Dorothea Wierer aus Italien steht bei der Biathlon-WM in Antholz besonders unter Druck - DER SPIEGEL - Sport

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Dorothea Wierer
Alexander Hassenstein/ Bongarts/ Getty Images

Die Biathlon-Weltmeisterschaft in Antholz hätte für Dorothea Wierer kaum besser beginnen können. Platz zwei mit der Mixed-Staffel trotz zwei eigener Nachlader, gleich im ersten Rennen Silber, das war "sensationell. Die Fans haben uns vom Anfang bis zum Ende angefeuert, sie waren uns allen eine Riesenunterstützung", sagte Wierer nach dem Rennen. Sogar die Landesregierung gratulierte.

Es war ein Einstand nach Maß, nach "strengen Tagen", wie Wierer sagte. Die nächsten Tage werden nicht leichter. Zu groß ist der Druck auf ihre Person, zu grell das Scheinwerferlicht. Die 29-Jährige ist in Bruneck geboren, nur wenige Kilometer entfernt von der Antholzer Anlage. Es ist eine besondere Weltmeisterschaft für sie. Nicht nur deshalb. Italiens erfolgreichste Biathletin will nach dieser Saison aufhören.

Im vergangenen Winter war sie noch Gesamtweltcupsiegerin geworden. Das wird ihr in diesem Jahr wohl nicht gelingen. Zu stark ist die norwegische Konkurrentin Tiril Eckhoff. Zu sehr plagten sie auch körperliche Probleme. Die Bandscheiben machten immer wieder Ärger. Im Frühjahr ist Wierer deshalb nicht so recht in Form gekommen, ihre zwei Saisonsiege stammen vom Winteranfang.

Wierer liebte die Inszenierung - der Sport profitierte

Trotz allem sind die Erwartungen an sie in Antholz enorm. Danach will Wierer ihre Karriere beenden, das hat sie schon 2017 angekündigt. Antholz sei der ideale Ort, sagte sie, der Ort, an dem alles begann und an den sie die schönsten Erinnerungen hat. Mit zehn Jahren hat sie hier gemeinsam mit zwei der vier Geschwister mit dem Sport begonnen. Dem Biathlon treu geblieben ist nur sie. Zum Abschied soll nun aber die ganze Familie ins Stadion kommen.

Und dann? "Es reicht, wenn man bis zu seinem 30. Lebensjahr Biathletin ist", sagte Wierer der "Gazetta dello Sport" vor zwei Jahren. Im Leben gebe es auch viele andere schöne Dinge. "Vor allem möchte ich irgendwann Kinder bekommen und Vollzeitmutter sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich nach der Mutterschaft wieder Profisport betreibe."

Ihr Auftreten als IT-Girl der Szene brachte Wierer zwar Aufmerksamkeit, rückte sie manchmal aber aus dem sportlichen Fokus. In Berichten über sie ging es mitunter mehr um die "sexy Biathletin" als um die herausragende Sportlerin. Dass Wierer zweimal Staffel-Bronze bei Olympischen Spielen gewann und sechs Medaillen bei Weltmeisterschaften, inklusive Gold im Massenstart 2019, fand neben Sommerfotos im Bikini oft kaum Erwähnung.

Zuletzt gab es Streit im Team

Wierer hat all das lukrative Werbedeals mit Weltmarken wie Red Bull und Adidas beschert. Auch der Sport hat von der Show profitiert. Er wird Wierers Abschied wohl spüren. Dem Biathlon sind ein bisschen die Gesichter und der Glamour abhandengekommen, die Charaktere, die sich und den Sport in Szene setzen. Frauen wie Gabriela Koukalová, Darya Domracheva - und bald auch Dorothea Wierer.

Die Talente, die nachkommen, sind zwar auch alle auf Instagram und anderen sozialen Medien vertreten. Doch die neue erfolgreiche Generation scheint bis jetzt in Sachen Show zurückhaltender: ehrgeizig, bodenständig, voll auf den Sport fokussiert. Und trotz ähnlicher Erfolge doch international weniger wahrgenommen.

Für Schlagzeilen sorgte vor der Weltmeisterschaft auch der Italien-interne Streit mit Lisa Vittozzi. Die junge Teamkollegin feuerte vor ein paar Tagen in einem Interview mit "Messaggero Veneto" noch einmal wegen der vergangenen WM in Östersund. Wierer verzichtete da auf den Staffelstart, angeblich aus gesundheitlichen Gründen. Tags darauf gewann sie dann aber Gold im Massenstart.

Vittozzi witterte einen unfairen Vorteil, weil ihr keine Pause gegönnt wurde. Dazu verpasste die Staffel die Medaillen deutlich. Vittozzi war auch aus dem Rennen um den Gesamtweltcup raus - den Wierer gewann. "Ich und Dorothea haben zwei sehr unterschiedliche Charaktere. Und zwei unterschiedliche Charaktere kommen nicht immer gut aus." Sie seien seitdem "keine Freundinnen", sagte Vittozzi. Der Zeitpunkt der Attacke überraschte vor der für beide so wichtigen WM nicht nur die heimischen Medien.

Wierer scheint die Affäre nicht aus der Fassung gebracht zu haben. Sie hat sich viel vorgenommen für die Wettbewerbe in Antholz. Die erste Einzelmedaille nimmt sie schon an diesem Freitag ins Visier. Am Nachmittag (14.45 Uhr, Liveticker auf SPIEGEL.de) startet der Sprint der Frauen. Zwei davon hat sie in diesem Winter schon gewonnen. Dank ihrer gewohnten Schnellschusseinlage und der Kenntnis der Anlage aus zwanzig Jahren Erfahrung stehen ihre Chancen auf einen erfolgreichen Abgang gut.

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