Niels Christiansen
Innovativer Klotz – So baut der Lego-Chef den Spielwaren-Riesen um
Unter der Führung des Dänen blüht die Spielwarenmarke wieder auf – dank vieler mutigen Ideen. Doch einer Bedrohung steht er machtlos gegenüber.
by Joachim HoferNürnberg. Es ist kein Zufall, dass Niels Christiansen während des Gesprächs auf der Spielwarenmesse in Nürnberg einmal kurz den Ärmel seines Jacketts nach oben schiebt. Denn so kommt ein Armband zum Vorschein, auf dem sich viele bunte Punkte aus runden Legosteinen finden. Es gehört zur neuen Kollektion „Dots“ und ist eine der vielversprechendsten Neuheiten, die der Lego-Chef auf dem weltweit wichtigsten Branchentreff vorgestellt hat.
„Dots“ ist nicht einfach eine weitere Kategorie des größten Spielwarenherstellers der Welt. Es ist eines der ersten Produkte, das komplett unter der Regie des 53-Jährigen entstanden ist. In der von Bauklötzen geprägten, eckigen Welt von Lego ausgerechnet auf etwas Rundes zu setzen, das entspricht ganz der Philosophie des ehemaligen McKinsey-Beraters.
Vor knapp zweieinhalb Jahren hat der langjährige Chef des Wärme- und Kältetechnikspezialisten Danfoss bei dem dänischen Familienunternehmen angeheuert. Sein Auftrag: der traditionsreichen Firma die Beamten-Mentalität austreiben und für dynamisches Wachstum sorgen. Das gehe nur mit Mut und guten Ideen, so das Credo des sportlichen Managers.
„Wir sind cool und frisch geworden“, stellt sich der groß gewachsene Christiansen selbst ein gutes Zeugnis aus. Der Erfolg lässt sich indes auch in Zahlen ausdrücken. So hätten die Händler hierzulande ihre Lego-Verkäufe vergangenes Jahr laut des Marktforschungsinstituts NPD Group um gut drei Prozent gesteigert. Das Plus in Deutschland dürfte tatsächlich noch höher ausfallen, weil die Marktforscher nicht den gesamten Handel erfassen, heißt es in Branchenkreisen. Lego ist damit in etwa so stark gewachsen wie der gesamte deutsche Spielwarenmarkt.
Ein Plus in dem umkämpften Spielzeuggeschäft ist nicht selbstverständlich. Der fränkische Konkurrent Playmobil etwa kämpft mit sinkenden Erlösen. Auch Simba-Dickie, Deutschlands größter Spielwarenproduzent, kam organisch nur auf rund ein Prozent Umsatzplus. „Bedenkt man, dass wir in einem weiterhin sehr schwierigen Marktumfeld mit Krisen in vielen Ecken der Welt arbeiten, ist diese Entwicklung als großer Erfolg zu werten“, urteilte Manfred Duschl, der Finanzchef von Simba-Dickie. Für Lego war Deutschland der erste Auslandsmarkt und bis heute ist es eines der wichtigsten Exportländer.
Umfassender Neuanfang
„Wir haben weltweit Marktanteile ergattert“, sagt Christiansen. Nachprüfen lässt sich das noch nicht, denn der Däne legt die Bilanz erst in vier Wochen am Konzernsitz in Billund vor. Und die global wichtigsten Rivalen, die US-Konzerne Mattel und Hasbro, veröffentlichen ihre Ergebnisse Mitte Februar.
Christiansen löste im Oktober 2017 Bali Padda nach nur knapp einem Jahr an der Spitze des Klötzchenproduzenten ab. Eine für Lego ungewöhnlich harte Entscheidung. Patriarch Kjeld Kirk Kristiansen, 72, hatte jedoch das Vertrauen in Padda schnell verloren. Er entschied sich für einen umfassenden Neuanfang. Kristiansen ist der Enkel von Lego-Gründer Ole Kirk Christiansen und hat die Firma selbst von 1979 bis 2004 geführt.
Lego gehört der Familie Kristiansen über ihre Investmentgesellschaft Kirkbi und ihre Stiftungen. Kjeld Kirk Kristiansen hat sich inzwischen aus dem Geschäft zurückgezogen, Sohn Thomas Kirk Kristiansen, 40, ist Vizechef des Verwaltungsrats. Dem Aufsichtsgremium steht ein Familienfremder vor: Jørgen Vig Knudstorp, 51, der das Unternehmen zwischen 2004 und 2016 geleitet hatte.
Der neue CEO Niels Christiansen kam von außen, gleichzeitig mussten damals 1 400 Mitarbeiter gehen – das entsprach acht Prozent der Belegschaft. 2017 schrumpfte der Umsatz um acht Prozent auf umgerechnet 4,7 Milliarden Euro, der Überschuss brach um mehr als ein Fünftel auf gut eine Milliarde Euro ein. Ein Schock für die Lego-Eigner nach einem Jahrzehnt Aufschwung. Unter Christiansen ging es unterdessen schon 2018 wieder aufwärts – und auch 2019 dürften die Einnahmen deutlich gestiegen sein.
Der Gewinn ist allerdings zuletzt zurückgegangen – auch, weil Christiansen stark investierte. In Nürnberg wurde deutlich, wo das Geld hinfloss: Auf der Spielwarenmesse präsentierte Lego so viele Neuheiten wie schon lange nicht mehr. Einer der großen Hoffnungsträger ist „Hidden Side“, eine Geisterjagd, bei der Christiansen klassische Modelle aus Legosteinen mit dem Smartphone verknüpft. Über die sogenannte erweiterte Realität können die Kinder mit räumlich weit entfernten Freunden spielen.
Bei „Dots“ geht es vor allem um Design: Mit den kleinen, bunten Bausteinen kann der Nachwuchs Armbänder, Fotowürfel oder Stiftehalter gestalten. Die Artikel sind vornehmlich in Pastelltönen gehalten und so richtet sich Christiansen mit „Dots“ wohl eher an Mädchen. Er glaubt, dass Lego damit auch in die Bastelabteilungen der Warenhäuser einziehen und damit einen ganz neuen Bereich erschließen könnte. „Das ist ein aufregendes Konzept und es ist relevant für die Konsumenten“, sagt Christiansen.
Lego-Plattform für Erwachsene
Der Konzernherr gibt allerdings nicht nur für neue Produkte Geld aus. Im vergangenen Herbst übernahm er mit BrickLink auch eine Firma. Auf der Fan-Plattform tauschen sich vor allem erwachsene Nutzer aus. Von denen gibt es zwar viele Millionen rund um den Globus, bislang tummelten sie sich aber in konzernfremden Internetforen. Auf BrickLink bekommen ambitionierte Lego-Freunde viele einzelne Teile von Sammlern und Fachhändlern weltweit. Jeden zehnten Euro verdient Lego eigenen Angaben zufolge mit Produkten für Erwachsene.
Auf der Nürnberger Spielwarenmesse nahm sich Christiansen mehrere Stunden Zeit, um durch die Hallen zu schlendern und den Trends der Industrie nachzuspüren. Doch das ist nicht seine einzige Inspirationsquelle in Deutschland: Mit dem hierzulande wohl bekanntesten dänischen Manager, dem in Herzogenaurach ansässigen Adidas-Chef Kasper Rorsted, tauscht sich Christiansen immer wieder aus. Aber nicht im Büro oder an einem Ausstellungsstand: Beide Unternehmensführer sind begeisterte Abfahrts-Skifahrer. Und so wollen sie demnächst zusammen in Tirol über die Pisten brettern.
Vermutlich werden sie in einer ruhigen Minute vor dem offenen Kamin auch auf China zu sprechen kommen. Die Volksrepublik ist sowohl für den Turnschuhkonzern Adidas als auch für Lego der bedeutendste Wachstumsmarkt. Vergangenes Jahr habe Lego 80 Läden in dem riesigen Land eröffnet, dieses Jahr sollen es nach den Plänen von Christiansen noch einmal so viele werden. Ob es angesichts des Corona-Virus‘ dazu kommt? „Momentan mache ich mir vor allem um unsere Mitarbeiter vor Ort Sorgen“, sagt der Manager. Wie das Virus „unser Geschäft beeinflusst, lässt sich jetzt noch nicht einschätzen.“