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Ist es okay, wenn Biolebensmittel vergleichsweise günstig beim Discounter angeboten werden? Die Verbraucher haben längst mit ihrem Kaufverhalten entschieden.
(Foto: Axel Schmidt/Getty)

Bio gern - aber bitte billig

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Ein paar Angebote aus dieser Woche: Bei Aldi (Süd) kostet das Kilo Bio-Orangen und Bio-Bananen, letztere sogar mit dem Fairtrade-Siegel, jeweils 1,69 Euro. Lidl bietet die gleiche Menge Äpfel aus seiner Zusammenarbeit mit Bioland-Betrieben für 1,99 Euro an, solange der Vorrat reicht. Und Netto verlangt für 250 Gramm Erdnüsse aus ökologisch zertifiziertem, ägyptischem Anbau 1,49 Euro.

"Bio boomt an allen Verkaufsplätzen. Es ist unstrittig, dass der Lebensmitteleinzelhandel und auch die Discounter einen großen Beitrag leisten", sagt Peter Röhrig, Geschäftsführer des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Zu einer ressourcenschonenden Produktion von Nahrung, für eine saubere Umwelt, zum Klimaschutz, zur Agrarwende, zum Tierwohl - und zum Wachstum der Ökobranche. Für knapp zwölf Milliarden Euro kauften die Deutschen 2019 Lebensmittel aus Bio-Anbau. Gemessen am Gesamtumsatz von 162 Milliarden Euro ist das immer noch wenig. Doch das Bio-Segment wächst stetig und überproportional.

Nicht jeder in der Branche hört es gern, aber den Zuwachs ihrer Geschäfte um von Fachleuten geschätzte acht bis neun Prozent im vergangenen Jahr verdanken Bio-Erzeuger vor allem dem steigenden Absatz über Supermärkte und Discounter. Dort wurden 2019 laut BÖLW Bio-Waren für 7,13 Milliarden Euro verkauft, ein Plus von 11,4 Prozent. Daneben fielen die Zuwächse der Naturkostfachhändler mit acht Prozent und über sonstige Verkaufskanäle wie Wochenmärkte, Bäckereien, Tankstellen oder den Versandhandel um fünf Prozent bescheidener aus.

Verbraucher haben entschieden

Reine Lehre oder Masse? Seit Jahren diskutiert die Branche darüber und für manche ihrer Akteure ist die Frage nach dem besten Vertriebsweg auch eine ideologische, eine politische oder gar eine Glaubensfrage. Derweil antworten und entscheiden die Verbraucher allein mit ihrem Kaufverhalten. "Wir stellen fest, dass unsere Kunden sich vermehrt Bio-Produkte wünschen", so eine Aldi-Sprecherin. Nicht von ungefähr werden die Sortimente auch bei Lidl, Netto, Penny oder Norma immer breiter. Sie bewegen sich aktuell zwischen 300 und 500 Produkten, Saison- und Aktionsware eingerechnet. Auch in der Werbung locken die Discounter immer häufiger mit Bio-Ware. Was sie nicht daran hindert, ein oder zwei Seiten weiter Fleisch zu Dumpingpreisen zu verhökern.

Die Kundschaft scheint sich daran nicht zu stören und die Kalkulationen der Handelsriesen geht auf. Aldi ist im November zum größten Bio-Lebensmittelhändler Deutschlands aufgestiegen. Man wolle Marktführer bleiben und werde daher das "Sortiment weiter ausbauen", teilen Aldi Süd und Nord auf Nachfrage mit. Und Lidl hat sich vorgenommen, "Deutschlands nachhaltigster Discounter zu werden", wie eine Firmensprecherin sagt. Dabei sucht man renommierte Partner aus der Szene. So kooperiert Lidl mit der Bioland-Erzeugerkette und Aldi mit Schneekoppe.

"Greta-Thunberg-Effekt"

Bio sei nicht nur aus der Nische in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen, sondern "längst im Mainstream angekommen", sagen Marktforscher der GfK. Gar von einem "Greta-Thunberg-Effekt" sprechen manche. So weit will BÖLW-Geschäftsführer Röhrig nicht gehen. "Die inzwischen unzähligen Studien, die die dringende Notwendigkeit von Klima- und Ressourcenschutz aufzeigen, das Bienen-Volksbegehren in Bayern und natürlich auch die Klimadebatte tragen dazu bei, dass immer mehr Menschen Nahrungsmittelanbau ohne chemisch-synthetische Pestizide und mehr Tierwohl wollen."

Aber offenkundig nicht überall. So greifen Verbraucher in den reichen südlichen Bundesländern überproportional häufig zu Bio-Lebensmitteln, ebenso in Berlin. Im Osten Deutschlands sei "der Anteil der konsequenten Bio-Shopper dagegen deutlich unterproportional", so die GfK-Marktforscher in einer Studie zum Start der größten Ökomesse Biofach am Mittwoch in Nürnberg.

Wer sich dort auch nur oberflächlich umsieht, entwickelt schnell ein Gefühl für den Aufwärtstrend der Branche: Das Messegelände ist ausgebucht; mit knapp 3800 Ausstellern ist die Biofach inzwischen um 1000 Stände größer als der jahrzehntelange lokale Platzhirsch Spielwarenmesse.

Jedes siebte hierzulande verkaufte Ei stammt inzwischen von einer Bio-Henne, bei Molkereiprodukten liegt der Bio-Anteil bei zehn Prozent. Besonders gefragt sind auch Obst und Gemüse aus biologisch zertifiziertem Anbau. Weil zuletzt viele Landwirte ihre Produktion von konventionell auf ökologisch umgestellt haben, reicht nach Angaben des Deutschen Bauernverbands das inländische Angebot inzwischen aus, um die Nachfrage nach biologisch erzeugten Getreideprodukten, Milch und Fleisch zu decken. "Derzeit werden aber beispielsweise noch etwa 30 Prozent des inländischen Verbrauchs an Milchprodukten importiert, obwohl deutsche Milchviehbetriebe auf der Umstellungsliste der Molkereien stehen", so der DBV.

Die steigende Nachfrage wirft auch politische Fragen auf, etwa nach dem Umbau der Landwirtschaft hin zu ökologischer Bewirtschaftung. Dem BÖLW zufolge wuchs die Öko-Anbaufläche 2019 um 6,6 Prozent; in fünf Jahren sei sie um fast 50 Prozent größer geworden. 33 700 Bio-Bauernhöfe gibt es in Deutschland, das sind 12,6 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe. Vertreter der Bio-Branche fordern unablässig, die Umstellung finanziell stärker zu fördern und vor allem Leistungen der Bauern für das Gemeinwohl zu belohnen.

Die Discounter warten nicht auf die Politik. Sie arbeiten längst selbst daran, dass ihnen die Ware nicht ausgeht. Im September lud Aldi Bio-Lieferanten zu einem Strategietag. Und man sucht nach lukrativen Nischenprodukten, Bio-Räucherlachs etwa oder Bio-Gin. Sogar "Krumme Dinger" haben eine Chance. So nennt Aldi eine Eigenmarke mit Äpfeln aus Betrieben, die das offizielle Biosiegel noch nicht tragen dürfen, weil sie noch mitten in der dreijährigen Umstellungsphase stecken.

© SZ vom 13.02.2020/hgn
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