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dpa/Jens Kalaene Viele Konsumenten fühlen sich von Kleinstmünzen beschwert.

Gefahren für die Altersvorsorge: Finanzprofi: "Inflation wird steigen - und Deutschland ist extrem schlecht vorbereitet"

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Die Welt ist im Umbruch. Früher gute Regeln für das Sparen funktionieren nicht mehr, erklärt Maximilian Kunkel, Chef-Anlagestratege bei der UBS Deutschland, im Interview mit FOCUS Online. Deutschland ist seiner Meinung nach besonders schlecht vorbereitet auf Veränderung.

FOCUS Online: Das neue Jahrzehnt hat turbulent begonnen: Erst reißt die Sorge um einen neuen Golfkrieg die Märkte nach unten, dann markieren die Börsen neue Höchststände. Gibt uns dieses Hin und Her einen Vorgeschmack auf die nächsten Jahre?

Maximilian Kunkel: Das ist natürlich schwer zu sagen. Fest steht, dass es viele Veränderungen in den nächsten Jahren geben wird. Wir erwarten zum Beispiel ein weiteres Wachstum der Städte, einen Rückgang beim Handel und ein Schrumpfen bei der Erwerbsbevölkerung in den Industrienationen. Wir rechnen auch damit, dass die Vermögensungleichheit zunehmen wird und die Vorsorgesysteme unter Druck geraten werden. Es liegen also viele Herausforderungen vor uns, denen wir uns stellen müssen. Entsprechend müssen auch die Anleger ihr Verhalten anpassen.

Zur Person

Maximilian Kunkel ist Chef-Anlagestratege bei UBS Deutschland. In dieser Funktion erarbeitet er gemeinsam mit seinen Kollegen Anlagestrategien, Einschätzungen und Empfehlungen für die hochvermögenden Kunden.

Jede Herausforderung bringt auch Chancen

FOCUS Online: Was heißt das?

Kunkel: Es geht natürlich zum einem darum, bei den großen Themen des neuen Jahrzehnts dabei zu sein, also etwa Urbanisierung, steigende Internetnutzung oder Klimaschutz. Denn überall, wo es Herausforderungen gibt, gibt es auch Chancen.

FOCUS Online: Und zum anderen?

Kunkel: Zum anderen müssen Anleger sich klar darüber werden, dass alte Regeln nicht mehr gelten. Das Grundprinzip muss völlig überdacht werden. Früher wurden Anleihen erworben, um regelmäßige und planbare Zinserträge zu erzielen. Man kaufte, kassierte die Kupons und hielt die Papiere bis zur Fälligkeit. Aktien waren in erster Linie nur eine Beimischung für kurzfristige Kursgewinne. Durch die Niedrigzinspolitik der Notenbanken ist es genau andersherum. Die Dividende und nicht mehr der Kupon der Anleihe ist der Ertragsbringer. Der Schwerpunkt liegt auf den Aktien, wohingegen man im Anleihebereich flexibel und agil sein muss, denn der Zinsertrag ist minimal und Halten bis zur Fälligkeit nicht mehr lukrativ.

Das wird viele Versicherer und Pensionskassen vor große Herausforderungen stellen. Sie sind ja gesetzlich verpflichtet, überwiegend in Anleihen zu investieren.

Anleger müssen Altersvorsorge selbst in die Hand nehmen

Für die Lebensversicherungen und Pensionskassen heißt das in der Tat nichts Gutes. Kein anderes Industrieland ist so schlecht auf diese Kombination aus niedrigen Zinsen und steigenden Konsumentenpreisen vorbereitet wie Deutschland. Die Altersvorsorge basiert aufgrund regulatorischer Zwänge zu stark auf Anleihen und zu wenig auf Aktien. Die Anleger sollten daher bei der Altersvorsorge das Heft selbst in die Hand nehmen.

 

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FOCUS Online: Sie sagten, dass wir niedrige Zinsen bei steigenden Preisen sehen werden. Momentan sind die Zinsen so niedrig, eben weil die Preise nicht steigen. Geht es nicht auch mit den Zinsen wieder aufwärts, wenn die Inflation anzieht?

Kunkel: Nur bedingt. Zinsen auf einem normalen Niveau würden zu einem Crash auf dem Immobilienmarkt und Problemen bei vielen Unternehmen und Staaten führen. Die Verschuldung ist zu hoch für normale Zinsen. Die wirtschaftlichen Folgen einer Zinswende, die den Namen verdienen würde wären so katastrophal, dass sie politisch nicht tragbar wären.

FOCUS Online: Aber Schweden hat doch gezeigt, dass die Zinsen wieder steigen können.

Kunkel: In der Tat hat die schwedische Notenbank den Zins wieder auf null Prozent angehoben. Aber das ist auch kein normales Niveau. Auf normale Niveaus werden auch die Schweden den Zins nicht erhöhen.

FOCUS Online: Das heißt also: Die Inflation wird steigen und die Notenbanken schauen nur zu?

Kunkel: Ja, sie werden die Inflation erst einmal laufen lassen. Wie weit, ist schwer zu sagen. Wir werden sehen, wo die Schmerzgrenze liegt.

Aktien stehen vor einer Neubewertung

FOCUS Online: Was heißen die Aussichten auf viele weitere Jahre Niedrigzinspolitik für die Aktienmärkte?

Kunkel: Aktien stehen vor einer Neubewertung. Die Gewinnrenditen, also die Gewinne im Verhältnis zur Marktkapitalisierung, liegen momentan etwa bei sechs Prozent im MSCI World. Das entspricht dem Niveau von 2003.

FOCUS Online: Als der Zins noch viel höher war. Was schlussfolgern Sie daraus?

Kunkel: Entweder erwarten die Anleger einen deutlichen Gewinnrückgang aufgrund einer Rezession, die wir momentan aber nicht sehen. Oder aber sie trauen dem Tiefzinsbraten nicht, erwarten also, dass die Zinsen wieder auf normale Niveaus steigen. Aber auch das sehen wir nicht. Das heißt, wenn die Anleger die tiefen Zinsen verinnerlicht haben, wird es mit den Kursen selbst bei niedrigem Wachstum weiter nach oben gehen, weil Anleger neu abschätzen werden, was teuer und was günstig ist. Es kommt zu einer Bewertungsausweitung.

So kommentierten FOCUS Online-Leser diesen Beitrag:

"Zunächst einmal ein paar nette Zeilen: die BRD-Renten sind typischerweise sicher. Die BRD kann und wird ihre Verpflichtungen erfüllen, da bin ich mir ganz sicher. Bevor Sie aber jetzt aufatmen: alle anderen Investitionen würde ich genau prüfen. Ich befürchte, dass es in absehbarer Zeit zu einem Werteverfall kommen wird. Zunächst unmerklich, dann immer schneller."

"Wir glauben seit Jahrzehnten, dass Sparbuch, Bausparen und Lebensversicherungen uns eine gute Versorgung ermöglichen. Das war schon immer eine Illusion, weil die Inflation immer sehr hoch bezogen auf die Zinsen war. Wer jetzt nicht umsteigt und in Aktien investiert wird immer ärmer. Die Immobilienbesitzer werden immer wohlhabender durch die niedrigen Zinsen. Also gibt es nur eine Richtung: Aktien und Immobilien kaufen. wer jammert muss halt damit leben zum Sozialamt zu gehen."

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