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Leibniz-Forscher: Googles Brustkrebs-KI wird keine einzige Frau retten

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KI-Systemen werden alle möglichen Superkräfte angedichtet. Dass man entsprechende Jubel-Berichte mit großer Vorsicht betrachten sollte, zeigt das Beispiel eines vermeintlich enormen Fortschritts bei der Brustkrebs-Diagnostik. Der Internet-Konzern Google wartete direkt zum Jahresbeginn mit einer Studie auf, nach der eine speziell trainierte Instanz seiner DeepMind-KI die Bilder von Mammographie-Screenings treffsicherer auswerten kann als es teilweise bei Fachleuten der Fall ist. Auf dem Weg vom wissenschaftlichen Paper bis zur allgemeinverständlichen Meldung in diversen Medien wurde daraus teilweise ein enormer Durchbruch, der Experten in dem Bereich in den Schatten stellt und vielen Frauen das Leben retten kann. Das ist allerdings schlicht nicht der Fall.

Die Experten des RWI Essen, das zur Leibniz-Gemeinschaft gehört, haben sich des Falls aktuell in einer Beitragsreihe "Unstatistik des Monats" angenommen. Darin verweisen die Experten darauf, dass schon die Datenlage in der Studie keineswegs so deutlich zu Gunsten der KI spricht. Die Unterschiede waren bei der Untersuchung in Großbritannien schlicht nicht aussage­kräftig. In den USA war die KI zwar besser, doch trat sie dort auch gegen Radiologen an, für die die Mammographie nicht zum Arbeitsschwerpunkt gehörte.

Wichtig ist, was hinten rauskommt

Hinzu kommt, dass im medizinischen Umfeld häufig nicht nur ein Spezialfall betrachtet werden darf. So weisen die Forscher vom RWI darauf hin, dass der Nutzen von Mammo­graphie-Screenings generell umstritten ist. Denn in Kohortenstudien zeigte sich, dass Frauen, die sich regelmäßig mit dem Verfahren testen lassen, zwar etwas seltener an Brust­krebs sterben, die Sterblichkeit über alle Krebs­arten hinweg am Ende aber genauso hoch ist, wie in der Gruppe von Frauen, die nicht zu Mammo­graphie-Screenings gehen.

Stattdessen gibt es bei den Mammographie-Teilnehmerinnen eine ganze Reihe von Übertherapierten. Denn es kommt immer wieder vor, das harmlose, sehr langsam wachsende Tumore nicht als solche erkannt, sondern als Krebs diagnostiziert werden. Die Folge reicht dann von Medikamenten-Gaben über Chemotherapien bis hin zur Amputation der Brust - ohne dass es dafür einen Grund gäbe.

Der Einsatz der KI wäre im Endeffekt also selbst dann fragwürdig, wenn sie wirklich bessere Erkennungsraten liefern würde. Und dafür gibt es in der Datenlage der Studie keine signifikanten Hinweise, lautet die Einschätzung der RWI-Forscher.

Siehe auch: Fehlschlag bei Krebs-Medizin könnte Bio-Elektronik enorm voranbringen