Großes Finale am Samstag: Kein Schönheitswettbewerb mehr: „Miss Germany“ ist jetzt feministisch
by FOCUS OnlineEin leicht altbackener Schönheitswettbewerb in der Hand eines alten Familien-Patriarchen – das ist „Miss Germany“ in einem Satz. Doch jetzt soll alles anders werden: Unter der Führung des neuen, erst 24 Jahre alten „Miss Germany“-Geschäftsführers Max Klemmer wird der Schönheitswettbewerb in einen feministischen „Personality-Contest“ umgebaut. Für „Miss Germany“ geht es dabei auch ums Überleben.
Bei der Wahl der Miss Germany ging es in der Vergangenheit vor allem um das Aussehen der Bewerberinnen aus ganz Deutschland - schließlich handelte es sich immer um einen Schönheitswettbewerb. Der Gewinn bestand unter anderem aus einer ganzen Palette von Schönheitsprodukten. Am Samstag wird die diesjährige Gewinnerin im Europapark in Rust gekürt - erstmals von einer rein weiblichen Jury und unter einem feministisch anmutenden neuen Konzept.
Schönheitsprodukte gibt es weiterhin als Gewinn. Auch erwartet die Siegerin wie auch vorher schon ein Jahr, in dem sie als Amtsträgerin von der Firma Miss Germany und von Sponsoren finanziert an Veranstaltungen zu einem Thema ihrer Wahl teilnehmen darf – sei es Natur, Sport oder Nachhaltigkeit.
„Crossmedialer Personality-Wettbewerb“
Das inhaltliche Konzept habe sich aber grundlegend geändert, geben die Veranstalter an: Es gehe nicht mehr nur um Äußerlichkeiten, sondern um den Charakter der Frauen. Es habe ein „komplettes Rebranding“ gegeben, sagt Max Klemmer, Geschäftsführer der Firma – also eine vollständige Überarbeitung der Marke Miss Germany. Es solle kein Schönheitswettbewerb mehr sein, sondern ein „crossmedialer Personality-Wettbewerb“. Nicht länger solle es um Attraktivität der Frauen gehen, sondern um Performance, Ausstrahlung und Inhalte.
Der 24-jährige Klemmer ist seit drei Jahren gemeinsam mit seinem Vater Geschäftsführer des Familienunternehmens, vorher hatten sein Vater und sein Großvater gemeinsam die Leitung inne. Der Generationenwechsel sei entscheidend für die Veränderungen gewesen, er habe schließlich „in dritter Generation einen anderen Zugang zur Zielgruppe“, sagt Klemmer über sich.
„So viele Veganerinnen hatten wir noch nie dabei“
In den vergangenen Jahren gab es bereits kleinere Veränderungen: Inzwischen dürfen sich auch Mütter bewerben. Beim Finale im Europapark müssen die Bewerberinnen außerdem keinen Bikinilauf mehr absolvieren. Maximalmaße und die Altersgrenze von 30 Jahren sind abgeschafft, im Finale ist jetzt eine 35-jährige Mutter dabei.
Diesmal hätten sich Bewerberinnen aus völlig verschiedenen Berufen und Interessensbereichen gemeldet, es gehe in „Richtung Gründertum“ und „plastikfreie Lebensweisen“, sagt Klemmer. „So viele Veganerinnen und Vegetarierinnen wie dieses Jahr hatten wir noch nie dabei.“ Diversität habe sich auch in anderen Punkten gezeigt: Etwa gab es ein lesbisches Paar, eine Frau im Rollstuhl und viele Frauen mit Migrationshintergrund unter den Bewerberinnen.
An der Kleidergröße hakt es noch
Für „Miss Germany“ geht es dabei auch darum, sich abzugrenzen. Mädchen träumen mittlerweile von einem Sieg bei der Model-Casting-Show „Germany's Next Topmodel“ und nicht von einer Krone als schönste Frau Deutschlands. Und mit Instagram ist ein im Prinzip unendlicher Schönheitswettbewerb noch hinzugekommen. Jetzt aber verbucht „Miss Germany“ Rekordzulauf: Mehr als 7500 Bewerberinnen wollten bei der reformierten Ausgabe mitmachen.
Hier und da sieht Klemmer aber noch Verbesserungsmöglichkeiten, etwa bei den Kleidergrößen. Eigentlich gibt es keine Vorgaben für Körpermaße. Dennoch würden sich vorrangig Frauen mit kleineren Kleidergrößen bewerben, bedauert er. „Da muss sich das Thema in den Köpfen der Bewerberinnen noch ein wenig durchsetzen.“
„Wir suchen ein Vorbild“
Die wohl größte Neuerung findet sich in der Zusammensetzung der Jury. In diesem Jahr besteht diese ausschließlich aus Frauen. Unter anderem die ehemalige CSU-Politikerin und Miss Germany aus dem Jahr 1977, Dagmar Wöhrl, und die Fernsehmoderatorin Frauke Ludowig sitzen in der Jury. In den vergangenen Jahren habe es eine „Disbalance“ und eine „eher männlich belastete Jury“ gegeben, erläutert Klemmer den Schritt. Außerdem sei die Geschäftsführung rein männlich – da soll wenigstens die Jury nur aus Frauen bestehen. Die Klemmer-Männer werden weiterhin über zwei Stimmen verfügen.
„Wir suchen nicht die schönste Frau Deutschlands“, betont der 24-jährige Unternehmenschef. „Wir suchen ein Vorbild, wo wir sagen: Diese Dame steht exemplarisch für eine ganze Generation junger Frauen.“ Doch nicht nur das: Die Dame wird auch exemplarisch für die reformierte „Miss Germany“ stehen. Am Samstag fällt die Entscheidung. Klemmer wird vielleicht nervöser sein als die Frauen.