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“Unreguliert” und ungeniert: Wenn die Direktorin einer Landesmedienanstalt zur Podcasterin wird

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Die Chefin der Bremischen Landesmedienanstalt arbeitet mit einem Podcast erfolgreich gegen das stockseriöse Image ihres Berufstandes an. Kommentatoren sind sauer auf Siggi Gabriel. Dieter Bohlen ruft "Lügenpresse" und RTL wird Opfer eines Twitter-Hackers. Die MEEDIA-Wochenrückblick-Kolumne.

Podcasts boomen, Podcasts liegen so dermaßen im Trend. Wie sich das für einen ordentlichen Hype gehört, springen auch allerlei Leute auf, die es vielleicht besser lassen sollten. Damit meine ich jetzt nicht mal die unzähligen, unfassbar langweiligen “Corporate Podcasts”. Die hört zwar keiner, sie erfüllen ihren Zweck aber immerhin als Umsatzbringer für die fleißigen Podcast-Dienstleister da draußen. Wirklich unnötig und geradezu auf irritierende Weise selbst-beschädigend ist der Podcast “Unreguliert” von Cornelia “Connie” Holsten. Die Frau ist Direktorin der Bremischen Landesmedienanstalt und in dieser Funktion auch zuständig für die Aufsicht der so genannten neuen Medien, also etwa Instagram. In der ersten Folge ihres Podcasts streicht sie dem Influencer Maximilian Georg Arnold aber derartig Honig um den Bart, dass Zweifel aufkommen, ob sie weiß, was eigentlich ihr Job ist. Der Podcast sorgt immer wieder für Ausschläge auf der nach oben offenen Fremdscham-Skala. Das fängt bei Sprüchen wie “Ich bin die Medienaufsicht” an und hört bei Bemerkungen wie “nicht nur, wofür der G. Punkt steht, werden wir heute noch klären” noch lange nicht auf. Der “G. Punkt” steht übrigens für “Georg”.

Übermedien.de hat fein aufgedröselt, woran der “Unreguliert”-Podcast krankt. Dass der “Medienpilotin” (so nennt sich “Connie” Holsten auf Twitter) im Gespräch mit Arnold keine einzige kritische Frage einfällt, ist bemerkenswert. Folge zwei wurde mittlerweile auch veröffentlicht. Diesmal mit dem “ganz, ganz zauberhaften, groß gewachsenen und attraktiven” Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, Tobias Schmid. In der zweiten Folge bekennt Frau Holsten: “Wenn unsere Branche einen Nachteil hat: Sie ist manchmal eitel.” Die Medienaufsicht gehört in diesem Sinne dann wohl auch zur Branche.

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How dare you! Sigmar “Siggi” Gabriel, gefallener SPD-Grande und Beinahe-Auto-Lobbyist, macht rüber zur Deutschen Bank, dem Evil Empire. Zahlreiche Kommentatoren zürnten. Wie kann er nur, was treibt ihn an? Als Genosse in den Aufsichtsrat der schlimmen Skandal-Bank aus Frankfurt zu wechseln… Ich fand den Kommentar von “SZ”-Journalist Detlef Esslinger ganz wohltuend, der darauf hinwies, dass Gabriel nun schon seit knapp zwei Jahren kein Minister mehr ist:

Es ist weder illegal noch ehrenrührig, bei ihr im Aufsichtsrat mitzuwirken. Wenn die Bank sich auf die Kapitalseite des Aufsichtsrats jemanden holt, der das Management gelegentlich vor seiner eigenen Gier schützt – warum nicht?

Dass Regierungsmitglieder nicht nahtlos in Wirtschaftsjobs wechseln, ist eine gute Regel. Aber nach einer gewissen Zeit sollte man Ex-Politikern zugestehen, auch noch was anderes zu machen, als Zeigefinger-Gast-Beiträge in Zeitungen zu schreiben und in Talkshows herumzuhocken. Und, wer weiß, vielleicht nimmt Gabriel seine Kontroll-Aufgaben ja wirklich wahr und ist nicht nur mit dem Durchwinken von Manager-Boni beschäftigt. Unwahrscheinlich, ok, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

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Der neueste Lügenpresse-Rufer wurde nicht auf Sachsens Straßen gesichtet, sondern im Hauptprogramm vom RTL. Sein Name ist Dieter Bohlen. Als bei der aktuell laufenden Staffel von “Deutschland sucht den Superstar” eine Journalistenschülerin zur Aburteilung durch die Bohlen-Truppe antrat, sagte der über Journalisten: “Die verbreiten ja eigentlich nur Lügen, nonstop. Über mich werden jeden Tag neue Lügen verbreitet. Dass denen das so Spaß macht, irgendwas zu erfinden.” Von der Journalistik-Studentin gab es dazu ein verlegenes Lachen und die Produktion hatte nix Besseres zu tun, als eine an “RTL aktuell” erinnernde Musik unter die Szene zu legen.

Das war gleich auf mehreren Ebenen unglücklich. Erstens sollte Bohlen schlau genug sein, um zwischen Yellow Press und seriösem Journalismus unterscheiden zu können. Zweitens sollte die “DSDS”-Produktion dieses unreflektierte Geschwafel des Chef-Jurors nicht noch mit einem “Regie-Einfall” befeuern.

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RTL hatte diese Woche noch wegen einer anderen Sache bei Twitter ein wenig Ärger abbekommen. Der Twitter-Account des Senders verteilte Like-Herzchen für eindeutig rechtsextreme Tweets. Darauf aufmerksam gemacht, erklärte der Sender, es habe einen “externen Zugriff” auf den Account gegeben. Andere Twitter-Nutzer argwöhnten freilich, dass hier vielleicht ein RTL-Mitarbeiter versehentlich den Account nicht gewechselt und so seine Gesinnung offenbart habe.

Twitter-Pannen passieren immer mal wieder. 2017 geriet der texanische Senator Ted Cruz in die Schlagzeilen, als sein Twitter-Account pornografische Tweets “likte”. Vergangenes Jahr machte die Meldung die Runde, dass der Twitter-Account des AfD-Politikers Petr Bystron bei einem Porno-Tweet auf “like” gedrückt hat. Auch hier soll ein “Hack” verantwortlich gewesen sein (seltsamerweise wurde der Porno-Like von der Twitter-Seite des AfD-Mannes bis heute nicht entfernt).

Immer dann, wenn etwas Peinliches auf Twitter passiert, ist die Erklärung “das waren Hacker” schnell bei der Hand. Manchmal stimmt das, manchmal bleiben Zweifel. Auf meine Nachfrage erklärte ein RTL-Sprecher zum aktuellen Fall: “Wir können bestätigen, dass es einen unautorisierten Zugriff auf unser Passwort und damit auf den RTL-Twitter-Account gab. Die weitere Recherche konnte kein konkreteres Ergebnis erzielen. Als Maßnahme werden wir unser Sicherheitssystem optimieren und alles veranlassen, um zukünftig Zugriffe dieser Art auf unsere Accounts auszuschließen.” Na, da haben sie beim RTL aber Glück gehabt, dass es die Hacker beim “Liken” belassen und nicht wie wild um sich getwittert haben.

Schönes Wochenende!