Kommentar: Brüssel muss aus seinen Brexit-Fehlern lernen - auch in der Migrationsfrage
Die Fehler der Europäer beim Brexit
by Georg AnastasiadisEuropa hat die aus der EU strebenden Briten erst wie unvernünftige kleine Kinder behandelt und sie dann zu Opfern rechter Verführer stilisiert. Die Frage, dass das Unbehagen über Brüssel auch andere Gründe haben könnte, haben sich die selbstgewissen Eliten Kontinentaleuropas nicht gestellt. Sie müssen aufpassen, dass sie ihre Fehler nicht wiederholen. Das betrifft auch den Umgang mit Griechenland und dessen Versuch, sich gegen Schleuser zu wehren.
Um Mitternacht beginnt Tag eins einer neuen europäischen Ära – eine Ära ohne die Briten in der EU. Wäre es nach den Wetten zahlreicher Experten in der Brüsseler und Berliner Blase gegangen, hätte dieser Tag nie anbrechen dürfen. Bis zuletzt glaubten viele an einen Betriebsunfall. Und daran, die Untertanen ihrer Majestät würden schon noch zur Besinnung kommen. Erkennen, dass sie Scharlatanen oder, schlimmer, rechten Verführern aufgesessen sind. Doch nichts davon geschah. Die Briten bekräftigten ihre Brexit-Entscheidung in einer Parlamentswahl, in der sie ihrem Premier einen Wahltriumph schenkten. Einen Sieg, von dem Regierende andernorts gar nicht mehr zu träumen wagen, am wenigsten Königin Angela Merkel in Berlin.
Man hat nicht den Eindruck, dass die festlandseuropäischen Eliten aus ihren Fehlern gelernt hätten. Schon drohen Vertraute des Franzosen Macron der abtrünnigen Insel mit einem „wirtschaftlichen no-Deal“; andere frohlocken, das Königreich werde bald in seine Einzelteile zerfallen. Die sitzengelassene EU bleibt im Abstrafmodus, statt ihre Lehren zu ziehen aus dem demokratischen Misstrauensvotum, das ihr eines ihrer großen Völker unter Inkaufnahme großer Risiken verpasst hat. Wichtiger als die Nähe zu den Menschen nimmt Brüssel seine Glaubensbekenntnisse: Ein guter Europäer hat sich zu den Segnungen der „ever closer union“, der immer engeren Union, zu bekennen, zu möglichst freizügiger Migration und der Überwindung des Nationalstaats. Dabei bleibt dieser, auch in Zeiten unbestreitbar nötiger intensiver europäischer Kooperation, der zentrale Bezugsrahmen für die Bürger.
Beispiel gefällig? Anders als Merkel, die 2015 zum Entsetzen auch der meisten Briten erklärte, sie könne Deutschlands Grenzen nicht vor Migranten schützen, schickt sich die neue Regierung in Athen an, Schleuserkriminellen mit schwimmenden Barrieren in der Ägäis das Geschäft zu erschweren. Und die deutsch geführte EU, die das kleine Land in seinem Kampf gegen die anschwellende irreguläre Migration im Stich lässt, runzelt schon wieder die Stirn. Wenn Europa so weitermacht, werden die Briten nicht die letzten gewesen sein, die sich von ihm abwenden.