Sparverträge futsch: Sparkassen verprellen Zehntausende Kunden - und schieben Schwarzen Peter der EZB zu
by FOCUS OnlineZehntausende Sparkassen-Kunden verlieren ihre Sparverträge.Grund sind laut der Banken in NRW Negativzinsen. Die Sparkassen stützen sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Verbraucherschützer raten den Betroffenen: Sich gegebenenfalls Hilfe suchen.
Die Sparkasse Krefeld und die Sparkasse Duisburg/Kamp-Lintfort leiden wie viele andere Geldhäuser unter den Minuszinsen der EZB. Deshalb fällt es schwer, hohe Zinsen für alte Kunden-Sparverträge aufzubringen. Beide Häuser ziehen daher nun die Reißleine.
Die Krefelder Sparkasse verschickt derzeit Kündigungsschreiben an 12.500 Kunden, wie die „Westdeutsche Zeitung“ (WZ) berichtet.
Das Geldhaus will zum 30. März alle Ratensparverträge mit mindestens 15-jähriger Laufzeit kündigen, wenn das 15. Sparjahr bereits abgelaufen und die Höchstprämie erreicht ist. Die betroffenen 12.500 Sparverträge bilden rund vier Prozent aller Sparkonten der Sparkasse. Es geht um das Produkt „S-Prämiensparen flexibel“.
„Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass diese Maßnahme unsere langjährige, treue Kundschaft betrifft. Sie fällt uns daher nicht leicht, ist aber im Kontext der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unvermeidlich“, zitiert der Bericht aus einer Mitteilung der Sparkasse.
Auch Duisburger Sparkasse verprellt Sparer
Die Sparkasse Duisburg/Kamp-Lintfort reagiert auf hochverzinste Sparverträge ihrer Kunden ebenfalls mit Kündigungen, wie die "WAZ" berichtet. Hier geht es um 11.500 Verträge, die bis zum 30. Juni beendet werden sollen.
Verbraucherschützer raten Kunden zur genauen Prüfung der Schreiben
Die Verbraucherzentrale NRW betont, grundsätzliche Aussagen über die Rechtmäßigkeit der Kündigungen seien nicht möglich. Sie hat aber einen Ratschlag für Betroffene: Sie sollten auf die Begründung der Kündigung achten und die Zinsberechnung kontrollieren. Fühlten sich betroffene Sparer unsicher, sollten sie Rat bei Rechtsanwälten oder der Verbraucherzentrale einholen.
Sparkassen schieben der EZB den schwarzen Peter zu
Die Sparkassenführungen in Krefeld und Duisburg begründen ihre drastische Maßnahme ausdrücklich mit Hinweisen auf die seit Jahren geltenden Negativzinsen, die die Europäische Zentralbank (EZB) vorgibt. Geldhäuser müssen für ihre Pflichteinlagen bei der EZB Minuszinsen von 0,5 Prozent zahlen. Das bedeutet: Parkt ein Geldhaus bei der EZB beispielsweise eine Million Euro, werden darauf pro Jahr 5000 Euro Strafgebühren fällig.
Die jetzt gekündigten Sparverträge seien vor der Finanzkrise im Jahr 2007 abgeschlossen worden. Die aktuelle Zinspolitik sei damals unvorstellbar gewesen, so die Sparkasse Krefeld laut dem Bericht. Die aktuellen Bedingungen erschwerten es, die nötigen Erträge zu erwirtschaften, um die Sparprämien aufzubringen.
EZB hält an expansiver Geldpolitik fest
Hinsichtlich der Negativzinsen der EZB ist kein Ende in Sicht: Die Zentralbank hält auch unter ihrer neuen Chefin Christine Lagarde an der expansiven Geldpolitik fest. Sollte sich für 2020 eine Verbesserung der konjunkturellen Lage abzeichnen, rechnen Finanzexperten wie Carsten Mumm, Chefsvolkswirt bei Donner&Reuschel, aber damit, dass zumindest die negativen Einlagenzinsen für Banken etwas steigen werden.
Banker berufen sich auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Die angespannte Zinslage bildet aus Sicht der Sparkasse Krefeld einen „sachgerechten Grund“, mit dem das Geldhaus laut seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Kündigung aussprechen kann. Dabei beruft sich die Sparkasse auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Die Richter hatten am 14. Mai 2019 geurteilt, dass ein solcher sachgerechter Grund vorliege, „wenn die Umstände, die die Sparkasse zur Kündigung veranlassen, derart beschaffen und zu bewerten sind, dass ein unvoreingenommener, vernünftiger Beobachter das Verhalten der Sparkasse für eine nachvollziehbare und der Sachlage nach angemessene Reaktion halten muss“ (BGH XI ZR 345/18).
Betroffene Kunden erhalten bis spätestens 30. März die Kündigung ihres Vertrages mit einer Frist von drei Monaten, wie es in dem Bericht heißt. Das bedeutet: Die Kündigung tritt zum 30. Juni in Kraft. Danach will die Sparkasse die anteilige Prämie für 2020 ihren Kunden gutschreiben.
Surftipp: Sparkasse - Kontaktdaten und Hotline
So kommentierten FOCUS Online-Leser den Beitrag:
"Bei Sonnenschein schenken sie dir einen Regenschirm, regnet es, nehmen sie ihn dir wieder weg. Die Banken müssen sich über ihr 'positives' Image keine Sorgen machen."
"Dass unsere Banken mit solchen Zinsen vor 15 Jahren nicht rechnen konnten, ist verständlich. Dass die Banken dann versuchen, die Sparverträge zu kündigen, die sie Monat für Monat in die roten Zahlen treiben, ist auch verständlich. Ob das jedoch rechtlich zulässig ist, wird noch zu prüfen sein. Einen Immobilienkredit bekomme ich aktuell für 0,65 Prozent, für zehn Jahre fest bei meiner Hausbank, wie soll dann eine Bank 3 oder mehr Prozent Zinsen zahlen. Wir Deutsche legen unser Geld gerne bei der Bank fest und sicher an und erwarten, dass es sich automatisch vermehrt. Tut es nicht mehr. Die Zeiten haben sich geändert. Kreditnehmer und Geldanleger müssen in Fonds u.Ä. investieren. Das ist nicht so sicher, dafür gibt es jedoch viel viel höhere Renditen."
FOCUS Online versorgt Sie täglich mit den wichtigsten Nachrichten direkt aus der Redaktion. Hier können Sie den Newsletter ganz einfach und kostenlos abonnieren.
Volksbank immer dreister: Kunden müssen fürs Geldabheben zahlen – trotz Kontogebühr
Kein einziger Minister da: Bundestag unterbricht nach Wut-Rede Sitzung
„Banken“ abonnieren