Merz will seinen "Beitrag" leisten
CDU-Parteivorsitz
by Angela UlrichTritt er nun an, oder nicht? Ich bin kein Zauderer, sagt Friedrich Merz zwar bei einem Auftritt vor einem Mittelstandsforum. Aber so ganz will er sich doch nicht aus der Deckung wagen.
"Ein Herz für Merz" - Junge Union-Anhänger, vor allem Männer, halten große Pappschilder im Saal in die Höhe. Auf der Balustrade entrollen sie gar eine lange Banderole mit dem Slogan. Friedrich Merz wird schon von einer Woge der Sympathie und des Jubels in das rustikal rot-verplüschte Berliner Ballhaus getragen.
Dort ist sich der Ex-Unionsfraktionschef für diesen Witz nicht zu schade, nach der plötzlichen Rücktrittsankündigung der CDU-Chefin zu Wochenbeginn: "Dieser 10. Februar wird ja in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eingehen als ein Tag des Sturms. Aber nicht nur draußen, sondern auch drinnen. Es ist übrigens reiner Zufall, dass Tiefs im Augenblick Frauennamen haben." Spricht's, und grinst. Der Saal johlt.
Hier, bei einem Mittelstandforum in Berlin-Mitte, erwarten nicht wenige ein Art Erlöser: "Hervorragend, das ist der einzige, den wir weit und breit noch haben, der so einen Job übernehmen kann", sagt ein Mittsechziger. Eine junge Union-Anhängerin hat glänzende Augen: "Ich finde den Mann einfach klasse, denn er redet das, was er denkt, und überzeugend - ich bin schon immer Merz-Fan."
tagesthemen 22:15 Uhr, 13.02.2020, Kirsten Girschick, ARD Berlin
Saal ist überzeugt: Er macht's
Im Saal sind sie überzeugt: Er tritt an. Für den CDU-Vorsitz - und klar - auch fürs Kanzleramt. Friedrich Merz selbst kokettiert, und hält sich doch noch bedeckt:
"Es hätten viele wohl komisch gefunden, wenn ich darüber nicht nachgedacht hätte. Aber wir führen jetzt Gespräche untereinander, miteinander, mit der Parteivorsitzenden, und ich habe das ausdrücklich gesagt, die Parteivorsitzende hat den Anspruch darauf, dass sie diesen Prozess führt."
Aber dass alles schneller gehen müsse, macht Merz doch klar: Ein Sonderparteitag solle her, um die Führungsfrage schnell zu klären. Dann lässt er doch noch mehr durchblicken:
"Ich will dazu einen Beitrag leisten. Ich sehe natürlich auch die Umfragen. Aber die Umfragen sind auch nicht alles…"
Merz im ARD-DeutschlandTrend vorn
Im ARD-DeutschlandTrend liegt Friedrich Merz zweimal vorn: Einmal mit 40 Prozent bei allen Bundesbürgern für die Kanzlerkandidatur, unter CDU-Mitgliedern wollen ihn sogar fast 70 Prozent. Der mögliche Konkurrent Armin Laschet folgt mit deutlichem Abstand, Jens Spahn sogar fast abgeschlagen.
Eines macht Friedrich Merz sehr deutlich: Wenn er antritt, dann will er auch beide Ämter: den Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur, so wie es auch Annegret Kramp-Karrenbauer nahegelegt hat: "Die scheidende Parteivorsitzende hat recht", sagt Merz.
Merz' Kampfansage an die AfD
Inhaltlich präsentiert sich Merz seinen Fans in einer Art Helikopterflug über fast alle innen- und außenpolitischen Themen: Migration, Rente, Brexit, das Verhältnis zu Amerika, Steuern - wobei der Bierdeckel out sei, meint sein Erfinder.
Er distanziert sich von der Werteunion und greift die AfD frontal an: "Wenn ich dazu beitragen kann, dass dieses Gesindel wieder verschwindet, dann leiste ich diesen Beitrag dazu, dass wir das hinkriegen, um das mal ganz klar und deutlich zu sagen."
Später will Merz vom Wort "Gesindel" zwar nichts mehr wissen, wiederholt aber sein Versprechen, die Wählerschaft der AfD halbieren zu können. "Also so viel Grüne können wir gar nicht verlieren, wie wir auf der anderen Seite dazu gewinnen könnten von denen, die uns mal gewählt haben."
Merz nicht unumstritten
Im Ballhaus Berlin kommt das an: "Wunderbar, die Rhetorik, die Schlagkraft - er ist authentisch und hat eine klare Meinung, und ich glaube, dass er das kann!"
Dass Merz auch viele Gegner hat, und die Union spalten statt einen könnte, ist für diesen abendlichen Besucher, den umstrittenen Polizeigewerkschafter Rainer Wendt, abwegig: "Friedrich Merz ist kein Spalter, sondern jemand, der zusammenführt. Und dass er viele Gegner hat, zeigt, dass er ein klares Profil hat. Keine Gegner zu haben hat auch etwas mit Nicht-Wiedererkennungswert zu tun, und das wäre auch fatal."
Er will, hat Friedrich Merz an diesem Abend klar gemacht. Was genau, sagt er aber noch nicht.
Angela Ulrich, ARD Berlin
14.02.2020 06:15 Uhr