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dpa/Wolfgang Kumm/dpa Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kommt nicht aus der Defensive.

Margarete van Ackerens Berliner Woche: Maut-Desaster ist nicht sein einziges Problem: Minister Scheuer ist nicht zu halten

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Für Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wird es eng. Im Maut-Untersuchungsausschuss hat ein Vertreter des Rechnungshofs heute die Vorwürfe wiederholt: Bei der Vorbereitung der Pkw-Maut gab es Verstöße gegen Haushalts- und Vergaberecht. Neu ist das nicht. Doch Scheuer ist noch aus einem anderen Grund kaum zu halten – weil er für eine Politik steht, die auch die CSU ein Stück hinter sich lassen möchte.

Keine neuen Vorwürfe am Donnerstag im Maut-Untersuchungsausschuss, keine weiteren Enthüllungen. Dennoch: Es wird eng für Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Im U-Ausschuss hat ein Abteilungsleiter des Bundesrechnungshofes im Ausschuss nur die bekannten Vorwürfe der Behörde wiederholt: In dem Ministerium gab es bei der Vorbereitung der Maut Verstöße gegen das Haushalts- und Vergaberecht. Auch beklagt der Rechnungshof eine mangelnde Risikobewertung.

Die geplanten Betreiber für die Pkw-Maut, Kapsch und CTS Eventim hatten im Winter ihre Forderungen an den Bund auf 560 Millionen Euro beziffert, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Maut zuvor für rechtswidrig erklärt hatte. Für den Steuerzahler könnte das also eine richtig teure Sache werden.

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FOCUS Online Margarete van Ackerens Berliner Woche

Herzensanliegen der CSU

Keine Frage: Die Kern-Vorwürfe sind seit Monaten bekannt. Weshalb also sollte sie jetzt noch zum Problem werden? Viele Parteifreunde mögen Scheuer. Die Kanzlerin soll ihn wirklich schätzen. Und der 45-Jährige hat mit dem Maut-Projekt nur in wildem Übereifer umgesetzt, was seiner Partei über Jahre ein echtes Herzensanliegen war. Worin besteht die Gefahr?

Noch schützt Scheuer eine kleine Abwehr-Mauer. Das Ministerium hatte selbst schon im Herbst sämtliche Vorwürfe des Rechnungshofes zurückgewiesen. Der Niederbayer beteuert sogar, er könne in einem Schiedsverfahren erreichen, dass der Bund nichts zahlen muss. Scheuers Parteifreund Ulrich Lange hatte schon vor der heutigen Befragung des Rechnungshofes spitz betont, der Rechnungshof sei kein „Kronzeuge“. Und von SPD-Politikern kommt in diesen Tagen auch schon mal der Hinweis, der Rechnungshof sei schließlich nicht „Gott“.

Gravierende Vorwürfe

Dennoch: Wenn eine oberste Bundesbehörde solch gravierende Vorwürfe formuliert, dann ist das anders zu gewichten, als wenn irgendein Oppositionspolitiker Scheuer hart angreift. Hinzu kommt in diesem Fall aber noch etwas Entscheidendes: Der Niederbayer passt nicht mehr in die Zeit.

Bei aller Liebe zum Auto, bei allem geschärften Sinn für die ökonomische Bedeutung dieser Schlüsselindustrie für Deutschland: Wer als Verkehrsminister, wie die „SZ“ berichtet, in seinem Jahreskalender elf Termine mit Vertretern der Automobilindustrie und kein einziges Treffen mit Repräsentanten von Umweltorganisationen im Terminkalender vorweisen kann, hat offenbar die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Da sieht man in Zeiten erhöhter Klimasensibilität auch mit 45 Jahren ziemlich alt aus.

CSU will diese Politik ein Stück hinter sich lassen

Dass zuletzt in einer Umfrage selbst 60 Prozent der CSU-Anhänger Scheuer als Minister für nicht mehr tragbar hielten, war ein Menetekel, das ganz sicher auch Parteichef Markus Söder nicht entgangen ist.

So steht Andreas Scheuer immer mehr für eine Politik, die auch die CSU selbst jetzt ein Stück weit hinter sich lassen möchte. Die Söder-CSU will die Partei für leidenschaftliche Autofahrer und für gemäßigte Klimaschützer sein. Und wenn der Minister auf seinem Posten bliebe, dann würde er quasi zur personifizierten Erinnerung an eine Zeit, die für die Christsozialen der Vergangenheit angehören soll. Scheuer kommt nämlich nicht aus der Defensive. Und das wird zunehmend auch für seine Partei zum Problem. Die CSU war schon immer gnadenlos, wenn es darum ging, Politiker, die keinen Erfolg bringen, abzuservieren.

Rolle Seehofers klären?

Nicht ganz frei von Komik ist bei alledem der Vorstoß, man möge Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer als Zeugen in den Untersuchungsausschuss einladen. Der soll dann dort im Detail darlegen, inwiefern der frühere CSU-Vorsitzende Horst Seehofer eigentlich hinter dem blinden Kampf um die Maut stecken könnte. Nur: Dafür braucht man eigentlich keine Zeugen. Denn (fast) die gesamte CSU hat über Jahre dieses Projekt mit ungebremstem Eifer verfolgt. Über lange Zeit auch gegen den Widerstand der Kanzlerin. Das konnte alle Welt auf jedem Bildschirm dieses Landes und in jeder Zeitung verfolgen.

Es ist so betrachtet das persönliche Schicksal Andreas Scheuers, dass sich seine Partei mittlerweile weiterbewegt hat. So hart kann Politik sein.

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