Nach eineinhalb traumhaften Wochen kam das Ende für Alexander Zverev ein Match zu früh. Ein sanfter Volley von Dominic Thiem beendete die Hoffnungen des 22 Jahre alten Hamburgers, um den ersten Grand-Slam-Triumph für einen deutschen Tennisspieler seit genau 24 Jahren zu spielen.
"Man hat gemerkt, dass Thiem in solch einem Spiel mehr Erfahrung hat", sagte Eurosport-Experte Boris Becker, der 1996 ebenfalls bei den Australian Open seinen letzten von sechs Titeln bei den vier großen Turnieren gefeiert hatte.
Zverev hatte beim 6:3, 4:6, 6:7 (3:7), 6:7 (4:7) seine Chancen gegen den beim Aufschlag schwachen, beim Return jedoch phasenweise herausragenden Thiem: Allerdings vergab er im dritten Satz zunächst zwei Satzbälle, danach war er in den beiden Tiebreaks ein wenig zu passiv gegen den aktiveren Österreicher.
"Es war vielleicht ein bisschen die Erfahrung", sagte der Weltranglistenfünfte und spendete seinem Freund Trost: "Er ist ja erst 22, wir müssen nicht mehr lange warten, bis er in sein erstes Grand-Slam-Finale kommt."
Zverev selbst meinte: "Dominic hat ein super Match gespielt, er spielt sehr gut von der Grundlinie, er schlägt auch gut auf. Ich hatte meine Chancen. Aber ich habe einfach nicht mein bestes Tennis gespielt in den wichtigen Momenten." Thiem sei "einfach mutiger, aggressiver" gewesen, "einfach besser als ich, auch in den beiden Tiebreaks".
Becker: "Es war eine tolle Erfahrung für Zverev"
Als letzter Deutscher hatte 2003 Rainer Schüttler ebenfalls in Melbourne in einem großen Endspiel gestanden, dort aber in drei Sätzen glatt gegen Andre Agassi (USA) verloren. Zverev, Siebter der Weltrangliste, hatte erst als siebter Deutscher die Runde der letzten Vier bei einem Major erreicht, zuletzt war dies 2009 in Wimbledon Tommy Haas gelungen. Zverevs Traum endete nach 3:42 Stunden mit dem zweiten Matchball von Thiem.
Auch Becker hegt aber die Hoffnung, dass Zverev nach seinem 19. Grand-Slam-Turnier bald den nächsten Schritt machen kann: "Es war eine tolle Erfahrung für ihn, zum ersten Mal in einem Grand-Slam-Halbfinale zu sein", sagte der zweimalige Sieger der Australian Open und dreimalige Wimbledonchampion.
Nach der Premiere für Zverev musste er aber feststellen: "Thiem hatte mehr vom Spiel", auch dessen Spielaufbau sei besser gewesen. Die Auffassung von Thiem, dass "jeder von uns hätte gewinnen könne", stimmte nicht ganz.
Tatsächlich lebte Zverev gegen Thiem vor allem, aber auch zu sehr von seinem Aufschlag. Auf sein Service war erneut Verlass, er schlug 16 Asse, dazu brachte er 81 Prozent seiner ersten Versuche ins Feld: Allerdings sank die Quote von Satz zu Satz, weil Thiem ab dem zweiten Durchgang bisweilen überragend zu retournieren begann. Der 26 Jahre alte zweimalige Finalist der French Open nahm Zverev außerdem mehrfach den Aufschlag ab - unter anderem zum Gewinn des zweiten Satzes.
Vor dem Match hatte ein Offizieller der Buschfeuerhilfe noch um Unterstützung für den Hamburger gebeten, weil dieser für den Fall eines Turniersieges angekündigt hatte, sein gesamtes Siegerpreisgeld von umgerechnet 2,55 Millionen Euro zu spenden.
Die Sympathien in der Rod Laver Arena, wo Thiem zwei Abende zuvor in einem epischen Viertelfinale den Weltranglistenersten Rafael Nadal (Spanien) niedergerungen hatte, waren jedoch in etwa gleich verteilt. An die Buschfeuerhilfe gehen nun jeweils 10.000 Dollar (6200 Euro) für die fünf Siege von Zverev.