"No Time To Die": So klingt Billie Eilishs Titelsong zum kommenden James-Bond-Film - DER SPIEGEL - Kultur
by Tobias RappEs ist ein Bond-Song, das hört man sofort. Von den ersten Takten an, wo sich "No Time to Die" mit einer Spannung aufbauenden Pianolinie anschleicht, die sich dann um Streicher ergänzt wiederholt, um schließlich in Billie Eilishs Stimme zu münden: "I should have known, I'd leave alone…". So geht das seit über 50 Jahren, immer gibt ein Song das Thema des neuen Bond-Films vor. Immer versuchen die Stücke eine ganz bestimmte Mischung aus Glamour und Coolness hervorzurufen. Und seit Shirley Basseys "Goldfinger" sind die Lieder, wenn sie gut sind, fast so wichtig wie der Film.
Ist "No Time to Die" gut?
Dass die Verantwortlichen Billie Eilish die Aufgabe übertrugen, für "Keine Zeit zu sterben", den 25. James-Bond-Film (Filmstart: 2. April), den Ton zu setzen, war so sehr ein Selbstläufer wie ein Zeichen von Mut. Auf der einen Seite hat keine Künstlerin seit Lady Gaga 2008 mehr so einen Popmoment gehabt wie Billie Eilish im Augenblick. Dieses eigenartige, grünhaarige 18-jährige Mädchen aus Los Angeles, die ihr Album "When We All Fall Asleep, Where Do We Go?" zusammen mit ihrem Bruder Finneas zu Hause in ihrem Schlafzimmer produziert hat, und am Ende fünf Grammys dafür bekam. Mit ihrer unbekümmerten und sympathischen Verschlufftheit und mit der mühelosen Art, wie sie minimalistische Beats und eine Teenager-Indie-Rock-Haltung zusammenführt, hat sie einen ganz neuen Ton gesetzt.
Von daher: Ja, ein Star, der gerade so hell strahlt wie Billie Eilish ist natürlich ein Kandidat für einen Bond-Song. Wer sonst? Die Vorgängerinnen sind schließlich Tina Turner, Madonna und Adele. Das ist aber genau das Problem: Wer immer einen der großen James-Bond-Songs sang, tat dies im Zenit seiner Karriere. Nicht am Anfang. Was inhaltliche Gründe hat: Bond-Songs müssen eben auch immer eine gewisse Weltläufigkeit transportieren. Müssen zum Glamour dieses Mannes passen, der auf der ganzen Welt zu Hause ist und sich mit der Selbstverständlichkeit desjenigen bewegt, der schon alles gesehen hat und sich deshalb von nichts mehr schrecken lässt. Und mit 18 Jahren hat man eben noch nicht alles gesehen.
Stripped Down Bond
Billie Eilish (und ihr Bruder, mit dem zusammen sie auch "No Time to Die" geschrieben hat) macht das einzig Richtige: Sie kümmert sich nicht drum. Was immer sich an Bond-Barock angehäuft hat in den vergangenen Jahrzehnten, schiebt sie beiseite.
"No Time to Die" ist ein Eilish-Song mit ein paar Bond-Elementen, der sich an der wahrscheinlichen, tragischen Liebesgeschichte des kommenden Films orientiert, und dem Gefühl des Scheiterns ein paar schöne Zeilen gibt. Stripped Down Bond, wenn man so will. Und in gewisser Weise passt Eilishs dunkler Teenage-Angst-Gesang ja auch zu Daniel Craigs Bond-Interpretation, zu der Coolness, unter der er seine Einsamkeit und seine Ängste versteckt.
Lässt sich etwas ablesen aus dem Song? Außer, dass er nach dem achten Anhören immer noch ziemlich gut ist?
Die Zukunft von James Bond ist ja ähnlich umstritten wie sonst wahrscheinlich nur die von Angela Merkel. Seit Jahren ist klar, dass Craig abtreten wird, dass "No Time to Die" sein letzter James-Bond-Film ist. Wie geht es also weiter? Wer wird der nächste Agent Ihrer Majestät? Es gab eine Weile Gerüchte, Bond könnte schwarz werden, Idris Elba galt als vielversprechender Kandidat. Oder es könnte eine Frau übernehmen. So wie sich die Dinge im Augenblick darstellen, ist beides allerdings unwahrscheinlich. Trotzdem: Ähnlich wie im Fall der deutschen Bundeskanzlerin wird jeder Interviewschnipsel eines Beteiligten, jedes neue Detail aus dem Bond-Camp, das bekannt wird, als Zeichen gelesen. Als Hinweis auf die Zukunft. Ist Billie Eilishs "No Time to Die" so ein Zeichen?
Vielleicht. Nachdem sich die beiden letzten Bondsongs, Adeles "Skyfall" und Sam Smiths "Writing’s on the Wall" vor allem in den historischen Kulissen der Bondgeschichte bewegten - großartig (Adele) und weniger großartig (Smith) –, öffnet sich das Bond-Universum mit Eilish der Gegenwart. Das Orchester, immerhin vom Oscarpreisträger Hans Zimmer arrangiert, ist in den Hintergrund getreten. Einmal drängelt sich eine Gitarre nach vorne, die vom ehemaligen The-Smiths-Musiker Johnny Marr gespielt wird, bei Bond-Songs lässt man sich nicht lumpen. Aber sonst? Es ist ein typischer Eilish-Song, der von den Manierismen ihrer Stimme getragen wird.
Bond hat also eine Zukunft, nicht nur eine Vergangenheit. Das ist doch eine gute Nachricht.
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