Gigafactory

Umweltauflagen könnten Tesla-Pläne in Brandenburg ausbremsen

In Brandenburg soll das erste Tesla-Werk in Europa gebaut werden. Die Umweltschutzauflagen könnten sich aber noch als großes Problem erweisen.

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Protest in Brandenburg

250 Menschen demonstrierten am Samstag, dem 25. Januar 2020, in der brandenburgischen Ortschaft Grünheide gegen die geplante Ansiedlung des Automobilherstellers Tesla.(Foto: imago images/Christian Ditsch)

Berlin. Im November hat Tesla-Chef Elon Musk die Pläne für eine Elektroautofabrik in Brandenburg angekündigt. In dieser Woche wurde der Kaufvertrag für das Grundstück notariell beurkundet. Damit hat das Projekt nahe Berlin eine erste wichtige Hürde genommen.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach von einem bedeutenden Schritt für das Gelingen des Industrieprojekts. Tesla will in der Gemeinde Grünheide (Kreis Oder-Spree) an der Autobahn 10 von Juli 2021 an bis zu 500.000 Elektroautos im Jahr bauen. Doch bis die Fabrik steht, ist es noch ein weiter Weg – gepflastert mit Risiken, die das Projekt gefährden könnten.

Als große Hürde gelten die Umweltschutzauflagen. Das umweltrechtliche Genehmigungsverfahren läuft derzeit. Hier liege der Ball ausschließlich im Feld von Tesla. „Die Antragsunterlagen für die Genehmigung müssen überzeugend darlegen, dass alle materiell-rechtlichen Umweltanforderungen eingehalten werden und ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt sichergestellt ist“, sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach im Interview mit dem Handelsblatt. „Andernfalls ist das Projekt nicht genehmigungsfähig.“

Auf die Frage, ob er befürchte, dass Tesla abspringen könne, wenn die Landesregierung zu viel bremse, sagte der SPD-Politiker. „Man sollte nie nie sagen.“ Die nächsten Wochen bis Mitte März seien vor diesem Hintergrund noch eine Herausforderung, gibt Steinbach zu bedenken. Wegen der neuen Brutperiode müsse spätestens bis zu diesem Termin der Wald auf dem Tesla-Areal gerodet sein.

Vorher müsse aber zum Beispiel die Kampfmittelbeseitigung abgeschlossen sein. Sieben US-Fliegerbomben wurden bereits gefunden und gesprengt. Die Landesregierung schließt den Fund weiterer Blindgänger nicht aus.

Außerdem müssen auch die Tiere, die auf dem Gelände der künftigen Gigafactory ihren Lebensraum haben, umgesiedelt werden. Es geht unter anderem um Wölfe, Rehe, Fledermäuse und Waldameisen. „Ja, die Ameisenhaufen müssen bis dahin auch umgesetzt sein“, sagte der Minister. „Sonst würde sich das Projekt um voraussichtlich ein drei Viertel Jahr verzögern“, fügte Steinbach hinzu. „Das wäre dann eine Situation, in der ich deutlich skeptischer wäre, ob wir Tesla noch bei der Stange halten können.“

FDP schickt eine Warnung nach Brandenburg

Dass der Umweltschutz ein solches Milliardenprojekt ausbremsen könnte, halten Politiker von CDU und FDP für nicht hinnehmbar. „Bei dieser Ansiedlung schauen uns weltweit Industrieunternehmen und Investoren besonders zu“, sagte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, dem Handelsblatt. „Nach dem Imageschaden für unser Land durch die jahrelangen Verzögerungen beim Berliner Großflughafen muss die Hauptstadtregion hier liefern.“ Er hoffe sehr, dass die Äußerungen aus Brandenburg „kein Schwarzer-Peter-Spiel einleiten und nicht schon jetzt präventiv nach Begründungen für ein Scheitern gesucht wird“.

Auch die FDP schickte eine Warnung nach Brandenburg. „Hier sieht man, wie schwierig in Deutschland Planungsvorhaben sind“, sagte der Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer dem Handelsblatt. „Sollten sich die Pläne von Herrn Musk, seine erste europäische Giga-Factory nächstes Jahr zu eröffnen, wegen der Umweltschutzauflagen für ein seit 20 Jahren als Gewerbefläche ausgeschriebenes Gebiet zerschlagen, wäre das ein fatales Signal.“ Die Wirkung wäre bei weitem nicht auf Brandenburg begrenzt.

Die Grünen halten die Aufregung für unbegründet. „Umweltschutzauflagen müssen erfüllt werden, das gilt für jedes Projekt dieser Größe“, sagte der industriepolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Dieter Janecek, dem Handelsblatt.

Manche Einwände, die in den letzten Wochen kommuniziert worden seien, wirkten zudem etwas konstruiert. „Wir reden hier ja nicht über ein Waldidyll, sondern um ein Industriegebiet neben der Autobahn, auf dem eine Kiefer-Monokultur steht“, betonte Janecek. „Wir wollen, dass der Standort Deutschland führend wird bei Elektromobilität als klimafreundliche Antriebsform“, fügte der Grünen-Politiker hinzu. „Deshalb hat die Ansiedlung von Tesla hohe Priorität.“

Bei Bürgern in Grünheide und Umgebung gibt es indes Bedenken wegen der Rodung von Wald und wegen des Trinkwassers, das Tesla mit der Fabrik benötigt. Wirtschaftsminister Steinbach glaubt aber, dass er bei einem Bürgerdialog in Grünheide „zumindest ein bisschen die Sorgen einiger“ habe entkräften können. „Es wird sicherlich immer einen Prozentsatz geben, den man nicht überzeugen wird.“

Gefahr für die öffentliche Trinkwasserversorgung?

Bürger beschäftigt unter anderem die Wasserver- und -entsorgung. Außerdem befürchten sie eine Gefahr für die öffentliche Trinkwasserversorgung. In den Antragsunterlagen laut Bundesimmissionsschutzgesetz hatte das Unternehmen angegeben, dass pro Stunde 372 Kubikmeter Wasser aus dem öffentlichen Trinkwassernetz benötigt werden. Allerdings werde Tesla nicht an jedem Tag so viel Wasser verbrauchen, beschwichtigte Musk kürzlich via Twitter. „Das ist möglicherweise ein seltener Fall einer Spitzennutzung, aber nichts, was jeden Tag vorkommt.“

Auch zu der kritisierten angekündigten Rodung von Wald äußerte sich der Firmenchef. Auf dem 300 Hektar großen Gelände gebe es keinen natürlichen Wald. Er sei zur Kartonherstellung angepflanzt worden und nur ein kleiner Teil werde für die Fabrik verwendet. Die Fabrik, betonte Musk, werde unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit und der Umwelt entwickelt.

Der FDP-Politiker Theurer sagte, natürlich könne man auch hinterfragen, ob es in Deutschland vielleicht geeignetere Standorte gebe. „Allerdings ist völlig klar, dass eine solche Investition gerade einer eher strukturschwachen Region hilft“, betonte er. „Gerade in Zeiten, in denen die Industrie in der Rezession steckt, sind solche Signale für Wohlstand und Arbeitsplätze höchst willkommen.“

Dass in Grünheide nun Widerstände gegen die Tesla-Ansiedlung offen zutage treten, überrascht Theurer andererseits aber auch nicht. „Schon im November habe ich gewarnt, dass Verbandsklagerecht, Bürgerinitiativen und linke Aktivisten dieses Projekt gefährden könnten“, sagte er. Heute sehe er sich bestätigt.

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