Muss mehrere Jahre ins Gefängnis: Mitarbeiter schleuste Pistolenteile aus Fabrik: „War ihm egal, wo die Waffen landen“
by FOCUS OnlineIn Brotdose und Thermoskanne hat er jahrelang Pistolenteile aus einer Sportwaffenfabrik im Sauerland geschmuggelt, zuhause zusammengebaut und verkauft. Rund 100 Pistolen gerieten in dunkle Kanäle. Der 48-Jährige und einige seiner Abnehmer müssen nun ins Gefängnis.
Er schmuggelte Pistolenteile in Thermoskannen und Brotdosen - und kümmerte sich nicht darum, dass die fertig montierten Waffen in den Händen von Kriminellen landeten.
Mit einem Schuldspruch ist am Donnerstag der Prozess gegen einen geständigen Ex-Mitarbeiter des Sportwaffenherstellers Umarex aus Arnsberg zu Ende gegangen. Das dortige Landgericht verurteilte den 48-Jährigen Deutsch-Portugiesen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten.
Für das Landgericht sei der Prozess ein bislang "einzigartiges Verfahren" gewesen, sagte der Vorsitzende Richter Daniel Langesberg in seiner Urteilsbegründung.
Mit "mühevoller Kleinstarbeit" schmuggelte er Waffen aus dem Knast
Der Richter sprach von "mühevoller Kleinstarbeit", mit der der Angeklagte über Jahre hinweg Pistolenteile aus der Fabrik geschleust und zuhause zu schussfähigen Waffen zusammengebaut habe. Über mehrere Abnehmer gerieten die nicht registrierten und ungekennzeichneten Pistolen dann in kriminelle Kreise, tauchten unter anderem im Rockermilieu und bei anderen Polizeieinsätzen wieder auf.
Mit auf der Anklagebank saßen auch einige Käufer und Weiterverkäufer der Waffen, je nach Verstrickung in diese und andere Geschäfte müssen auch sie hinter Gitter.
Fall begann 2015
Am Anfang stehe der Entschluss des langjährigen Umarex-Mitarbeiters, für sich selbst eine Waffe aus gestohlenen Einzelteilen zusammenzubauen, schilderte der Richter den Fall. 2015 begann der Deutsch-Portugiese demnach in den verschiedenen Abteilungen des Unternehmens zusammenzuklauben, was er dazu brauchte. Er habe problemlosen Zugang zu Konstruktionszeichnungen sowie zu den Teilen der kleinstkalibrigen Pistole Walther P22 gehabt.
Anfangs habe es beim Verlassen des Werksgeländes nur stichprobenartige Kontrollen gegeben. Als Umarex Ende 2017 sein Sicherheitskonzept verschärfte und Schleusen einführte, habe der Angeklagte dann die Pistolenteile besser getarnt - in einer Brotdose oder einer Thermoskanne, wie der geständige Angeklagte ausgesagt hatte.
Knapp 100 Waffen wurden in Umlauf gebracht
Bei einer Pistole blieb es nicht: Das Gericht ging von knapp 100 Waffen aus, die über einen Zwischenhändler in Menden in Umlauf kamen - überwiegend Pistolen des Typs Walther P22, aber auch die durchschlagskräftigeren Walther PK 380. Der 48-Jährige hatte auf dem Schwarzmarkt zunächst nur Munition erwerben wollen und war dann in Kontakt mit einem Mendener gekommen, der Interesse an den Waffen hatte.
Den Zwischenhändler aus Menden verurteilte das Gericht zu einer Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten. Er hatte die Waffen weitergereicht. Zu den größten Kunden gehörte ein 26-Jähriger aus Hagen, den das Gericht zu acht Jahren Haft verurteilte. Dem Drogenabhängigen wurde im Prozess auch bewaffneter Drogenhandel zur Last gelegt. Zwei weitere Abnehmer der Pistolen kamen mit Bewährungsstrafen davon.
Verteidigerin: "Mein Mandant wollte nie Waffenhändler werden"
"Mein Mandant wollte nie Waffenhändler werden", betonte die Verteidigerin des Umarex-Mitarbeiters, Silke Ossendoth, am Rande des Prozesses. "Dass es ihm nicht darum ging, reich zu werden zeigen ja auch die Spottpreise, zu denen er die Waffen weitergab." Für die Walther P22 verlangte der Dieb nur rund 250 bis 350 Euro.
Zum Teil ließ sich der Waffennarr auch in Naturalien bezahlen: Er bekam Munition, einmal ein Repitiergewehr und eine Maschinenpistole als Gegenleistung.
Waffen kamen bei drei versuchten Tötungsdelikten zum Einsatz
Das Leck in der Arnsberger Firma war 2017 augenfällig geworden, nachdem die Polizei bei Einsätzen und Razzien immer wieder nicht registrierte und gekennzeichnete Pistolen einkassiert hatte. Dabei tauchten auffällig oft Waffen eines so nur im Sauerland gefertigten Typs im kriminellen Rockermilieu auf.
Pistolen vom Typ P22 sollen den Ermittlern zufolge beispielsweise bei drei versuchten Tötungsdelikten im aus dem Ruder gelaufenen Streit zwischen den Gruppierungen "Free Way Riders" und "Bandidos" in Hagen zum Einsatz gekommen sein.
Die P22 gehöre zwar zu den kleineren Kalibern, aber auch sie könne tödliche Verletzungen verursachen, sagte Richter Langesberg. In welche illegalen Kreise die Pistolen gelangen, darüber habe sich der Angeklagte keine Gedanken gemacht: "Ihm war es ihm schlicht egal, wo die Waffen landen."
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