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Smartphone aus Kalifornien, KI aus Linz: Auch Apples Siri basiert auf Methoden, die von Sepp Hochreiter entwickelt wurden. (c) REUTERS (Suzanne Plunkett)

Künstliche Intelligenz aus Europa

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Um von der globalen Konkurrenz nicht abgehängt zu werden, haben sich europäische Experten für maschinelles Lernen zusammengetan – Österreich ist vorn mit dabei.

Hey, Siri, wie wird das Wetter? O. k., Google, wann fährt die nächste U-Bahn? Alexa, kauf mir ein Paar Socken! Wer heutzutage in seinem Mobiltelefon oder Lautsprecher einen Gesprächspartner sieht, wird längst nicht mehr schief angesehen, sondern bekommt in vielen Fällen sogar sinnvolle Antworten von den aufmerksam lauschenden Geräten.

Inzwischen nutzen alle Giganten der Internetbranche für ihre Produkte die Methoden der künstlichen Intelligenz (KI): Neben der Spracherkennung kommt sie auch beim Übersetzen und Vervollständigen von Wörtern und Sätzen, bei Werbeeinschaltungen, der Gestaltung von Websites und in unzähligen weiteren Bereichen zum Einsatz. Fristet man sein Dasein also nicht in völliger Verweigerung digitaler Medien, kommt man unweigerlich mit künstlicher Intelligenz in Berührung.

 

Ein Mojito statt Milliarden Euro

Den wenigsten dürfte dabei bewusst sein, dass wesentliche Grundlagen für den weltweiten Einsatz der KI aus Österreich stammen, genauer: von der Forschungsgruppe um Sepp Hochreiter an der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU). Der Informatiker entwickelte Methoden wie „Long Short-Term Memory“ oder „Self-Normalizing Networks“, die großen Konzernen inzwischen riesige Gewinne bescheren.

„Auf einer Konferenz im kalifornischen Long Beach wurden einmal extra Leute von Amazon eingeflogen, die mir die Hand schütteln wollten, weil sie mit den von uns entwickelten Methoden gerade eine Milliarde Euro Umsatz gemacht hatten. Später haben die mir auf einer Party dann dafür einen Mojito ausgegeben“, erinnert sich Hochreiter an eine eher skurrile Begegnung. Der Informatiker hat aus ihr aber eine wichtige Lehre gezogen: „Das nächste Mal sollte etwas mehr für uns drin sein als ein Mojito!“ Hochreiter spricht damit eine generelle Schieflage in der Entwicklung und Nutzung der KI an: Die meisten der führenden Forschungslabors für die zukunftsweisende Technik befinden sich in Nordamerika, die größten Investitionen stammen aus den USA und China. Gleichzeitig wird ein Großteil der Grundlagenforschung mittlerweile von Unternehmen getätigt, die mit hohen Gehältern und verlockenden Arbeitsbedingungen die Wissenschaftler aus der akademischen Forschung abwerben.

Um dieser Entwicklung entgegenzutreten und zu verhindern, dass die Forschung in Europa speziell im Bereich des maschinellen Lernens ins Hintertreffen gerät, haben die in dieser Disziplin führenden europäischen Wissenschaftler bereits 2018 das Ellis (European Lab for Learning and Intelligent Systems)-Netzwerk gegründet. Zum Jahreswechsel wurden nun auch die 17 daran beteiligten Arbeitsgruppen bekannt gegeben – darunter gleich zwei aus Österreich, eines an der JKU, koordiniert von Hochreiter, das andere am Institute of Science and Technology (IST) Austria in Niederösterreich.

„Im Ellis-Netzwerk haben sich die besten KI-Forscher europaweit zusammengetan und eine Initiative gegründet, um die KI-Strategie in Europa mitzugestalten“, erklärt Hochreiter die Motivation für die Gründung. „Wir wollen die besten Köpfe in Europa halten und neue Talente für die KI interessieren. Aber auch die Industrie soll mit eingebunden werden, denn die Forschungsergebnisse werden in der Branche sehr schnell kommerzialisiert, und wir wollen, dass die Methoden, die in Europa erfunden werden, auch hier zu den Firmen gelangen.“ In der ersten Runde finanzieren sich die einzelnen Gruppen selbst, über fünf Jahre sind jeweils 1,5 Millionen Euro vorgesehen.

Dieser Bottom-up-Ansatz sei wichtig, betont der Forscher, um die Ellis-Mitglieder unabhängig und ohne Vorgaben ausschließlich nach ihren wissenschaftlichen Leistungen auswählen zu können. In der nächsten Runde soll aber um Förderungen der EU geworben werden, Gespräche mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen seien bereits in seinem Terminkalender, so Hochreiter.

An seinem Institut für maschinelles Lernen an der JKU arbeitet er neben den bekannten Projekten, etwa zum autonomen Fahren oder zur Medikamenten-Entwicklung, an zwei neuen Highlights: an strategischen Simulationen für die Feinstaubbelastung in Wien und am Einsatz von KI für die Klimaforschung. Letzteres Projekt sei so beliebt, dass Google dafür sogar eine PhD-Stelle finanziert habe – laut Hochreiter ohne Gegenleistung, allein um das öffentliche Image der KI zu verbessern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2020)