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Geteilte Flagge der EU und Großbritanniens | Bildquelle: AFP

Ein Abschied, aber noch lange kein Ende

Brexit

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Nach dem "B-Day" ist das Thema Brexit längst nicht abgehakt. Nun muss der nächste Deal her - und das dürfte schwierig werden. In Brüssel argwöhnen viele, Premier Johnson habe im Geheimen andere Pläne.

Der Austritt der Briten - für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist er "nicht das Ende", sondern der Beginn "exzellenter Beziehungen".

"Doch so weit sind wir noch lange nicht", warnt David McAllister, Brexit-Beauftragter des EU-Parlaments. Der CDU-Mann mit schottischen Wurzeln wünscht sich, wie die meisten Kollegen, dass nach dem mühevollen Austrittsprozess jetzt zügig ein neues Kapitel in den beiderseitigen Beziehungen aufgeschlagen wird. Doch er weiß auch, dass es davor eine Menge kniffliger Details zu klären gilt, und dass die Zeit dafür denkbar knapp ist.

Höchstens acht Monate für die Unterhändler

Soll ein Freihandelsvertrag mit London am Ende der elfmonatigen Übergangsphase fertig sein, müsste der Text spätestens im Oktober vorliegen. Netto bleiben den Unterhändlern folglich nur sieben bis acht Monate. Zu wenig, warnen EU-Diplomaten: In diesem Tempo habe man noch nie ein vergleichbares Abkommen mit einem Drittstaat abgeschlossen.

Ob auch die zweite Staffel der Brexit-Saga glimpflich endet, hängt aber nicht nur vom Faktor Zeit, sondern entscheidend von den Zielen und Strategien der handelnden Akteure ab. Eine Art Basis-Deal für den Güterverkehr, der nur das Nötigste regelt, ließe sich - mit viel gutem Willen - womöglich bis Jahresende konzipieren.

Vom Steuerrecht bis zum Gesundheitssektor

Komplexere Probleme, wie Finanzdienstleistungen oder Datenaustausch, blieben erst einmal ausklammert. Wäre der britische Premierminister Boris Johnson darüber hinaus bereit, sich in Fragen des Steuer- und Arbeitsrechts sowie im Sozial-, Umwelt- und Gesundheitsbereich weiterhin eng am europäischen Binnenmarkt zu orientieren, könnte die Übung gelingen.

Baut Johnson auf ein "Singapur in der Nordsee"?

Darauf, dass man in der Downing Street einen solchen fairen Interessenausgleich, im Bürokratenjargon "Level Playing Field" genannt, tatsächlich anpeilt, deutet im Moment jedoch wenig hin. In Brüssel argwöhnen bereits viele, Johnson wolle gar keinen Deal, sondern plane im Geheimen ein neoliberales "Singapur in der Nordsee" - mit möglichst wenig Vorschriften und möglichst vielen Freiheiten.

Je mehr Sonderwünsche, je mehr Abweichungen von den Regeln und Standards der EU, desto schwieriger würde es aber, Kompromisse zu finden. Werde man sich in der verbleibenden Zeit nicht handelseinig, mahnt EU-Chefunterhändler Barnier, drohe am 31. Dezember wieder der "Abgrund".

Verlängerte Verhandlungen lehnt Johnson ab

Ein Ausweg aus dem Dilemma bestünde darin, die elfmonatige Übergangsfrist um ein bis zwei Jahre auszudehnen, wie es der Brexit-Vertrag prinzipiell erlauben würde.

Johnson schließt das jedoch kategorisch aus. Dass er seinen Kurs in ein paar Wochen revidiert, hält sein Landsmann, der scheidende EU-Abgeordnete Richard Corbett, für eher unwahrscheinlich. Für den Labour-Mann ist Johnson ein politischer Hasardeur und der Brexit schon jetzt "ein tragischer Irrtum". Er sei "schlecht für die EU und ein Desaster für Britannien".

Brexit-Tag: Scheidung perfekt, No Deal nicht gebannt
Holger Romann, BR Brüssel
30.01.2020 20:37 Uhr