Fledermaussuppe ist nicht schuld am Coronavirus Während Mediziner weltweit versuchen, die Verbreitung des neuen Coronavirus zu stoppen, drehen Verschwörungstheorien munter ihre Runden. Ein Überblick. 31 Jan 2020, 12:02 by 20M Am 23. Januar 2020 kam die Meldung auf, dass das neue Coronavirus 2019-nCo beim Verzehr einer Fledermaussuppe übertragen worden sei. Die Nachricht verbreitete sich in Windeseile im Netz. Auch 20 Minuten hat über die Spekulationen berichtet. Mittlerweile ist jedoch klar, dass Fledermaussuppe in China keine weitverbreitete Speise ist. Auch das Video, das als Beweis für den vermeintlichen Zusammenhang gepostet wurde, hat rein gar nichts mit dem aktuellen Coronavirus-Ausbruch zu tun. Es zeigt die chinesische Influencerin Wang Mengyun und stammt aus dem Jahr 2016, Entstanden sind die Aufnahmen auch nicht in China, sondern auf Palau, einem Archipel im westlichen Pazifik, Tausende Kilometer vom Ursprungsort des neuen Coronavirus entfernt. Tatsächlich könnte das Virus aber von Fledermäusen stammen. Eine aktuelle Studie hat das 2019-nCoV mit anderen Coronaviren verglichen. Die grösste Übereinstimmung gab es mit zwei Coronaviren, die in Fledermäusen entstanden waren. Allerdings wurden auf dem Tiermarkt in Wuhan, wo es die allerersten Ansteckungen gab, keine Fledermäuse verkauft. Sollte das Virus also wirklich von Fledermäusen stammen (das ist noch keineswegs klar) muss es noch einen – bisher ebenfalls unbekannten – tierischen Zwischenwirt gegeben haben. Online einsehbare Patente auf Coronaviren veranlassten einige Menschen zur Behauptung, dass 2019-nCo nicht zufällig aufgetaucht, sondern im Labor entwickelt und bewusst freigesetzt worden sei. Zweck der Übung: mit entsprechenden Impfstoffen Geschäfte machen. Verbreitet wurde der vermeintliche Zusammenhang unter anderem am 22. Januar 2020 von der US-Website USA Hitman und einen Tag später vom deutschsprachigen Portal Connectiv Events. Die Falschmeldungen wurden fleissig in den sozialen Medien geteilt, wo sie um weitere Behauptungen ergänzt wurden. In einem Beitrag des Verschwörungskults Qanon wurde etwa behauptet, dass das Virus «von der selbst ernannten Elite» gezüchtet worden sei. All das ist aber Quatsch, wie unter anderem das Recherchezentrum Correctiv schreibt: «Es gibt die genannten Patente, manche sind allerdings nur angemeldet und nicht erteilt. Sie haben ausserdem nichts mit dem neuen Coronavirus aus China zu tun, sondern mit vorigen Virenarten.» Gegenüber Factcheck.org erklärte Coronavirus-Experte Matthew Frieman von der Universität Maryland, dass eine der Gensequenzen unter anderem während des Sars-Ausbruchs im Jahr 2003 isoliert und patentiert wurde – um auf dieser Basis einen Impfstoff zu entwickeln. Nach einer weiteren Verschwörungstheorie soll auch Microsoft-Gründer Bill Gates die Finger mit im Spiel haben. Der Grund: Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung hatte das Pirbright-Institut, das ein Coronavirus-Patent hält, in der Vergangenheit finanziell unterstützt. Weitere Unterstellung: Milliardär Gates soll – aus angeblichem Eigennutz – im Oktober 2019 vor dem Coronavirus gewarnt und einen Ausbruch mit 65 Millionen Toten vorhergesagt haben. Beide Theorien sind falsch. Zwar stimmt es, dass die Gates-Stiftung das Institut mit 5,5 Millionen Dollar unterstützt hat. Allerdings sei dies in den Livestock Antibody Hub geflossen, in dem untersucht wird, wie man Tiere besser vor Krankheiten schützt. (Im Bild: Pressemitteilung aus November 2019) Das Pirbright-Institut hat selbst Stellung zu den falschen Anschuldigungen bezogen: Man forsche zurzeit nicht an menschlichen Coronaviren (Bild). Auch die Unterstellung, Bill Gates hätte den 2019-nCo -Ausbruch angekündigt, ist nicht korrekt. Sie fusst auf einer Veranstaltung namens Event 201, bei dem zu Übungszwecken ein Pandemie-Szenario simuliert wurde. Auslöser war ein fiktives Coronavirus. Auch das an dem Szenario beteiligte Johns Hopkins Center for Health Security hat sich eingeschaltet. Man habe auf der Veranstaltung keine Prognosen für die Zukunft gemacht, heisst es dort. Auch hätten die Szenarien nicht den aktuellen entsprochen. Weiter zur Beunruhigung tragen auch diverse alarmierende Youtube-Videos bei, vor allem eines, das von dem Kanal namens Odysseus hochgeladen wurde. Darin wird gleich am Anfang behauptet, der Clip enthalte «wichtige Informationen», die die Presse «bewusst» verschweigen würde. Weiter heisst es, «die Corona-Pandemie ist weitaus schlimmer als man euch glauben machen will. Sie ist viel, viel, viel schlimmer.» Als Beweis werden unter anderem Bilder angeführt, die angeblich mit 2019-nCo infizierte Chinesen zeigen, die auf der Strasse einfach umfallen. Wer der Urheber des Videos ist, wo und wann die Aufnahmen aufgenommen wurden, ist unklar. Fest steht aber, dass schon die ersten Worte falsch sind. Denn um eine Pandemie – eine laut Robert-Koch-Institut «weltweite Epidemie» – handelt es sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht. (Im Bild: Screenshot von dem Game «Plaque Inc.») In dem Video wird weiter behauptet, dass 2019-nCo «schlimmer als Sars» wäre. Doch laut Recherchen von Correctiv, ist dies unbelegt. Die beiden Virentypen ähneln sich zwar zu 70 Prozent, doch nach bisherigem Stand ist das neue Virus deutlich weniger tödlich als Sars. (Im Bild: Gedenkstein für Sars-Opfer in China) Weitere Falschaussage: Das Virus wird durch Flüssigkeiten übertragen, die seine Lebenskraft noch verstärkten. Dem entgegnet Virologe Hartmut Hengel laut ARD-Faktenfinder: «Flüssigkeiten können die Infektiosität eines Virus nicht steigern». Ausserhalb eines Wirts könne es sich überhaupt nicht vermehren. (Im Bild: das neue Coronavirus 2019-nCoV) Auch dass sich in Wuhan, dem Ort wo 2019-nCo erstmals auftrat, ein Hochsicherheitslabor der höchsten Stufe (Biosafety Level 4), befindet, kommt Verschwörungstheoretikern wie gerufen. Wo sonst sollte das neue Virus auf einmal herkommen, wenn nicht aus dem Labor? So ihre Logik. tatsächlich darf in Laboren der Stufe 4 mit Erregern geforscht werden, die laut der Biostoffverordnung «eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen», wie etwa das Ebolavirus. Doch für die Forschung an Coronaviren wie Sars, Mers oder dem neuen Typ reicht Biosafety Level 3. (Im Bild: Hochsicherheitslabor am Unispital Genf) Trotzdem macht die Behauptung die Runde, 2019-nCo sei aus der Hochsicherheitseinrichtung entwichen. Kolportiert wurde sie unter anderem von der konservativen «Washington Times», die sich auf einen israelischen Ex-Geheimdienstler stützte. Laut diesem könnten im Wuhan National Biosafety Laboratory nicht nur Erreger untersucht, sondern auch Biowaffen entwickelt werden. Als ihn die angesehene «Washington Post» später auf seine Aussage ansprach, wollte sich der Ex-Geheimdienstler plötzlich nicht mehr dazu äussern. Gerüchte, dass neue Viren nicht natürlich sind, sondern aus dem Labor stammen, tauchen mit jedem neuen Ausbruch auf. Auch bei der Ebola-Epidemie 2014/2015 in Westafrika wurde behauptet, das Virus komme aus einem «geheimen US-Labor», genauso wie bei HIV in den 1980ern. (Im Bild: der Aids-Memorial-Quilt in Washington, 2012) Im gleichen Artikel stellten ausgewiesene Biosicherheitsexperten klar, dass das Virus nach seinem Genom und seinen weiteren Eigenschaften zu beurteilen, nicht aus dem Labor stammen könne. Zudem gaben sie an, dass es höchst unwahrscheinlich sei, dass im Labor an streng geheimen Biowaffen geforscht würde. Es sei einst mit französischer Hilfe erbaut worden und stehe in engem Austausch mit der Universität Texas. (Im Bild: Universität Texas) Statt für Klarheit zu sorgen, ist manchen Mitmenschen offenbar mehr daran gelegen, Verwirrung zu stiften. Denn während sich das neue Coronavirus (2019-nCo) immer weiter ausbreitet, tauchen auf einschlägigen Internetseiten, in sozialen Medien und auch in privaten Chats immer wieder Behauptungen und Theorien über das Virus auf, welche die Verunsicherung noch weiter befeuern (sollen).
Bei welchen Meldungen es sich schlicht um Gerüchte und Verschwörungstheorien handelt und was dahinter steckt, verrät die obige Bildstrecke.