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Von 2011 bis 2019 war Mario Draghi Präsident der Europäischen Zentralbank.Bildrechte: dpa
Kommentar

Sparer, Mieter und Rentner bezahlen für Draghis Politik

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Mit dem Bundesverdienstkreuz hat Mario Draghi am Freitag die höchste Auszeichnung Deutschlands erhalten. Dabei ist der Kurs des ehemaligen EZB-Präsidenten in Deutschland heiß umstritten. Denn um die Stabilität des Euro zu sichern, wurden die Zinsen in seiner Amtszeit praktisch abgeschafft.

Whatever it takes, was immer es kostet - das sind die wohl berühmtesten Worte von Mario Draghi. Gemeint hat Draghi damit im Jahr 2012, dass man die hochverschuldeten Staaten Südeuropas retten wird, und zwar um jeden Preis. Griechenland zum Beispiel, das kurz vor der Pleite stand. Allein die Ankündigung Draghis reichte, um den weltweiten Finanzwetten gegen Griechenland den Boden zu entziehen.

Aber es blieb nicht bei Worten. Drei Jahre später warf die EZB unter Draghi die Gelddruckmaschinen an. Seitdem werden im großen Stil Staatsanleihen der Krisenländer aufgekauft, damit Griechenland und Co. zahlungsfähig bleiben. Mehr als 2,5 Billionen Euro wurden so inzwischen in den Geldkreislauf gepumpt.

Zinsen abgeschafft, Immobilienpreise explodiert

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Michael Kaste, Redaktionsleiter Politik und ZeitgeschehenBildrechte: MDR/Karsten Möbius

Gleichzeitig wurden die Zinsen praktisch abgeschafft, damit die Banken mehr Kredite vergeben. Die Folgen sind verheerend. Weil die in Deutschland beliebtesten Sparformen keine Zinsen mehr abwerfen, wird seitdem verstärkt in Immobilien investiert. Dadurch sind die Preise für Immobilien förmlich explodiert und die Mieten in den Großstädten gleich mit.

Die private Altersvorsorge durch Lebensversicherungen ist dagegen zum Auslaufmodell geworden. Und auch viele Betriebsrenten wackeln, weil die Versicherungskonzerne auf stabile Zinserträge vertraut hatten. Die deutschen Mieter und die deutschen Sparer bezahlen also teuer für Draghis Finanzexperimente; die Finanzminister der Schuldenstaaten profitieren dagegen vom billigen Geld.

Mit Vollgas in die Sackgasse?

Wer die finanziellen Grundfesten des Euro-Raums derart erschüttert, muss gute Gründe dafür haben. Draghi und die Zentralbank nannten stets zwei solcher Gründe: eine verlässliche Inflationsrate und die Stabilität des Euro. Das erste Ziel, die Inflation bei ca. zwei Prozent einzupegeln, um so das Wirtschaftswachstum in Gang zu halten, wird trotz größter Anstrengungen seit Jahren nicht erreicht. Kritiker sagen, die Zentralbank sei längst in eine Sackgasse geraten. Aber anstatt zu wenden, gibt sie Vollgas.

Das zweite Ziel, ein stabiler Euro, ist ähnlich weit entfernt. Wer sein Geld auf Konto oder Sparbuch geparkt hat, kann bei der Entwertung seines Vermögens praktisch zusehen; Mario Draghi hat die Enteignung der Sparer zum Geschäftsmodell gemacht.

Draghis Vermächtnis ist ein Tabubruch

Man muss dem Italiener sicherlich zugutehalten, dass er die drohende Staatspleite Griechenlands und die Ansteckungsgefahren für Italien im Keim erstickt hat, whatever it takes. Dafür hat er das Vertrauen der Deutschen in die Seriosität der Zentralbank nachhaltig erschüttert.

Dass sich Schuldenmachen lohnt und Sparen bestraft wird, ist in der Geschichte des Geldwesens ein einmaliger Tabubruch. Dieser Tabubruch ist Verdienst und Vermächtnis von Mario Draghi. Am Freitag bekommt er dafür das Bundesverdienstkreuz. Viele Sparer, viele Mieter und viele Rentner können darüber nur den Kopf schütteln.