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Wenn Frauen nicht mehr an der „Chancenverwertung" scheitern: Nicola Bartels

Quelle: Susanne Krauss

Das ist die Nachfolgerin von Florian Illies

Eine Frau musste gehen, um Platz für Florian Illies zu machen. Jetzt kommt eine andere, um seinen Job zu erledigen. Wer ist Nicola Bartels, die ab Juli den Rowohlt-Verlag leitet – und welche Erfahrung bringt sie mit?

Ziemlich genau eine Woche nachdem öffentlich gemacht wurde, dass Florian Illies seinen Posten als verlegerischer Geschäftsführer von Rowohlt nach nur einem Jahr aufgeben würde, ist klar, wer auf ihn folgt: Nicola Bartels soll zum 1. Juli 2020 übernehmen.

Nicola Bartels? Bisher war Bartels, 1969 geboren, bei Random House als Verlegerin unter anderem für die Bereiche Blanvalet, CBJ, Penguin, C. Bertelsmann, DVA, Siedler und Manesse zuständig und außerdem Mitglied der Geschäftsführung. Nun ist es üblich, aus der vorherigen Arbeit Schlüsse für die zukünftige abzuleiten: Bartels kann Bestseller; ursprünglich kam sie von Bastei Lübbe zur Verlagsgruppe Blanvalet. Dort erschienen unter dem Pseudonym Robert Galbraith die erfolgreichen Krimis von J. K. Rowling und außerdem Bestseller von Charlotte Link, George R. R. Martin und Fred Vargas.

Vorher erfolgreich bei Random House

Als vor rund zwei Wochen bekannt gegeben wurde, dass Bartels Random House verlassen würde (sie habe das „Bedürfnis, einmal innezuhalten“ und für sich „neue Perspektiven zu entdecken“, hieß es in der Presseerklärung), betonte Thomas Rathnow, CEO der Gruppe, man habe Bartels „zahlreiche große Erfolge“ zu verdanken, außerdem habe sie die strategische Ausrichtung der Verlagsgruppe entscheidend mitbestimmt und den Wachstumskurs des Kinder- und Jugendbuchprogramms vorangetrieben: „Im vergangenen Jahr hat Nicola Bartels den Bereich der Penguin Verlage neu aufgestellt und mit einer veränderten Organisations- und neuen Teamstruktur die bestmöglichen Voraussetzungen für die erfolgreiche und strategische Positionierung der Verlage und ihrer Autoren geschaffen.“

Spätestens seit Bartels Random House verlassen hatte, verdichteten sich die Gerüchte, sie werde wohl bald darauf bei Rowohlt anfangen, zumal der Holtzbrinck-Konzern gut daran täte, eine Frau und eine Verlagsbrancheninsiderin zu ernennen. Bedeutet die Personalie nun, dass Bartels bei Rowohlt vor allem Unterhaltungsbestseller aufspüren und den Verlag auf Synergien bedacht umverwaltet? Nun, was sonst sollte das Geschäft des Verlegers im Jahr 2020 sein, mag man einwenden – aber im Autorenverlag Rowohlt?

Sie kann Bestseller

Wie um ein erneutes PR-Desaster zu vermeiden wirkte die Pressemitteilung, die dann aus Hamburg kam: Nicola Bartels betonte, sie freue sich auf die „außergewöhnliche Tradition und ein Programm von ganz ausgezeichneter Qualität und Stärke“, sie wolle sich ihrer eigentlichen Leidenschaft wieder stärker zuzuwenden, „dem Gestalten von Programmen und der Arbeit mit Autorinnen und Autoren“. Florian Illies freute sich „ganz besonders für diesen bedeutenden Verlag“. Stefan von Holtzbrinck nannte Illies’ Nachfolgerin eine „hervorragende Wahl“ wegen ihrer „langjährigen, umfassenden Verlagserfahrung und aufgrund ihres teamorientierten Führungsstils“, außerdem bleibe Alexander Fest „weiterhin Publisher-at-large“. Wer wollte, konnte aus dem kurzen Text noch die Spuren des seltsam possenartigen Gerangels herauslesen, aus dem seit der plötzlichen Inthronisierung von Illies kein Gewinner hervorgetreten war.

Fest steht jedenfalls, dass Bartels das Verlagsgeschäft seit Jahren kennt und beherrscht – eine Fähigkeit, an der Florian Illies sich nicht hatte messen lassen können; Illies war intern dafür kritisiert worden, keine verlegerische Erfahrung zu haben, was ihn, ob nun berechtigterweise oder nicht, angreifbar gemacht hatte – was offenbar Holtzbrinck in Kauf nahm (was letztlich auch Illies nicht gefallen konnte); Illies war schließlich als verlegerischer Geschäftsführer gekommen, nicht als ein Herausgeber oder zweiter Publisher-at-large.

Natürlich steht Nicola Bartels auch für einen Verlegerinnentypus, der sich in der Verlagswelt immer weiter durchsetzt: Bartels ist Jahrgang 1969 und Teil einer Generation von Frauen, die bis vor Kurzem eher in der zweiten Reihe in der Verantwortungshierarchie anzutreffen waren, auf der Ebene der Programmleiterinnen oder Verlagsleiterinnen, und die nun in operativen und strategischen Positionen den Ton angeben.

Bartels selbst hat vor wenigen Monaten dem „Buchreport“ ein vielsagendes, kluges Interview über den Generationenwechsel in der Verlagsbranche gegeben. Die Chancen für Frauen seien in der Buchbranche gerade gut wie nie zu vor, nur scheiterten sie oft an der „Chancenverwertung“: Manche Frauen scheuten „vor der großen Karriere“ in strategisch-operativer Rolle zurück, hier brauche es „mehr weibliche Role Models“ und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Gefragt, ob man Verlagsprogrammen eine männliche oder weibliche Handschrift anmerke, sagte Bartels Nein, ein guter Lektor bringe die nötige Professionalität mit, um vom eigenen Geschmack zu abstrahieren. Das, was die Arbeit im Verlag auszeichne, „das Besondere zu entdecken“, sei eben „nur bedingt planbar“: „Oft sind die wichtigsten Titel Bücher, die auf den ersten Blick kaum ins jeweilige Portfolio passen, dann aber einen Nerv treffen.“

Welcher Nerv nun in Zukunft in Hamburg getroffen wird, bleibt abzuwarten. Dass die neue Spitze eine gestandene Frau aus dem Verlagsgeschäft bildet, ist gut. Man sollte nur nicht vergessen, dass Rowohlt vor nicht allzu langer Zeit schon mal eine ebensolche hatte: Barbara Laugwitz.


Florian Illies
„Ich weiß, es war eine nur kurze Zeit“