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Bild: Stadtarchiv/Stadtmuseum Cottbus
Vor 75 Jahren wird Cottbus bombardiert

"Es fühlte sich an, als würde man in einer Schaukel sitzen"

Audio: Antenne Brandenburg | 14.02.2020 | Florian Ludwig

Irene Neumann ist 1945 acht Jahre alt. Sie wohnt in Cottbus-Sandow und erlebt dort das Bombardement der 8. US-Luftflotte. Bis heute hat sie die Bilder vor Augen. Es habe sich angefühlt, als würde man schaukeln, erinnert sich die Zeitzeugin. Von Florian Ludwig

15. Februar 1945, in den Mittagsstunden haben über 400 Flieger der 8. US-Luftflotte Cottbus erreicht. Die Bomben, die sie abwerfen, zerstören vor allem die Südstadt, den Bahnhof, Wohnhäuser, Kirchen. Offiziell kommen dabei 1.000 Menschen ums Leben, 13.000 verlieren ihre Wohnungen, sind von einem Moment zum anderen obdachlos.

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Zeitzeugin Irene NeumannBild: rbb/Florian Ludwig

Irene Neumann ist damals ein Kind, acht Jahre alt. Noch heute hat sie die Bilder, die Geräusche, die Trümmer vor Augen. Mit ihrer Mutter und ihrem Bruder wohnt sie im Stadtteil Sandow. Der Vater ist im Krieg.

Mit viel Glück überlebt

Seit dem Fliegeralarm, der am Vormittag dieses Donnerstags ausgelöst wurde, sitzen Irene,  ihr Bruder, ihre Mutter und alle anderen Hausbewohner im Keller. Sie hören, dass eine Bombe in ihr Haus eingeschlagen hat. Die Bombe rast durch alle Etagen, durch Zimmerdecken und Betten, durch Kleiderschränke.

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Cottbuser Altmarkt nach dem BombenangriffBild: Stadtarchiv/Stadtmuseum Cottbus

"Es fühlte sich an, als würde man in einer Schaukel sitzen", gibt Irene Neumann 75 Jahre später ihr Gefühl dieses Moments wieder. Die Masse der Bombe habe das ganze Haus in Bewegung versetzt. Die im Keller Kauernden kommen mit dem Leben davon. Die Phosphorbombe explodiert nicht. Die wenigen Männer, die nicht im Krieg sein mussten, räumen den Blindgänger später auf die Straße.

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zerstörte Lutherkirche in CottbusBild: Stadtarchiv/Stadtmuseum Cottbus

Lebende nach rechts, Tote nach links

Wenige Meter von ihrem Wohnhaus entfernt wird auch eine Schule bombardiert. Darin sind viele Menschen, die aus dem Osten geflohen sind. Es fällt Irene Neumann schwer, darüber zu sprechen, auch 75 Jahre später. Ein Mann erzählt ihr später, dass er drüben war, in der Schule, nachdem die Bomber abgdreht waren.

Lebende nach rechts, Leichen nach links: So nüchtern habe der Mann geschildert, was in der Schule vor sich gegangen war. Lange, sagt Irene Neumann heute unter Tränen, habe er das nicht ausgehalten.

Puppe Hannelore wird gerettet

Die 83-Jährige erinnert sich daran, dass sie ihre Puppe Hannelore aus der Wohnung gerettet habe. Das gute Geschirr der Familie und einiges mehr habe die Mutter schon vor dem Bombenangriff im Keller versteckt und schließlich gerettet.

Sie verlassen die Stadt und ziehen zu Verwandten nach Guhrow, nicht weit entfernt von Cottbus - Geschirr und Puppe Hannelore im Gepäck.  

Wehret den Anfängen

Irene Neumann schreibt ihre Erinnerungen auf, so wie viele andere Zeitzeugen auch.  Entstanden ist daraus ein kleines Buch "Wenn der weiße Flieder wieder blüht". Nur so, sagt sie, kann man das Vergessen verhindern.

Und das sei in dieser Zeit wichtiger denn je. "Wehret den Anfängen", mahnt die Zeitzeugin.  Sie habe allerdings das Gefühl, dass die Anfänge schon verpasst worden sind.

Gedenken in Cottbus

Cottbus gedenkt der Bombardierung vor 75 Jahren am 15. Februar 2020 mit einem Konzert des Philharmonische Orchester des Staatstheaters gemeinsam mit Chören der Singakademie Cottbus, der BTU Cottbus-Senftenberg und des Konservatoriums. Ort des Konzertes ist die Vorhalle des Cottbuser Hauptbahnhofes, Beginn 21 Uhr. Der Eintritt ist frei.