Serienkolumne
Nerd-Misogynie
by Sonja ThomaserDie Botschaft von „The Big Bang Theory“ ist nicht, dass Sexismus toll ist. Es ist noch schlimmer: Die Serie vermittelt, dass er harmlos ist. Die Serienkolumne „Nächste Folge“.
„Frauen sind wie ein Eiersalatsandwich an einem heißen Tag in Texas. Voller Eier und nur eine kurze Zeit reizvoll.“ Stellen wir uns mal vor, Donald Trump hätte diesen Satz gesagt. Der Aufschrei und die Empörung wären zu Recht groß. Der Satz ist sexistisch und frauenverachtend.
In Wahrheit wurde dieser Satz aber von Sheldon Cooper in der Comedy-Serie „The Big Bang Theory“ gesagt. Der Satz wird von dem allseits bekannten Studiogelächter untermalt, witzig, haha, dieser sexistische Sheldon. Er sagt es nicht im Scherz, nein, er sagt das im Ernst zu einer Kollegin. Aber die eingespielten Lacher suggerieren: Das ist lustig, Sheldon und seine Macken halt.
„The Big Bang Theory“ war eine lustige Serie, keine Frage. Sie war verschroben, rührend und klischeehaft. Nun ist es vorbei. Nach zwölf sehr erfolgreichen Staffeln sagen die Nerds „Bye-bye“. Aber es sind Szenen wie die oben beschriebene, die einem das Lachen im Hals stecken bleiben lassen. Denn der Umgang der Serie mit Sexismus ist mehr als grenzwertig.
Ein höchst problematisches Frauenbild
Sheldons Verhalten kommt als „unschuldig“ daher, zeigt aber in einer Art beiläufiger Misogynie ein höchst problematisches Frauenbild, in dem Frauen fast entmenschlicht werden. Das soll witzig sein, weil Sheldons Charakter so konzipiert ist, dass er „zu schlau“ ist, um zu verstehen, was sozial angemessen ist. Aber wenn er Frauen herabsetzt, ist es ganz bewusst, weil sie Frauen sind. Und dass das witzig sein soll, verstehe wer will.
Howard ist ein Stalker und Sexist. Sei es eine versteckte Kamera in einem Teddy oder großangelegte Stalking-Aktionen – Howard belästigt Frauen. Zur Verantwortung gezogen wird er dafür nie. Raj steht Howard nur wenig nach, insbesondere, wenn er betrunken ist. Leonard rollt bei chauvinistischen Sprüchen zwar mit den Augen, konfrontiert seine Freunde aber nicht mit ihrem Verhalten.
Dass die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer „The Big Bang Theory“ nicht irgendwann als sexistischen Mist abtun, liegt zum einen an dem ironisch gestalteten Humor. Da die nerdigen Männer nicht ins klassische Machobild des sexistischen Frauenhelden passen, ist es witzig, dabei zuzusehen, wie sie sich aber dennoch so verhalten. Wenn Raj ruft: „Sperrt eure Töchter ein, wir werden sie knallen und lassen sie dann fallen“ ist der eigentliche Witz nicht die frauenverachtende Aussage, sondern es wird sich darüber lustig gemacht, dass die Nerds nicht traditionell maskulin genug sind, dieses Verhalten glaubwürdig rüberzubringen. Das Problem: Der Spruch ist dadurch nicht weniger sexistisch.
Die Serie ist außerdem so geschrieben, dass das Publikum das sexistische Verhalten der Hauptcharaktere auch als solches wahrnehmen soll. Die Autoren wollen Kritik aus dem Weg gehen, indem sie einfach selbst darauf hinweisen und zeigen, dass sie sich dessen bewusst sind. Das Problem ist aber, dass so Sexismus nicht kritisiert oder verurteilt wird. Es wird lediglich seine Existenz auf humorvolle Art erkannt – wie bei Sheldons Eiersalatsandwich.
Nur weil es lächerlich ist, ist es nicht harmlos
Die Botschaft von „The Big Bang Theory“ ist nicht, dass Sexismus toll ist. Es ist noch schlimmer: Die Serie vermittelt, dass er harmlos ist. Und zwar, wenn er von sozial inkompetenten Nerds kommt. Ihr sexistisches Verhalten soll lächerlich wirken und wird so als harmlos dargestellt.
Man muss fairerweise sagen, dass zumindest die grenzwertigen Sprüche zum Ende hin weniger wurden. Einen gelungenen Umgang mit Sexismus hat die Serie aber nie hinbekommen.
Nur weil in „The Big Bang Theory“ eine nerdige Version von Maskulinität gezeigt wird, die anders ist, als der Hollywood-Archetyp, heißt das nicht, dass der Sexismus dadurch irgendwie anders zu bewerten ist. Misogynie ist nie witzig, harmlos und süß. Auch nicht, wenn sie von Männern kommt, die „Dungeons and Dragons“ spielen.
Die letzte Staffel „The Big Bang Theory“ läuft jetzt auf Netflix.