Beziehungen am Arbeitsplatz
Liebe unter Kollegen – Was in den USA tabu ist, gilt in Japan als Tradition
Beziehungen unter Mitarbeitern? Mancherorts verpönt, andernorts ausdrücklich gewünscht. In Fernost gleicht mancher Konzern geradezu einer Partnervermittlung.
by Michael Scheppe, Martin KöllingTokio, Düsseldorf. Wie Unternehmen mit den Beziehungen ihrer Mitarbeiter umgehen, ist kulturell verschieden. Gar prüde erscheinen ausgerechnet die Amerikaner. Geben sie sonst gerne den Takt der Moderne vor, regiert in Sachen zwischenmenschlicher Beziehungen historisch anmutende Sittenstrenge.
Beispiel Google: Wer dort seinen Vertrag unterschreibt, muss damit rechnen, im Extremfall entlassen zu werden, wenn er eine Beziehung mit einem Arbeitskollegen eingeht. Facebook behält sich in seinem Verhaltenskodex vor, die liebenden Mitarbeiter zu versetzten.
Bei beiden Firmen gilt: Kollegen dürfen nur ein einziges Mal um ein Date gebeten werden. Lehnt das Gegenüber ab, ist das endgültig. Die Bank of America verbietet sexuelle Beziehungen zwischen Managern und Angestellten komplett, um Interessenskonflikten vorzubeugen.
Die Striktheit der US-Unternehmen ist begründet. Sie fürchten sich vor möglichen Klagen und damit verbundenen hohen Schadenssummen. So hat die Me-too-Debatte die Regelwerke der Konzerne sogar verschärft. Manch männlicher Manager meidet es da lieber ganz, mit einer Kollegin in den Aufzug zu steigen. Denn wer die Regeln des Verhaltenskodex bricht, muss mit ernsten Konsequenzen rechnen.
Erst im Januar trat Googles Chefjurist David Drummond wegen einer Affäre mit einer Arbeitskollegin zurück. Im Herbst musste McDonalds-Chef Steve Easterbrook gehen, weil er eine Beziehung mit einer Angestellten hatte. Das gleiche Schicksal erlitt der frühere Intel-Chef Brian Krzanich im 2018. Dabei waren die Beziehungen beide Male einvernehmlich.
Amerikanische Verhältnisse wird es hierzulande nicht so schnell geben. Das zeigt das Beispiel Walmart. Zwar wollte der US-Handelskonzern seinen Angestellten auch in Deutschland untersagen, Beziehungen untereinander einzugehen. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf kippte die Regelung allerdings schon 2005.
Liaisons im Büro sind hierzulande erlaubt und durch das Persönlichkeitsrecht geschützt. Kündigungen drohen allenfalls, falls Mitarbeiter durch ihre Beziehung die Arbeit vernachlässigen oder der Betriebsfrieden etwa durch Streitereien gestört wird, erklärt Arbeitsrechtler Sebastian Schröder von der Kanzlei Aquan in Düsseldorf.
Heiratsdienst für Mitarbeiter in Japan
In Fernost gleichen die Unternehmen fast schon professionellen Partnervermittlungen. So bieten Firmen, die aus der Mitsubishi-Gruppe hervorgegangen sind, ihren Mitarbeitern den Heiratsdienst „Diamond Family Club“. Dieser vermittelt interessierten Männern und Frauen Partner innerhalb der Mitsubishi-Familie. Umgerechnet 670 Euro kostet die Registrierung, weitere 500 Euro werden bei einer Eheschließung fällig – eine Erfolgsgebühr.
Auch der Autobauer Toyota kümmert sich um die Liebe am Arbeitsplatz: Am Hauptstandort Toyota-City wird frisch angestellten Mitarbeitern eine Rendezvouz-Ratgeber zur Verfügung gestellt. Die Fibel gibt Tipps für die Date-Vorbereitung: von Hygiene- bis zu Bekleidungsempfehlungen.
Die Tradition geht auf schon länger vergangene Jahrzehnte zurück, als Firma und Angestellte es noch bis zur Pensionierung miteinander aushalten mussten – und Eheleute, bis das der Tod sie schied. Damals gehörte es wie selbstverständlich zu den Aufgaben einer Führungskraft, Angestellten nicht nur einen glatten Start ins Berufs-, sondern auch ins Eheleben zu verschaffen
„Manager übernahmen die Rolle des zeremoniellen Heiratsvermittlers“, sagt der Politologe Akihiko Kato von der Meiji-Universität. Die Firmen stellten viele junge Frauen ein, erwarteten aber auch, dass diese spätestens mit der Geburt des ersten Kindes zu Hause blieben. Soweit gehen auch die Japaner heute nicht mehr.
Und in Deutschland? Immer mehr Arbeitgeber tolerieren die Büroliebe – als Kuppler in Sachen Eheanbahnung verstehen sie sich aber nicht.