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Die Provinz Hubai ist praktisch abgeriegelt. REUTERS

Chinesische Experten: Coronavirus so infektiös wie Influenza

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Die Zahl der Todesopfer in China ist drastisch auf 213 gestiegen. Die Infektionen kletterten auf mehr als 9800. In Bayern erkrankt erstmals ein Kind. Russland rät seinen Bürgern von Küssen und Umarmungen ab.

Die Infektionen und Todesfälle durch das neuartige Coronavirus in China haben den bisher größten Anstieg innerhalb eines Tages verzeichnet. Die Zahl der nachgewiesenen Erkrankungen kletterte auf fast 10.000, wie die Gesundheitskommission am Freitag in Peking berichtete. Die Zahl der Toten stieg auf 213. Dies teilte die chinesische Regierung am Freitag mit.

Der Ausbruch der "akuten Atemwegserkrankung", wie sie jetzt offiziell genannt wird, zählt damit schon deutlich mehr Infektionen als vor 17 Jahren die SARS-Pandemie mit 8096 Fällen. Damals starben 774 Menschen durch das "Schwere Akute Atemwegssyndrom" (SARS). Der neue 2019-nCoV-Erreger ist eine Variante des Sars-Virus.

Das neue Coronavirus sei so infektiös wie die Influenza, aber deutlich weniger als die Masern, schreiben chinesische Experten im renommierten New England Journal of Medicine. Die Forscher werteten die Daten von 425 Coronavirus-Patienten aus Wuhan aus. Die mittlere Inkubationszeit beträgt 5,2 Tage. 95 Prozent der Erkrankungen traten innerhalb von 12,5 Tagen auf, was für eine 14-tätige Quarantäne von Betroffenen sprechen. Es sei bemerkenswert, dass bisher kaum Kinder betroffen gewesen sein.

"Im Anfang verdoppelte sich die Epidemie alle 7,4 Tage", schrieben die Experten. "Die Basis-Reproduktionszahl (R0; Anm..) betrug 2,2." Die Basisreproduktionszahl liegt beim Keuchhusten (bakterielle Infektion) zwischen zwölf und 17, bei den Masern zwischen zwölf und 18. Für die saisonale Influenza geht man von Werten zwischen 1,2 und zwei aus. Damit ist 2019-nCoV nicht nur nach den Erwartungen der Experten, sondern auch aufgrund von harten Daten bezüglich der Infektiosität mit der Influenza vergleichbar. 

Erste Fälle in Russland und Großbritannien

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte die rasante Ausbreitung des Virus am Donnerstag zu einer "gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite". Das bedeutet, dass die mehr als 190 Mitgliedsländer von der WHO empfohlene Krisenmaßnahmen untereinander koordinieren. Bisher wurde ein Notstand fünf Mal ausgerufen, unter anderem 2014 während der Ebola-Epidemie in Westafrika oder 2016 angesichts des Zika-Virus.

Weltweit sind Infektionen in mehr als 20 Ländern festgestellt worden. In Deutschland sind inzwischen sechs Fälle bekannt: Fünf Mitarbeiter des im oberbayerischen Starnberg angesiedelten Automobilzuflieferers Webasto und ein Kind eines infizierten Mannes. Somit ist zum ersten Mal in Deutschland ein Familienmitglied eines schon Infizierten erkrankt. In Großbritannien und Russland sind am Freitag erstmals jeweils zwei Patienten identifiziert worden. Auch Italien bestätigte die ersten zwei Infektionen mit dem Coronavirus - es handelt sich um chinesische Touristen in Rom - und rief einen sechsmonatigen Gesundheitsnotstand aus. In Österreich bestätigte sich ein siebenter Verdachtsfall am Freitag nicht.

Die Ausrufung des internationalen Gesundheitsnotstandes hat für die Praxis in Österreich zunächst keine Auswirkungen, weil sich Österreich ohnehin an die Empfehlungen der WHO hält, wie das Gesundheitsministerium auf Anfrage mitteilte. "Sollten die Empfehlungen strenger werden, wird sich Österreich selbstverständlich daran halten", hieß es weiter.

Deutschland warnt vor unnötigen Reisen

Wegen der Ausbreitung der Lungenkrankheit hat das US-Außenministerium eine Reisewarnung für ganz China erlassen: US-Staatsbürger sollten nicht mehr nach China reisen, Amerikaner im Land sollten die Ausreise in Betracht ziehen. In den USA gibt es bisher sechs bestätigte Fälle des Virus. Das Auswärtige Amt in Berlin warnte am Freitag vor Reisen in die am stärksten betroffene Provinz Hubei, empfahl aber in einer Teilreisewarnung, nicht notwendige Reisen nach China "nach Möglichkeit" zu verschieben. Auch Österreich und Japan raten ihren Bürgern, auf nicht notwendige Reisen nach China zu verzichten.

Die russischen Behörden raten von Küssen, Umarmungen und Händeschütteln zur Begrüßung ab. Zudem sollten in der Öffentlichkeit Schutzmasken getragen werden, um die Ansteckungsgefahr zu verringern, teilt die Behörde für Verbraucher- und Gesundheitsschutz mit. Firmen mit chinesischen Mitarbeitern, die sich derzeit in China aufhielten, sollten den Urlaub dieser Beschäftigten bis auf weiteres verlängern.

Österreicher fliegen am Wochenende zurück

Unterdessen ging die Rückholung ausländischer Staatsbürger aus der Millionenmetropole Wuhan in der Provinz Hubei weiter. Eine französische Militärmaschine mit rund 200 Bürgern hob Freitagfrüh von Wuhan ab. Auch Südkorea holte 350 seiner Landsleute mit einem Charterflug aus der betroffenen Region.

Am kommenden Wochenende sollen auch die sieben Österreicher aus der Provinz zurückgeholt werden. Der Plan ist demnach, dass sie in der Nacht auf Sonntag mit einem Airbus A380 nach Frankreich ausgeflogen werden. Das Bundesheer schickt dann eine C130 nach Frankreich, die die Staatsbürger abholen soll.

Die USA und Japan hatten bereits am Mittwoch insgesamt rund 400 Bürger aus Wuhan ausgeflogen. Auf der anderen Seite kündigte Peking am Freitag an, Bürger aus der betroffenen Provinz Hubei, die sich im Ausland aufhalten, „so rasch wie möglich“ mit Chartermaschinen zurückzuholen.

>>> Live-Karte zeigt Ausbreitung des Virus

(APA/red.)