkandidaten oder einer Kandidatin. Im Gespräch ist etwa die Gleichstellungsministerin Marlène Schiappa. Aber es dürfte auch eine Suche nach dem oder den Verantwortlichen für den schweren Angriff auf die Privatspäre von Griveaux beginnen.

Politisches Erdbeben in Paris: Macron-Kandidat Griveaux gibt auf
Marcel Wagner, ARD Paris
14.02.2020 13:29 Uhr