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Die Wirkung ist kein "Lavendelschmäh"

Der Lavendel wurde zur österreichischen Arzneipflanze 2020 gekürt. Er lindert Ängste und wirkt bei Atemwegsinfekten.

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Kaufts an Lawendel / Zwanz´g Groschn a Bischal Lawendel, / an Lawendel hauma do / wer kauft uns an o!" - Besonders im Sommer zur Zeit der stark duftenden violetten Blüte gehörten die Lavendelverkäuferinnen um das Jahr 1900 zum Wiener Straßenbild. Sie fielen durch ihren melancholisch klingenden Gesang auf. Zumeist verdienten sie ihr Geld auch mit Wahrsagen - vom "Lavendelschmäh" ist daher die Rede. - "Heast, red kan Lavendel", könnte also jeder meinen, der diese Geschichte anzweifelt. Doch was hat es mit der Pflanze so auf sich, die seit Jahrhunderten vom Menschen genutzt wird?

Motten und Schlaf

Im Kleiderschrank lassen die Blüten die Wäsche frisch duften und halten außerdem sehr effektiv Motten fern. Nicht nur Babys verhelfen die Aromastoffe zu einem ruhigen Schlaf. Doch damit nicht genug. Lavendel wird eine antimikrobielle, schmerzstillende und entzündungshemmende Wirkung zugeschrieben. Zudem kommt er bei Angststörungen aber auch Atemwegsinfekten erfolgreich zum Einsatz. Seine Vielseitigkeit hat ihm nun die Kür zur "Arzneipflanze 2020" eingebracht.

Seit jeher zählt der Lavendel zu den bekanntesten Aroma-, Duft- und Zierpflanzen. Ob Parkanlagen oder der eigene Garten - im Hochsommer erfreut er nicht nur zahlreiche Insekten, die die lila Blüten ansteuern, sondern in seiner Pracht auch den Menschen. Schon seit dem Mittelalter wurde vorwiegend der Schopflavendel medizinisch und als Duftstoff verwendet, schilderte Chlodwig Franz, Vizepräsident der Herbal Medicinal Products Platform Austria (HMPPA), bei der Präsentation der Arzneipflanze des Jahres. Der Echte Lavendel dürfte erst seit Hildegard von Bingen im Zentrum der pharmazeutisch-medizinischen Verwendung stehen, spätestens seit dem 16. Jahrhundert auch Speiklavendel.

Griechen und Römer

Damit gehört er zu den ältesten Arzneipflanzen der europäischen Heilkunde. Bei den Griechen wurde Lavendel gegen Kopfschmerz und Melancholie eingesetzt, zur Stimmungsaufhellung und als Badezusatz fand er Einsatz bei den Römern, betonte Brigitte Kopp vom Department für Pharmakognosie der Universität Wien. Der Name Lavendel stammt vom lateinischen Wort "lavare" für "waschen" und bezieht sich vermutlich auf seine Verwendung als Badezusatz und seinen allgemein als frisch geltenden Duft.

Die Gattung Lavendula umfasst etwa 40 Arten. Sie zeichnen sich durch unzählige, ätherische Öle enthaltende Drüsenköpfchen auf der Epidermis der Blätter aus. Vorwiegend in diesen Drüsenköpfchen befindet sich das ätherische Lavendelöl. Die zwei Hauptkomponenten der insgesamt mehr als 160 enthaltenen Substanzen sind Linalylacetat und Linalool.

Gerade diese beiden sind die wirkungsvollsten der Pflanze. Denn Lavendelöl kann die Blut-Hirn-Schranke passieren und im zentralen Nervensystem funktionelle Veränderungen hervorrufen, wodurch Angstzustände gelöst werden. Lavendel wird daher auch Ruhestifter genannt, aber auch als Phytotherapie der Angst, wie es Siegfried Kasper vom Zentrum für Hirnforschung an der Medizinischen Universität Wien formulierte. "Angst und Depression gehören zu den Geißeln der Menschheit", betonte der Psychiater. Diese würden zumeist mit Antidepressiva, Benzodiazepine oder Neuroleptika behandelt, die viele Nebenwirkungen hervorrufen.

Studien belegen Effekte

Klinische Studien zeigen, dass das Lavendelölpräparat Silexan gegenüber Placebo überlegen war, aber auch ebenso wirksam wie etwa das Benzodiazepin Lorazepam, so der Experte. Linalylacetat und Linalool regeln den Calziumstrom zwischen den Nervenzellen. Bei Angstpatienten sind diese überaktiv. Mit der Gabe kommt es zu einem geregelten Calziumstrom und es werden weniger Botenstoffe von Zelle zu Zelle freigesetzt. Während der Echte Lavendel (Lavendula angustifolia) bei ebensolchen Angststörungen zum Einsatz kommt, wird der sogenannte Speiklavendel (Lavendula latifolia) bei Atemwegsinfekten erfolgreich eingesetzt. Er wirkt schleimlösend, auswurffördernd, entzündungshemmend und antimikrobiell, erklärte Kopp. Daniel Dejaco von der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Medizinischen Universität Innsbruck, berichtete über eine "signifikant bessere Symptomreduktion und einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität" während eines Infekts.

Die vierte Wahl

Die Arzneipflanze des Jahres wird seit vier Jahren von der HMPPA gekürt. Die Plattform will auf Pflanzen und deren Wirkstoffe aufmerksam machen. Die Wissenschaft gewinne nicht nur ständig neue Erkenntnisse über die Wirkung traditioneller Arzneipflanzen, sondern auch neue Wirkstoffe halten Einzug in die Medizin. Die vergangenen drei Jahre waren das Mutterkraut, Cannabis und das Edelweiß gewählt worden. Zufällig wurde heuer auch in Deutschland der Lavendel zu selbigem Status erhoben. Jedoch nur der Echte Lavendel, wie die Mitglieder der HMPPA betonten. Die österreichischen Experten widmen sich auch anderen Arten, wie eben dem Speiklavendel oder dem sogenannten Hybridlavendel. Diese besitzen die größte praktische Bedeutung für die Medizin. Also alles andere als Lavendelschmäh.