Heute Abstimmung im Bundesrat: Tempolimit auf Autobahnen – einfach mal nachdenken und kreative Lösungen suchen
by FOCUS OnlineNachdem der Bundestag klar gegen das Autobahn-Tempolimit stimmte, sollte das Votum quasi rückgängig gemacht werden – über den Bundesrat. Ein breites gesellschaftliches Bündnis scheint dafür zu sein. Anstatt ein starres Tempolimit zu fordern, wäre es sinnvoll, sich zielgerichtet geeignete Lösungen zu überlegen. Ein Kommentar.
Dafür oder dagegen? Derzeit scheint es ja in Deutschland einen Trend dazu zu geben, jede Debatte in Schwarz oder Weiß einzuteilen. Die ums Tempolimit auf der Autobahn ist so eine. Man kann dafür sein oder dagegen – einen Überblick über die Argumente pro und contra finden Sie bei den Automobilclubs , die sich in der Debatte klar positionieren. Wobei der größte Autoclub des Landes, der ADAC, weder dafür noch dagegen ist. Man könnte auch sagen: Während sich die Freie Fahrt- und die Verbots-Fraktion auf dem Schulhof gegenseitig die Köpfe einschlagen und an den Haaren ziehen, steht der ADAC am Rand und hält die Jacken.
Das "breite gesellschaftliche Bündnis" und grüne Radfahrer
Interessant an der Debatte: Das von den Grünen eingebrachte Votum fürs Tempolimit ist im Bundestag gerade erst gescheitert, eine deutliche Mehrheit votierte dagegen. Heute kommt nun der zweite Anlauf über den Bundesrat, der wegen der starken Stellung grün und links regierter Länder bessere Chancen hatte, aber ebenfalls abgelehnt wurde.
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Nun zeigen im Schwange von Greta und Co. angeblich aktuelle Umfragen, dass eine Mehrheit der Deutschen für das Limit sei. Und ein "breites gesellschaftliches Bündnis" stehe dahinter, berichten viele Medien. Nun ja, es handelt sich bei genauem Hinsehen einfach um eine Reihe von Lobbyvereinen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der Fahrrad-Club ADFC, Greenpeace (die hatten wahrscheinlich gerade Zeit, weil bei dem Schmuddelwetter die Klima-Demos nicht mehr so gut laufen), einer regionalen Polizeigewerkschaft und dem Umwelt-Club BUND sagen dem Bundesrat nun, wo es lang zu gehen hat: Tempo 120 auf der Autobahn und, wo wir schon mal dabei sind, gleich Tempo 30 in der Stadt.
Autobahn-Tempolimit für Radler?
Der ADFC ist als Teil des Bündnisses etwas bizarr. Zum einen fragt man sich, welchen Sicherheitsgewinn Radfahrer von einem Tempolimit auf der Autobahn haben. Zum anderen sperrt sich der Velo-Club seit Jahren gegen eine andere Maßnahme, die die Sicherheit definitiv erhöhen würde: die Helmpflicht für alle Radfahrer. Aber wenn es um die eigene Lobby geht, ist man dann halt im Radler-Club wohl lieber "unvernünftig".
Den Vogel schießt aber wie immer die offiziell gemeinnützige Umwelthilfe ab, die bekanntlich von grünen und roten Ministerien für allerlei Projekte mit Fördergeldern in Millionenhöhe versorgt wird : Weil die CSU eine Netz-Kampagne gegen das Tempolimit gestartet hat und die AfD sich schon immer dagegen positionierte, wirft die DUH jetzt gewohnt reißerisch der CSU "inhaltliche Zusammenarbeit der CSU mit der rechtsextremen AfD" vor. Das ist einfach nur eine krude Logik, sofern man von Logik überhaupt noch sprechen mag.
Als die Linke eine Tempolimit-Klatsche ihrer User kassierte
Und die Umfragen? Nun, so manche Wahl-Überraschung zeigt, dass Umfragen die tatsächliche Stimmung im Land widerspiegeln können, aber noch lange nicht müssen. Ebenso wie Online-Umfragen nicht repräsentativ sein müssen. Auffällig ist trotzdem, dass gerade beim Tempolimit in diversen Online-Umfragen ein ganz anderes Kräfteverhältnis zum Vorschein kommt. Und das nicht nur bei Auto-Fanseiten wie "Fridays for Hubraum" oder Autozeitschriften wie "Auto Motor & Sport", wo man derartiges ja erwarten kann. Auch eine aktuelle Umfrage der "Bild"-Zeitung etwa ergibt: Rund 70 Prozent sind gegen das Limit.
Umfragen auf anderen Medienseiten, auch hier beim "FOCUS", ergeben nicht selten ein ähnliches Verhältnis. Die CDU-Fraktion befragte in Brandenburg ihre User auf Facebook – klare Mehrheit gegen das Limit. Und selbst bei der Linken, die bekanntlich als Partei klar für das Tempolimit votiert, scheinen die eigenen Mitglieder nicht immer der gleichen Meinung zu sein. Als die Partei vor der Abstimmung im Bundestag Ihre Fans dazu befragte, war das Netz-Votum nach zehntausenden Stimmen jedenfalls eindeutig: Nö, Genossen – nach dem Motto: Das haben wir nach dem Trabi doch eigentlich hinter uns.
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Aus Prinzip gegen das Tempolimit
Ach ja: Wie ich selbst zum Tempolimit stehe, werde ich derzeit von Usern oft gefragt. Eine gute Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist. Zufällig bin ich gestern 12 Stunden auf deutschen Autobahnen unterwegs gewesen. Auf 60 Prozent der Strecke hätten mich Tempo 130 nicht gestört, weil ohnehin maximal 110 wegen der Verkehrslage möglich waren. In 40 Prozent allerdings, wenn es mal dreispurig und leer war, habe ich es auch genossen, 160 oder 180 zu fahren. Denn sind wir mal ehrlich – was stört uns denn auf der Autobahn? Es sind die echten Raser, die bei vollen Autobahnen noch meinen, einen mit Tempo 220 von der linken Spur blinken zu müssen. Es sind aber nicht diejenigen, die bei entsprechender Verkehrslage und Witterung auch mal schneller fahren. Deshalb bin ich, ganz unabhängig von all den jeweils für sich durchaus legitimen Argumenten pro und contra, aus Prinzip gegen das Tempolimit.
Ein Limit muss nicht bei 130 km/h liegen
Aber das heißt ja nicht, dass man nicht auch über Kompromisse nachdenken kann. Etwas, das in der derzeitigen politischen Großwetterlage irgendwie aus der Mode zu kommen scheint. Der "Spiegel" machte einmal einen Vorschlag, der nur auf den ersten Blick seltsam klingt: Warum nicht Tempo 200 als Limit einführen? Dann dämmt man die echten Highspeed-Exzesse ein und verhindert, dass die Autobahn als Rennstrecke benutzt wird, auf der jeder Honk mal die VMax seines neuen Lamborghini austesten kann. Oder man könnte festlegen: Drei- und vierspurige Autobahnen bei geeigneter Strecke ohne Limit, bei zweispurigen aber Tempo 130 in Kombination mit einem Überholverbot für LKW. Einfach mal kreativ sein.
Deutschen Autofahrern die jahrzehntelang liebgewonnene und von der weit überwiegenden Mehrheit auch verantwortungsvoll ausgeübte Freiheit komplett wegzunehmen, halte ich aber für falsch. Auch deshalb, weil wir nun mal ein Autoland sind, in dem "Autobahn-tested" ein wirkliches Qualitätssiegel ist. Egal übrigens, ob das Auto mit Benzin fährt, mit Diesel oder Strom.
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