Aktiendeals

Banken drohen nach Cum-Cum-Urteil hohe Steuerrückzahlungen

Das Finanzgericht Hessen schmettert die Klage eines Instituts ab, das Kapitalertragsteuer aus Cum-Cum-Deals erstattet haben wollte. Die Entscheidung hat Folgen für die gesamte Branche.

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Frankfurt

Die Zahl der potenziell betroffenen Geldhäuser ist groß.(Foto: dpa)

Düsseldorf. Der Kläger will nicht, dass sein Name öffentlich wird. Er hat die mündliche Verhandlung am hessischen Finanzgericht zur Geheimsache erklärt, die Türen des Gerichtssaals blieben für das Publikum geschlossen. Nicht verhindern konnte er die Niederlage – und die könnte teuer werden. Um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag soll es gehen, berichten Kenner des Falls. Doch die Auswirkungen dürften weit über diesen Einzelfall hinausgehen. Zig ähnliche Modelle aus der Finanzindustrie liegen noch zur Entscheidung bei den Betriebsprüfungen.

Worum geht es? Der vom Hessischen Finanzgericht entschiedene Fall dreht sich um ein so genanntes Cum-Cum-Geschäft. Bei diesen Geschäften werden Aktien ausländischer Anteilseigner vor dem Dividendenstichtag an inländische Gesellschaften, zumeist Banken, verkauft oder verliehen. Nach dem Dividendenstichtag gehen die Papiere zurück an die ursprünglichen Aktionäre. Ziel der Deals ist es, die gesetzlich vorgesehene pauschale Versteuerung ausländische Dividendenerträge zu umgehen. Wie bei den Cum-Ex-Geschäften erfolgte der Handel rund um den Ausschüttungstermin. 

Seit der Körperschaftsteuerreform 2001 florierten die Cum-Cum-Geschäfte, bis der Gesetzgeber sie schließlich 2016 abstellte. Das Volumen des Handels war enorm, denn deutlich mehr als die Hälfte der Papiere deutscher Aktiengesellschaften befinden sich im Besitz ausländischer Investoren.

Steuerprofessor Christoph Spengel von der Universität Mannheim schätzt den zwischen den Jahren 2001 und 2016 entstandenen Steuerschaden aus Cum-Cum-Geschäften auf rund 50 bis 80 Milliarden Euro.

Die Zahl der potenziell betroffenen Geldhäuser ist groß. „Die Anzahl der Finanzinstitute, die sich an solchen Geschäften beteiligt haben, liegt nach meinem Kenntnisstand inklusive der Investorenseite zwischen 80 und 100“, schätzt Yorick Ruland, Anwalt bei der Kanzlei Görg.

Risiken für beteiligte Institute

Mit der Entscheidung in Sachen Cum-Cum hat das hessische Finanzgericht nun eine Wegmarke gesetzt. Das Gericht erkennt die Deals steuerlich nicht an und spricht von der Übertragung einer „leeren Eigentumshülle“.

Die Geschäfte seien von vornherein darauf angelegt, dem ursprünglichen Aktieninhaber die Erträge aus den Aktien im wirtschaftlichen Sinne zukommen zu lassen. Die Folge: „Der ausländische Aktieninhaber ist wirtschaftlicher Eigentümer und damit Anteilseigner geblieben. Ihm sind die Dividendenerträge zuzurechnen“, so das Gericht. Dem Kläger stehe folglich kein Kapitalertragsteuerabzug zu.

Es gibt noch einen zweiten Grund, warum der Kläger leer ausgeht. Aus Sicht des Gerichts handelt es sich um Gestaltungsmissbrauch. Wenn das Modell nur steuerliche, aber keine wirtschaftlichen Gründe hätte, führe das „steuerlich zur Rückabwicklung der Geschäfte“. Das Gericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Ob es dort eine Kehrtwende gibt, ist allerdings eher unwahrscheinlich: Das höchste deutsche Steuergericht hatte bereits am 18. August 2015 eine Klage in einem anderen Cum-Cum-Fall als grundsätzlich illegal abgewiesen. Ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) folgte 2017.

Für viele der an Cum-Cum-Geschäften beteiligten Institute ergeben sich aus dem neuen Richterspruch große Risiken. Nur wenige beteiligte Banken sind namentlich bekannt, etwa die Deka. Der Fondsanbieter der Sparkassen hielt Rückzahlungen zuletzt zwar für unwahrscheinlich, bezifferte das Risiko auf 64 Millionen Euro. Die Commerzbank war auch beteiligt, stellte aber nur einen Betrag von zwölf Millionen Euro zurück.

Schwieriger ist die Situation bei einigen kleineren Banken, die ebenfalls mitgemischt haben, darunter einige Sparkassen und Volksbanken. Offensiv gehen nur wenige mit dem Problem um, so wie die Kreissparkasse Göppingen. Mitte 2019 hatten deutsche Kreditinstitute für mögliche Straf- und Steuernachzahlungen aus den Cum-Cum-Geschäften lediglich 273 Millionen Euro zurückgelegt.

Experten wie Anwalt Ruland rechnen mit weiteren Folgen. Wenn das wirtschaftliche Eigentum nicht übergegangen ist und Gestaltungen missbraucht wurden, drohten finanzielle Lasten. Die Institute müssten dann prüfen, ob sie insoweit Ansprüche geltend machen können. „Die ersten zivilrechtlichen Auseinandersetzungen laufen bereits“, weiß Ruland.

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