Diskriminierung bei der Wohnungssuche
Keine Wohnung für "Hartz-IV-Empfänger und Immigranten" – Was kann man tun?
by Thomas TaslerIm Vergleich zu Berlin oder München ist es in Sachsen-Anhalt zwar noch lange nicht so schwierig, eine Wohnung zu finden. Doch wer einen fremd klingenden Namen trägt oder auf Geld vom Arbeitsamt angewiesen ist, hat mitunter schlechte Karten, die ersehnte Wohnung auch zu bekommen. Betroffene können sich allerdings gegen diese Diskriminierung wehren – zumindest teilweise.
Wer auf der Suche nach einer neuen Wohnung ist, der schaut vor allem im Internet nach den passenden Angeboten. Auf der Webseite einer Hausverwaltung aus Magdeburg bekommen Mietinteressenten allerdings folgenden Hinweis zu lesen: "An Hartz-IV-Empfänger, Migranten und Immigranten erfolgt keine Vermietung" steht dort unmissverständlich geschrieben.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
Das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll dafür sorgen, dass Menschen weder aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Religion, einer Behinderung oder ihrer sexuellen Identität benachteiligt werden.
Auch gegen die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Alters richtet sich das Gesetz. Benachteiligungen wegen anderer Merkmale wie sozialer Status, Familienstand und Kinderreichtum werden vom AGG jedoch nicht umfasst.
Für den Magdeburger Rechtsanwalt Christian Wiere, der sich vor allem mit dem Miet- und Baurecht beschäftigt, ein klarer Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG): "Das sieht ganz eindeutig vor, dass man beispielsweise wegen seines Alters, Geschlechts und auch seiner Ethnie nicht diskriminiert werden darf. Und der Ausschluss von Mietinteressenten auf dieser Grundlage ist ein ganz klarer Verstoß gegen das AGG."
Ein Verstoß, der für den Vermieter durchaus unangenehme Folgen haben kann, wie Christian Wiere berichtet. Erst im Dezember haben die Richter am Augsburger Amtsgericht in einem ähnlichen Fall geurteilt (AG Augsburg, Az.: 20 C 2566/19). Dort wollte ein Wohnungseigentümer nur an deutsche Staatsangehörige vermieten. Der Mann wurde verklagt und das Urteil war deutlich: "Schlichtweg nicht hinnehmbar" sei die betriebene "offene Benachteiligung von Ausländern". Die Richter verurteilten den Mann zur Zahlung von 1.000 Euro Schadensersatz.
Viele Diskriminierungen werden nicht gemeldet
Eine so offene Diskriminierung wie die in Augsburg oder Magdeburg komme aber nur selten vor, erklärt Wiere: "Weil die Vermieter normalerweise wissen, dass Diskriminierung bei der Wohnungssuche unzulässig ist."
Deutlich häufiger sei hingegen die sogenannte verdeckte Diskriminierung zu beobachten, berichtet Janine Weidanz von der Antidiskriminierungsstelle Sachsen-Anhalt: "Eine Person fragt telefonisch nach einer Wohnung, die online eingestellt wurde und dann klingt der Name vielleicht nicht deutsch oder ein Akzent ist zu hören und dann heißt es auf einmal, die Wohnung sei schon vermietet."
Wie häufig es auf dem Wohnungsmarkt in Sachsen-Anhalt zu Diskriminierung kommt, kann Janine Weidanz zwar nicht sagen, denn meistens würden solche Fälle gar nicht gemeldet. Eine Ende Januar veröffentlichte repräsentative Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt aber, jeder dritte Wohnungssuchende mit Migrationshintergrund erlebt Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt.
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist weit verbreitet. Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat festgestellt, dass jeder dritte Mieter mit Migrationshintergrund das Problem schon erlebt hat.
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"Diskriminierungserfahrungen nicht auf sich sitzen lassen"
Doch gerade weil in Sachsen-Anhalt solche Diskriminierungen bislang kaum gemeldet werden, fordert Janine Weidanz die Betroffenen auf, sich zu wehren: "Um eben auch die Vermieterinnen und Vermieter dazu zu bewegen, dieses diskriminierende Verhalten zu ändern. So lange da niemand sagt, 'Das ist nicht ok, wie ihr euch da verhaltet und dass ihr auf diese Weise Mieter auswählt', wird sich auch das Verhalten nicht ändern."
Auch Rechtsanwalt Christian Wiere empfiehlt Betroffenen, mögliche Diskriminierungserfahrungen nicht auf sich sitzen zu lassen: "Es geht darum, die schwarzen Schafe der Dienstleistungsbranchen sichtbar zu machen. Auch um das gesellschaftliche Zusammenrücken zu ermöglichen."
Daher empfiehlt er, sich entweder an die Antidiskriminierungsstellen zu wenden oder direkt einen Anwalt aufzusuchen: "Das AGG hat seine Feinheiten und da kann ein Rechtsanwalt durchaus helfen zu prüfen, ob da tatsächlich eine Diskriminierung im rechtlichen Sinn vorliegt."
Beweispflicht liegt beim Kläger
Sollte eine solche rechtliche Diskriminierung tatsächlich vorliegen, erklärt Wiere weiter, hätten Betroffene dann zwar die Möglichkeit, auf Schadenersatz oder Unterlassung zu klagen. Allerdings muss die Diskriminierung vor Gericht auch nachgewiesen werden.
Vor allem bei der verdeckten Diskriminierung gestalte sich das mitunter schwierig, räumt auch Christian Wiere ein: "Das sind ja alles Gedankengänge oder Überlegungen des Vermieters, über die es in der Regel keine Korrespondenz gibt. Ich würde sagen, es ist fast unmöglich, eine solche verdeckte Diskriminierung auszuleuchten."
Die einzige Möglichkeit, die verdeckte Diskriminierung sichtbar zu machen, bietet Wiere zufolge nur das sogenannte Testing-Verfahren. Dabei wird geprüft, ob ein Vermieter sich verschiedenen Personen gegenüber unterschiedlich verhält.
Testing-Verfahren können den Nachweis von Diskriminierung erleichtern
Praktisch heißt das, sich zum Beispiel einmal mit einem ausländischen Namen für eine Wohnung zu bewerben und gleichzeitig ein oder mehrmals mit einem typisch deutschen Namen. Wichtig ist dabei, dass alle anderen Merkmale – wie Einkommen, Zahl der Kinder oder das Vorhandensein von Haustieren – nahezu identisch sind. Die so gewonnen Ergebnisse können dann tatsächliche Anhaltspunkte für eine Diskriminierung in einem Gerichtsverfahren liefern.
Doch auch wenn man vor Gericht Recht bekommt – eine Garantie, die gewünschte Wohnung doch noch zu bekommen, sei das nicht, erklärt Christian Wiere. Denn in den Gesetzen sei keine Pflicht zum Abschluss eines Mietvertrages zu finden. Und das gelte letztendlich auch für Vermieter.
Über den Autor
Thomas Tasler arbeitet seit Juni 2019 bei MDR SACHSEN-ANHALT. Er schreibt in der Online-Redaktion und ist als Reporter im Radio zu hören. Bevor der gebürtige Südthüringer nach Magdeburg kam, hat er schon bei MDR AKTUELL und mephisto 97.6 in Leipzig gearbeitet. Ehe es den gelernten Rechtsanwaltsfachangestellen in den Journalismus verschlug, war er mehrere Jahre lang für Anwaltskanzleien in Thüringen und Bayern tätig.
Quelle: MDR/tt