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Komplizierte Technik in schlichter Hülle: die Bitterfelder Mess-Station für Erderschütterungen.Bildrechte: MDR/Martin Krause
#MDRklärt

Wie ein "Kochtopf" bei Bitterfeld vor Erdbeben warnt

Er sieht auf den ersten Blick wie ein Schnellkochtopf aus, doch sein Wert liegt bei rund 10.000 Euro. In dem Zylinder verbirgt sich eine ganze Messstation, die Erdbeben und Erschütterungen aufzeichnet – von Bitterfeld über Norwegen bis nach Peru.

Was genau misst der "Kochtopf" – bzw. die Mess-Station?

Der "Kochtopft" ist eine Mess-Station in Bitterfeld, die Erderschütterungen misst. Sie funktioniert vollkommen automatisch und muss lediglich gewartet und kontrolliert werden. Mit Funkantennen werden rund um die Uhr Daten mit korrekten Messzeiten an das Institut für Geophysik und Geologie an der Universität Leipzig gesendet. Dort werden die Daten von Computern überwacht.

Registriert werden kleinste Erschütterungen. Dabei ist die Station so genau, dass sie nicht nur Lkw erkennt, sondern sogar die Brandung an der Küste Norwegens. Werden größere Erschütterungen oder Beben festgestellt, gibt die Station auch ein Signal an das Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt. Dann beschäftigen sich die Wissenschaftler intensiver damit. Gibt es ein Beben versuchen, die Experten den genauen Ausgangspunkt, das so genannte Epizentrum, zu lokalisieren und die Stärke zu errechnen. Das geht ziemlich exakt, weil die Daten der Station in Bitterfeld mit anderen in Deutschland abgeglichen werden.

Warum steht die Mess-Station ausgerechnet in Bitterfeld?

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Die Mess-Station steht in diesem Trinkwasserhochbehälter.Bildrechte: MDR/Martin Krause

Die Station steht in einem Bitterfelder Trinkwasserhochbehälter am Muldestausee. Die geologischen Verhältnisse dort sind günstig, denn der felsige Untergrund garantiert verlässliche Daten. In dem eher dünn besiedelten Gebiet sind zudem Störfaktoren wie Schwerlastverkehr geringer als in dicht besiedelten Gebieten.

Außerdem zieht sich eine schwache Bebenzone von der tschechischen Grenze nach Norden bis in den Raum Bitterfeld. Ihre Ausläufer lassen sich von Muldenstein aus gut beobachten. Außer dieser Station gibt es in Sachsen-Anhalt noch zwei weitere: in Wimmelburg bei Eisleben und Neuenburg im Burgenlandkreis.

Wann wird ein Erdbeben gefährlich?

In den vergangenen sechs Jahren gab es im Raum Halle etwa zehn bis zwanzig kleinere Beben. Statistisch gesehen gibt es hier durchschnittlich alle zehn Jahre ein spürbares Beben – das hat auf der Magnituden-Skala einen Wert von 2,5 bis 3,5.

Magnitude oder Richterskala?

Experten sprechen bei der Bestimmung der Erdbebenstärke von Magnitude. Fälschlich wird in der Öffentlichkeit häufig von Werten der Richterskala gesprochen. Die Richterskala basiert aber auf Messungen, die in relativ geringer Distanz von wenigen hundert Kilometern zum Epizentrum gewonnen wurden. Messgeräte wie in Bitterfeld nehmen aber Erschütterungen aus einer viel größeren Distanz wahr.

Bei einem Beben in Sachsen-Anhalt bis zu einer Stärke von 2,4 wird der Abteilungsleiter informiert. Bei Beben der Stärke 2,5 bis 3,9 wird zusätzlich der Präsident des Landesamts für Geologie und Bergwesen in Kenntnis gesetzt. Er kann Anfragen beantworten, wenn die Beben spürbar waren.

Beben der Stärke 4 und höher lösen Meldungen an das Wirtschaftsministerium, den Katastrophenschutz und die Presse aus. Dann werden unter Umständen auch Hochwasserzentralen, Talsperren-Betriebe und Kraftwerke informiert, um mögliche Schäden an Bauwerken aufzuspüren oder zu kontrollieren.

Welche Beben wurden bisher gemessen?

Die Aufzeichnungen der Station sind öffentlich einsehbar. Die Station in Muldenstein ist seit November 2015 in Betrieb. Das stärkste aufgezeichnete Beben des vergangenen Jahres war am 26. Mai 2019 – allerdings in Peru. Für das Beben dort wurde eine Magnitude von 8,0 gemessen.

Ziel der Station Muldenstein ist vor allem, die Erdbebenaktivität in Mitteldeutschland und speziell im Raum Halle-Leipzig zu registrieren. Dort gab es zuletzt am 29. April 2017 in Markranstädt ein spürbares Beben mit der Magnitude 3,0.

Warum kommt es im Raum Halle zu Erdbeben?

Die Stadt Halle steht zu einem Teil auf der Merseburger Scholle, zum anderen auf der Halle-Wittenberger Scholle, die beide zur Eurasischen Platte gehören. Kommt eine der Schollen – etwa durch ein Erdstoß – in Bewegung, reibt sie sich an der anderen Scholle. Dabei entsteht Spannung, die sich abrupt in Erdbeben unter der Stadt entlädt.

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Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Quelle: MDR/mx