Münchner Sicherheitskonferenz: Hoffen auf Macron - DER SPIEGEL - Politik
by Christiane HoffmannAn die 140 Staats- und Regierungschefs, Außen-, Verteidigungs- und sonstige Minister werden an diesem Wochenende aus aller Welt zur 56. Münchner Sicherheitskonferenz anreisen, im Gepäck dürften sie eine Menge Fragen haben: Was ist eigentlich los in Deutschland? Wie lange hält die Große Koalition in Berlin, wird es vielleicht noch in diesem Jahr Neuwahlen geben? Wer folgt Angela Merkel ins Kanzleramt? Und wie stabil sind die politischen Verhältnisse in Deutschland?
Es sind Fragen, auf die sie in München nicht wirklich Antworten bekommen werden, schließlich kennen die Deutschen sie selbst noch nicht. Trotzdem wird in diesem Jahr auf den Fluren und in den Hinterzimmern des Hotels Bayrischer Hof die Lage in Deutschland Gesprächsthema sein wie schon sehr lange nicht mehr.
Auf den öffentlichen Podien wird es dagegen um die Weltlage gehen, die das Konferenzmotto mit dem Kunstwort "Westlessness" zusammenfasst, einer Wortschöpfung, die sowohl den Verlust des Westens als weltpolitischen Akteur als auch die Unruhe - englisch "Restlessness" - anklingen lässt. "Wir erleben einen Epochenbruch, dessen sicherheitspolitische Auswirkungen in unserer Öffentlichkeit noch überhaupt nicht angekommen sind", sagt Konferenzchef Wolfgang Ischinger dem SPIEGEL.
Der ehemalige Diplomat hatte sich im Vorfeld der Konferenz geradezu verzweifelt über die Handlungsunfähigkeit Europas auch in Konflikten in seiner unmittelbaren Nachbarschaft gezeigt. Bei der Vorstellung der Konferenzstudie nannte Ischinger es "zutiefst beschämend", dass die EU in vielen Krisen nicht handlungsfähig sei. "Wieso sind wir eigentlich so total unfähig, einen Beitrag zu leisten, um den Krieg in Syrien zu beenden?"
Von Deutschland ist nichts zu erwarten
Von der deutschen Regierung in ihrer gegenwärtigen Verfassung dürften auf der Konferenz keine Impulse zu erwarten sein, die da Abhilfe schaffen. Stattdessen richten sich die Erwartungen auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der in diesem Jahr das erste Mal in München dabei sein wird, nachdem er im vergangenen Jahr wegen der Gelbwestenbewegung kurzfristig abgesagt hatte.
Macron hatte in den vergangenen Monaten mit Äußerungen zur Sicherheitspolitik für Aufsehen gesorgt. Zuerst diagnostizierte er im vergangenen Herbst den "Hirntod" der Nato, in der vergangenen Woche dachte er in einer Grundsatzrede an der Militärakademie in Paris in erkennbar zurückhaltenderem Tonfall über die Schlussfolgerungen nach, die aus dieser Diagnose folgen.
Der französische Präsident plädierte für eine "gemeinsame strategische Kultur" in Europa, eine Aufforderung, die sich wohl vor allem an Deutschland richtete. In einer Art Doppelinitiative schlug er vor, über eine europäische nukleare Abschreckung nachzudenken und zugleich eine Abrüstungsinitiative auf den Weg zu bringen. Macron wünscht sich einen "strategischen Dialog über die Rolle der französischen atomaren Abschreckung für unsere kollektive Sicherheit".
Lieber nicht über die Atomwaffen sprechen
Von der deutschen Regierung kam bisher eine minimal dosierte Reaktion auf die französischen Vorschläge. Außenminister Maas begrüßte die Abrüstungsinitiative, ging aber nicht auf das Angebot zum strategischen Dialog ein, die Verteidigungsministerin hatte schon vorher wissen lassen, dass sich Deutschland auf den von den USA gestellten Schutzschirm der Nato verlasse.
Während man im Auswärtigen Amt das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen verfolgt und am liebsten gar nicht über europäische Abschreckung nachdenken will, fürchtet man im Verteidigungsministerium offenbar, dass schon das Gespräch über eine europäische nukleare Abschreckung die Nato schwächen oder den USA einen Vorwand liefern könnte, ihre Sicherheitsgarantien infrage zu stellen. Dabei hatte Macron betont, dass er sich das Ganze nicht als Konkurrenz zum transatlantischen Bündnis vorstellt, sondern als Weg, die Allianz zu stärken.
In München wird Macron seine Vorschläge erläutern können, und die deutsche Seite wird Gelegenheit haben, darauf einzugehen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier soll die Konferenz am heutigen Freitagnachmittag mit einer außenpolitischen Grundsatzrede eröffnen, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer spricht am Samstagsnachmittag.
Macrons prominenter Auftritt am Samstag zeigt auch, wie sehr Europa ins Zentrum der ehemaligen "Wehrkundetagung" gerückt ist. Das Transatlantische, traditionell der Kern der Sicherheitskonferenz, ist zwar weiterhin wichtig, aber in Zeiten von Donald Trump nicht mehr Priorität des Treffens. Mit Nancy Pelosi wird Trumps schärfste Widersacherin in München dabei sein, aufseiten der Regierung haben sich Außenminister Mike Pompeo und Verteidigungsminister Mark Esper angesagt, und auch Mitt Romney, der einzige Republikaner, der im Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten stimmte, wird erwartet.
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