Barbara Sukowa wird 70
Thai-Boxen zwischen Handke und Schönberg
by Gerd Roth • Fassbinder entdeckte sie für „Berlin Alexanderplatz“, mit von Trotta drehte Barbara Sukowa „Bleierne Zeit“ oder „Hannah Arendt“.
• Zwischen Theater und Film hat die Schauspielerin eine enorme Spannweite.
• Und dann gibt es da noch die Musik.
Berlin/Brooklyn - „Eine Karrierestrategie hab ich nie gemacht.“ Dabei hätte Barbara Sukowa eine Menge zu planen gehabt. „Alles, was auf mich zukam, habe ich gemacht“, erzählt die Schauspielerin im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin. Entsprechend vielseitig ist das Repertoire von Theater über Film bis zu klassischen Konzerten und Rockmusik, auf das sie zurückblicken kann. Am Sonntag (2. Februar) wird Barbara Sukowa 70 Jahre alt.
Seit fast drei Jahrzehnten lebt die in Bremen geborene Sukowa im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Irgendwie beginnt auch alles in den USA: Als Austauschschülerin in den 60ern in Kalifornien spielt Sukowa im Schultheater. Die Auszeichnung, die sie dort erhält, sieht sie noch heute als Beginn ihrer Schauspielkarriere.
Barbara Sukowa reizt „ein Drehbuch, ein guter Regisseur oder Regisseurin“
In Deutschland markiert die renommierte Berliner Schauspielschule „Max Reinhardt“ Ende der 60er Jahre den Startpunkt. Es folgen Engagements in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Salzburg mit Stoffen von Shakespeare bis Handke unter Regisseuren wie Luc Bondy, Peter Zadek oder Ivan Nagel. Ein vergleichsweise wenig ausgeprägter Respekt vor Autoritäten bringt ihr den Beinamen „rote Barbara“ ein.
Die Mieze in Rainer Werner Fassbinders Verfilmung von Döblins „Berlin Alexanderplatz“ ist der Durchbruch zu den großen Filmrollen. Sukowa dreht „Lola“ mit Fassbinder, verkörpert die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin in Margarethe von Trottas „Die bleierne Zeit“. Für die Regisseurin schlüpft sie später auch in die ebenfalls ausgezeichneten Titelrollen von „Rosa Luxemburg“ oder „Hannah Arendt“.
Was kann da noch an Angeboten kommen? „Mich reizt an einer neuen Rolle eigentlich das Gleiche, was mich immer gereizt hat: ein Drehbuch, ein guter Regisseur oder Regisseurin“, sagt Sukowa. Die Rolle müsse irgendwas haben, was es zu entdecken gebe. „Manchmal habe ich eine Rolle gespielt und dann wird mir eine sehr ähnliche angeboten. Das mache ich dann nicht so gern. Ich würde dann lieber mal wieder was anderes machen.“ Große Namen zählen für Sukowa nicht unbedingt bei der Entscheidung für eine Rolle. „Der Unterschied liegt zwischen Talent und nicht so viel Talent.“
Der Schritt von Berlin nach New York, wo Sukowa seit Anfang der 90er Jahre mit dem US-amerikanischen Künstler Robert Longo lebt, ist ihr nicht leicht gefallen. „Das habe ich schon bedauert, als ich in New York war und dachte: Jetzt geht's los, gerade wird es interessant in Deutschland, jetzt wird es spannend.“ Es ist die Zeit der beginnenden Wiedervereinigung. „Wie fügt sich das zusammen, Ost und West? Da war ich schon zerrissen“, berichtet sie rückblickend.
Neben dem Schauspiel hat Sukowa auch eine musikalische Karriere
Neben den viele Rollen und Engagements steht die Erziehung von drei Kindern. „Ich habe immer dazu geneigt, sehr viel in die Familie zu geben.“ Angesichts inzwischen erwachsener Söhne hat sich das gewandelt. „Zum ersten Mal stehe ich wirklich im Vordergrund und kann mich mit mir selber mehr beschäftigen als mit meiner Familie.“ Das sei eine neue Erfahrung, „die finde ich auch spannend“. Zeit auch für Arbeit im Garten, wo Sukowa auch schon mal „tolle große Zucchini“ erntet, mit „hochrotem Kopf, total verschwitzt“.
Neben dem Schauspiel hat sich Sukowa zudem ein musikalische Karriere aufgebaut. „Ich habe angefangen mit der Musik, weil das Schönberg Ensemble mir damals angeboten hat, „Pierrot lunaire“ zu machen.“ Sie habe sich damit beschäftigt und dann zugesagt. „Das hat irgendwie Beachtung gefunden in der Musikwelt.“ Daraufhin seien ihr andere Sachen in der klassischen Musik „in so einer Nische quasi“ angeboten worden. Schönbergs „Gurre-Lieder“ hat sie gerade in Paris und London gemacht. Zudem geht es auch rockig: Mit Ehemann Longo spielt sie als Barbara Sukowa & The X-Patsys.
Die verschiedenen Stränge ergänzen sich. „Dass ich Theater gespielt habe, nützt natürlich für so einen Sprechgesang wie Schönbergs „Gurre-Liedern“. Das Musikalische, das Rhythmische, was ich gelernt habe, ist als Schauspielerin gut“, sagt Sukowa. Aus ihrer Sicht befruchtet sich alles gegenseitig. „Ob das für Zuschauer auch so ist, kann ich nicht beurteilen. Aber ich finde es spannend.“
Zum Ausgleich streift sich Sukowa auch schon mal Boxhandschuhe über. Pilates sei langweilig, bei Yoga tue sie sich immer weh. Ihr Sohn habe ihr eine Trainerstunde Muay Thai geschenkt. Allerdings hält sie der Beruf mit viele Reisen von regelmäßigem Training ab. „Aber ich könnte ja die Boxhandschuhe mitnehmen und dann im Hotelzimmer schattenboxen.“ (dpa)